Vergangenen Dienstag habe ich unseren Chardonnay 2010 umgezogen. Das war die erste Bewegung dieses Weines seit dem Tag nach der Lese am 24. September 2010, als ich den Most von den über Nacht abgesunkenen Trubstoffen getrennt und in jene Fässer gefüllt habe, in denen er bis vor ein paar Tagen zuerst gären und danach reifen durfte.
Genau so wie das bei hochwertigen Weinen sein soll, ist in diesen 212 Tagen abgesehen vom laufenden Verkosten eigentlich recht wenig mit dem Chardonnay passiert.
Die Gärung verlief unspektakulär, danach habe ich den für die Gärung notwendigen Steigraum aufgefüllt, den Wein später „geschwefelt“ und danach den SO2-Spiegel von Zeit zu Zeit kontrolliert und ergänzt.
Der Barrique-Anteil unseres „Chardonnay Duett“ absolvierte zuvor noch den biologischen Säureabbau samt gelegentlichem Aufrühren der Hefe und die Charge im großen Faß habe ich vor rund zwei Monaten geringfügig entsäuert.
Am kommenden Montag wird der bereits von selbst weitgehend klare Wein ohne großen technischen Aufwand und ebensolche Strapazen filtriert, damit wir ihn am Dienstag abfüllen können.
In der Flasche darf er dann wieder zumindest bis zum Herbst in Ruhe weiterreifen, ehe er in den Verkauf kommt. Gut Ding will Weile haben…
Hier sollte eigentlich ein Leserkommentar stehen, der sich aber offensichtlich bei meinem Versuch, ihn freizuschalten in Luft aufgelöst hat. Sorry! Sinngemäß ging es darin um die Frage, was eigentlich mit den Weinen während der Reife passiert, speziell was den Alkoholgehalt, die Säure und den Restzucker betrifft.
Da eine tiefgründige Behandlung des Themas Weinreifung weit über die Möglichkeiten eines Kommentars hinausgehen würde, bleibe ich an dieser Stelle etwas oberflächlich: Rein analytisch gesehen verändern sich Alkoholgehalt, Säure und Restzucker während der Reifung praktisch nicht. Was sich allerdings stark verändert/verändern kann, ist die sensorische Wahrnehmung.
Die Entwicklung eines Weines beruht auf einer Vielzahl von kleinen chemischen Einzelreaktionen, teilweise mit, teilweise ohne Einwirkung von Sauerstoff aus der Luft. Aromastoffe verbinden sich und riechen dann plötzlich anders, geruchsneutrale Substanzen koppeln sich aneinander und werden für unsere Nase plötzlich wahrnehmbar. Tanninmoleküle bilden immer länger werdende Ketten, verknüpfen sich mit Farbstoffen und schmecken plötzlich nicht mehr so adstringierend. Und, und, und…
Vieles davon läßt Weine voller und/oder süßlicher erscheinen und überlagert so die Wahrnehmung von Säure und Alkohol. Eine gewisse Zeit lang scheint es deshalb so, als ob die beiden weniger würden, aber wenn die chemischen Reifungsprozesse einen gewissen Punkt überschreiten, beginnt die Harmonie zu kippen, und plötzlich schmeckt z.B. ein Wein nicht mehr gereift und ausgewogen, sondern alt, dünn und sauer.
Ab wann wir diese Entwicklung negativ empfinden, ist extrem subjektiv. Für die einen kann eine weitere Reifung eines älteren Weines immer noch einen Gewinn an zusätzlichen Geschmacksnuancen bringen, während die andern schon den kompletten Verlust an Lebendigkeit und Harmonie bedauern.