Von der Traube zum Weißwein, Teil 3

Der Vorgang des „Entschleimens“

Von der Presse läuft der mehr oder weniger trübe Saft üblicherweise in einen Edelstahltank. Am Ende der Pressung wird der Saft gemischt, um nicht nur die Menge, sondern auch Zuckergehalt, Säure und pH-Wert feststellen zu können. Die Menge ist für alle Behandlungsmaßnahmen und die Wahl des passenden Gärbehälters wichtig, und die Analysen für allfällige spätere Behandlungen und eine Einschätzung des Qualitätspotentials, um den Ausbau darauf abstimmen zu können.

Bevor man daran geht, den Großteil der Trubteilchen aus dem Saft zu entfernen sind einige Überlegungen zu treffen.

In welchem Gesundheitszustand war das Traubenmaterial? Könnte es unangenehme Nebengeschmäcker durch Fäulnisbefall, der nicht ausgelesen wurde, geben? Waren die Trauben besonders exponiert und enthalten daher (möglicherweise aufgrund einer nicht sinnvollen vorherigen Maischestandzeit) ein erhöhtes Maß an Bitterstoffen? Ist der Jahrgang eher von Trockenheit und Hitze geprägt und läßt daher ein höheres Maß an thermolabilem Eiweiß erwarten? Oder handelt es sich um Traminer oder Grünen Veltliner, die immer sehr viel Eiweiß enthalten?

Diese Fragen entscheiden darüber, ob man bereits im Most sogenannte Schönungen durchführt. Schönungen sind Most- oder Weinbehandlungen, bei denen ein gesetzlich genau definiertes Schönungsmittel unerwünschte Aroma- oder Geschmacksstoffe an sich bindet und gemeinsam mit diesen wieder vollständig aus dem Most oder Wein entfernt wird.

In der Regel sind Schönungen „Reparaturmaßnahmen“, die vorangegangene Fehler oder Probleme aus der Natur zu beheben versuchen. Dabei werden immer auch in kleinerem oder größeren Umfang erwünschte Substanzen aus dem Wein entfernt und dieser strapaziert. Aus diesem Grund ist es enorm wichtig, durch möglichst optimale Arbeit im Vorfeld auf spätere Schönungen gar nicht angewiesen zu sein.

Ist eine Behandlung unumgänglich, kann es zweckmäßig sein, diese bereits im Most durchzuführen, da viele Aromastoffe erst während der Gärung entstehen oder freigesetzt werden und diese mit eine Schönung vor der Gärung nicht in Mitleidenschaft gezogen werden.

Sehr oft erforderlich ist die Stabilisierung des Mostes bzw. Weines mit Bentonit. Bentonit ist ein aufbereitetes spezielles Tonerdepräparat, das die Fähigkeit hat, Eiweißstoffe an sich zu binden. Vor allem jenes Eiweiß, das später im bereits klaren Wein zu irreversiblen Trübungen führen kann, wenn dieser auch nur kurzzeitig etwas wärmer gelagert wird, bindet sich an das Bentonit und wird mit diesem entfernt.

Wird Bentonit im Most verwendet, wird es zugegeben, sobald die Mostmenge feststeht. Nachdem es etwa eine halbe Stunde durch Rühren in Schwebe gehalten wird, sinkt es zu Boden und unterstützt den Entschleimungsvorgang.

Das eigentliche „Entschleimen“

Warum die Trubstoffe vor der Gärung weitgehend entfernt werden, wird spätestens bei der Gärung klar. Hier geht es vorerst nur darum, wie man die kleinen Schalenteilchen, Fruchtfleisch, Staub, Erde, kleine Kerne,… entfernt.

Kleinere und mittelgroße Betriebe wie wir nützen dazu trotz aller mittlerweile erfundenen Hilfsmittel meist die Schwerkraft. Innerhalb von 8 bis 12 Stunden (in der Praxis über Nacht) sinken die Trubteilchen auf den Boden des Tanks, da sie schwerer sind, als der Saft selbst. Spezielle Enzyme, die das Fruchtfleisch abbauen können (siehe Teil 1) aber auch Bentonit oder andere Schönungen können diesen Vorgang unterstützen.

Am nächsten Tag wird der weitgehend klare Saft (in der „Klarheit“ eines naturtrüben Traubensaftes oder etwas klarer) in den Gärbehälter gepumpt. Dazu wird mit Taschenlampe und geschultem Auge beim Mannloch des Tanks solange Saft weggesaugt, bis der trübe Bodensatz zum Vorschein kommt. Je nach Traubenverarbeitung, Sorte, Gesundheitszustand der Trauben und Behandlungen beträgt das Trubvolumen zwischen 5 und 20 Prozent.

Dieser Trub wird sehr oft gemeinsam mit dem Scheitermost von allen Sorten zu einem Wein einfachster Qualität vergoren (und später oft im Faß verkauft). Vor allem bei besonders wertvollen Mosten macht man sich aber auch die Mühe diesen Trub zu filtrieren, um ihn sofort oder nach genauen Verkostungen eventuell später wieder zuzugeben.

Je klarer der Saft, der vergoren wird, umso besser ist der Wein – sagt zumindest die Wissenschaft. Ein gewisses (geringes) Maß an Trubstoffen kann dem Wein aber mehr Komplexität verleihen und ist für eine gute Gärung unerläßtlich. Zu starkes Entschleimen entfernt nämlich nicht nur fast alle Hefen, die schon im Weingarten auf den Trauben sitzen und beim Pressen in den Saft gelangen, sondern auch sehr viele wichtige Hefenährstoffe wie Stickstoffverbindungen und Vitamin B. Übertreibt man also die Mostklärung aus falschen Qualitätsüberlegungen folgen die Sorgen mit schleppenden Problemgärungen auf dem Fuß.

Technische Verfahren

Das Absetzenlassen des Trubes funktioniert nur, solange der Most nicht gärt. Das bei der Gärung entstehende CO2 würde nämlich die Trubteilchen ständig nach oben reißen und ein Absetzen verhindern. Bei sehr hohen Temperaturen und großen Tanks mit sehr langer Befülldauer (unzählige Pressungen von morgens bis abends, ehe der eigentliche Entschleimungsvorgang beginnen kann) ist die schonende (und energiesparende) Schwerkraftmethode daher sehr riskant.

Großbetriebe, aber auch immer mehr kleine, verwenden daher technische Hilfsmittel, um den Most zu klären. Heute eher „out“ ist der Separator, eine Zentrifuge, die im Durchflußverfahren den Most mit über 10.000 Umdrehungen zum Rotieren bringt und den Trub nicht mit Schwerkraft, sondern mit Fliehkraft abtrennt. Diese Methode ist zwar sehr praktisch, da sie ohne Stehzeiten kontinuerlich direkt nach der Presse funktioniert, allerdings nicht besonders schonend und für kleinere Betriebe auch zu teuer.

Voll im Trend liegt die Flotation. Mit einem relativ günstigen Zusatzgerät zur meist ohnehin vorhandenen Pumpe wird im Durchflußverfahren kontinuierlich Stickstoff (oder Luft) in den Most eingeblasen und dieser in einen Tank gepumpt. Im Tank entbindet sich das Gas aus dem Most und steigt nach oben. Dabei nimmt es die Trubteilchen mit, und der klare Most kann unten beim Tank entnommen werden. Sehr oft unterstützt die Zugabe des Schönungsmittels Gelatine (gegen bittere Gerbstoffe) das Emporsteigen der Trubstoffe.

Der vorgeklärte Most wird nach dem Entschleimungsvorgang in den passenden Gärbehälter gepumpt. Je nach angestrebtem Weinstil kann das ein Edelstahltank, ein traditionelles Faß oder ein Barrique sein.