Déjà-vu

Noch ist die Weinlese 2024 nicht abgeschlossen und für ein Fazit ist es viel zu früh. Weil aber nur noch Cabernet Sauvignon und Traminer an den Reben hängen und das extreme Erntewetter den Jahrgang unvergesslich machen wird, ist ein Zwischenbericht durchaus angebracht.

Nach der Lese unseres „Springinkerl“ am 9. August und einer Vorab-Ernte eines Grünen Veltliner am 22. August haben wir am 26. des Monats guten Mutes die Weinlese 2024 begonnen. Am zweiten Tag hat uns dann die letzte große Hitzewelle des Sommers eingeholt und uns jeden Tag während der zweiwöchigen Hauptlese Temperaturen über 30 und häufig 33 oder sogar 34 Grad Celsius beschert.

Solche Temperaturen sind aus mehreren Gründen eine enorme Herausforderung. Einerseits, weil es für unsere Lesehelfer und uns selbst natürlich extrem anstrengend ist, in der Hitze – und je nach Orientierung der Rebzeilen auch in der prallen Sonne – stundenlang sorgfältig Trauben von den Reben zu schneiden. Und andererseits, weil die damit verbundenen Trauben- und Mosttemperaturen die Entwicklung von unerwünschten Mikroorganismen während Verarbeitung und Pressung enorm begünstigen.

Um beidem zumindest etwas entgegenzuwirken, haben wir heuer erstmals nur am – nach vorne und hinten etwas verlängerten – Vormittag geerntet und die Arbeit draußen um 13 Uhr eingestellt. Dadurch waren zwar einige Lesetage mehr notwendig, aber wir hatten ja zum Glück rechtzeitig begonnen und das Wetter hat auch lange genug gehalten.

Ein weiteres Problem solcher Hitze ist nämlich, dass die Traubenreife ja enorm schnell voranschreitet. Und weil man nicht alle Weingärten gleichzeitig ernten kann, ist das Risiko zu reifer Trauben für bestimmte Weinstile groß. So berichten Kollegen bereits davon, dass auch einige ihrer Alltagsweine, die normalerweise bei 11,5 oder vielleicht 12 Prozent Alkohol liegen heuer eher 13 Prozent haben werden.

Das konnten wir gottseidank vermeiden und wir haben nicht nur unser Springinkerl mit knapp 9 Prozent im Keller, sondern auch mehrere Grüne Veltliner, den Muskat Ottonel und unseren Rosé im Bereich zwischen 11,5 und 12 Prozent. Ein klein wenig geholfen hat uns dabei auch der Ertrag, der bei uns nicht ganz so gering ausgefallen sein dürfte, wie ansonsten landauf landab. Weniger oder kleinere Trauben reifen natürlich noch schneller, ein anscheinend sehr lokal begrenzter ergiebiger Gewitterregen Mitte August hat aber in den meisten unserer Weingärten für eine durchaus normale Erntemenge gesorgt.

Einbußen hatten wir nur dort, wo Ende April der Spätfrost zugeschlagen hat. Der hat doch etwas mehr Schaden verursacht, als hier optimistisch berichtet. Ein Hektar am Hangfuß zum Neusiedlersee mit Muskat Ottonel, Muskateller und Chardonnay hat es ziemlich schlimm erwischt und den empfindlichen Muskat auch in den Hanglagen, in denen die anderen Sorten direkt daneben nicht betroffen waren. In Summe liegen wir deshalb bei vielleicht 15 Prozent unter einer Durchschnittsernte, also immer noch in der normalen Schwankungsbreite, die das Weinbauernleben mit sich bringt.

Qualitativ ist der 2024er bei uns sehr vielversprechend, allerdings nicht wegen der vielen Sonne im August, sondern eher trotzdem. Die Vorgeschichte des Jahrgangs und unsere Laubarbeit im Weingarten, bei der wir insbesondere bei den Weißweinsorten auf eine gewisse Beschattung der Trauben achten, dürften allem Anschein nach dafür gesorgt haben, dass die Weine nicht die typischen Merkmale eines Hitzejahrgangs aufweisen.

Prägender als die Temperatur ist in solchen Jahren nämlich die Trockenheit. Sie sorgt für niedrige Säurewerte und breite, unelegante Weine mit wenig aromatischer Tiefe. Richtig trocken war es bei uns heuer allerdings nur für vielleicht zwei, drei Wochen in der zweiten Julihälfte. Davor konnten die Reben vom ausgiebigen Niederschlag im April und Mai zehren, dann kam ein kleinerer, aber sehr wirksamer Regen am 8. August und schließlich wie bereits erwähnt „unser“ Gewitter am 17. August mit ansehnlichen 35 Liter Regen pro Quadratmeter.

In den ersten zwei Lesewochen wanderten nach und nach alle Weißweinsorten und der Zweigelt in den Keller, durchwegs wohlschmeckend, praktisch ohne Fäulnis und alle in der richtigen Reife für den jeweiligen Weinstil. Auch die Traubenwelke beim Zweigelt, die uns im Vorjahr ähnlich viele Probleme bereitet hat wie 2008 hielt sich in verträglichen Grenzen.

Der Montag der dritten Woche, an dem wir aus logistischen Gründen ohnehin vor hatten zu pausieren, brachte dann den großen, unerwarteten Wetterumschwung. Die Abkühlung auf normale Septembertemperaturen und der ausgiebige Regen am Montag waren allerdings lediglich das Vorspiel, denn die Prognosen fürs Wochenende sagten ungeahnte Rekordniederschläge bei 10 Grad Celsius voraus. Angesichts dieser Meldungen hatte ich ein recht eigenartiges Déjà-vu, erinnerte die Wettervorhersage doch frappierend an das Jahr 2007, in dem es mitten in der sehr frühen Lese 110mm geregnet hatte.

Damals war es wie heuer recht kalt, was die Fäulnisgefahr bei solchen Extremereignissen deutlich mindert. Wohl deshalb sind wir vor 17 Jahren mit einem blauen Auge davongekommen, wenn auch der Regen beim Blaufränkisch da und dort seine Spuren hinterlassen hat. Um das heuer zu vermeiden, galt es, das kurze trockene Zeitfenster am Dienstag und Mittwoch der vergangenen Woche bestmöglich zu nützen, um den Blaufränkisch nach Hause zu bringen.

Mit großem Einsatz ist uns das auch gelungen und jetzt haben wir „nur“ noch den Cabernet Sauvignon und den Traminer draußen. Ersterer ist sehr dickschalig und lockerbeerig und deshalb eine der fäulniswiderstandsfähigsten Sorte überhaupt. Wenn der Cabernet nach dem Regen einige Tage abtrocknen und fertig reifen kann, sehe ich dem Resultat sehr optimistisch entgegen, nicht zuletzt, weil der 2007er damals auch sehr gut geworden ist und immer noch große Freude bereitet.

Der Traminer ist ohnehin für unsere süße Auslese vorgesehen, soll also sogar von (Edel-)Fäule befallen werden. Dementsprechend gelassen nehmen wir das aktuelle Sauwetter hin und drücken den Kollegen (v.a. in anderen Weinbaugebieten) die noch nicht soweit sind mit der Ernte und allen in den Hochwassergebieten die Daumen.

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