Neben der Verkostung ist die analytische Kontrolle die zweite Entscheidungsgrundlage für den Umgang mit Trauben, Most und Wein. Nicht umsonst messe ich nicht nur vor der Ernte sondern auch gleich nach der Pressung den Zuckergehalt (in Form des Mostgewichtes), die Säure und den pH-Wert.
Später kommt dann noch die regelmäßige Analyse des SO2-Gehaltes und die Säureabbaukontrolle dazu. Alle anderen Daten (wie z.B. den Alkoholgehalt) leite ich bei Bedarf fast immer von diesen Messungen ab, falls ich sie vor der obligatorischen Prüfnummernuntersuchung bei der Abfüllung benötige.
Während viele Kollegen im Lauf der Faßreife hunderte Euros in diverse Laboruntersuchungen ihrer Weine investieren, vertraue ich meistens lieber auf meine Schätzrechnungen. Zahlreiche Erfahrungen im weinanalytischen Entwicklungsland Österreich haben nämlich gezeigt, dass diese fast immer genauer sind.
Essig oder nicht Essig? Das ist hier die Frage.
Vor ein paar Tagen bat mich ein junger Kollege um Rat. Einer seiner Rotweine ist in der Gärung steckengeblieben und steht vor oder schon mitten im biologischen Säureabbau. Das ist besonders heikel, weil in solchen Fällen die Milchsäurebakterien aus dem noch vorhandenen Zucker Essigsäure bilden und den Wein verderben können.
Um dieses Risiko besser einschätzen und die bestmögliche Vorgangsweise wählen zu können, sollte man die Analysenwerte von Alkohol, Zucker, Essig-, Milch- und Äpfelsäure kennen.
Erstere, um abwägen zu können, wie groß die Chance ist, die Gärung noch einmal in Gang zu bekommen oder mit welchen Verschnittmöglichkeiten man sich ohne neuen Gärstart behelfen könnte. Zweiteren, um zu sehen, ob die Bakterien schon aktiv sind, und man lieber auf Nummer sicher gehen sollte. Und letztere, um zu wissen, ob man überhaupt noch auf den biologischen Säureabbau warten muß, oder ob er ohnehin längst stattgefunden hat.
Theoretisch wäre es also sinnvoll gewesen, dem Kollegen die passende Kombi-Untersuchung der einschlägigen Labors zu empfehlen. Praktisch weiß ich allerdings, dass diese Analyse im Jungweinstadium vor ein paar Jahren meinem besten Blaufränkisch fälschlicherweise fünf Gramm Restzucker und einen gefährlich erhöhten Essigsäuregehalt angedichtet hat.
Ich hatte den Wein damals daraufhin abgeschrieben und wartete wochenlang, dass mit dem langsamen Verschwinden der Gäraromen der stechend-scharfe Geruch der flüchtigen Säuren zum Vorschein kommen würde. Und weil es ohnehin schon egal war, nahm ich es mit dem Auffüllen des Schwundes auch nicht mehr ganz so genau.
Wenig beachtet reifte der Wein wochenlang vor sich hin und wurde – zuerst unbemerkt – von Tag zu Tag besser, anstatt wie nach der niederschmetternden Analyse erwartet schlechter. Eine weitere Labormessung unseres damaligen – internationalen – Weinbauberaters brachte schließlich Klarheit:
Der Essigsäurewert war nicht knapp unter dem gesetzlichen Höchstwert (und damit jenseits des für ernstzunehmenden Qualitäten tolerierbaren), sondern im Normalbereich. Und der Restzucker lag bei unauffälligen Zweikommairgendwas.
Würfeln wäre auch nicht ungenauer
Mindestens ebenso problematisch ist die SO2-Kontrolle beim Rotwein. Seit einigen Jahren habe ich die Messungen ja selbst in der Hand (und seit heuer sogar mit einem eigenen Gerät), aber früher ging ich mit meinen Proben immer wieder auch in verschiedene Labors.
Um das Risiko eines in der Flasche wegen zu wenig SO2 rasch vor sich hinoxidierenden Roten zu vermeiden (und andererseits aber auch nicht extrem verschlossene, unbekömmliche Weine mit SO2-Überdosierung zu füllen), holte ich dabei nicht selten mehrere Meinungen ein. Mit durchaus bescheidenem Resultat.
Einmal hatte ich wenige Tage vor der Füllung zwei Werte, wie sie unterschiedlicher nicht sein können. Ein Labor teilte mir mit, der SO2-Spiegel meines Zweigelt liege bei 9 mg/l, also de facto kurz vor ernstzunehmenden Oxidationsschäden. Eine andere Untersuchungsanstalt gab dagegen beim gleichen Wein 47 mg/l an, was knapp unter der gesetzlichen Obergrenze liegt.
Was also angesichts des nahenden Fülltermines tun? Der eigenen Analyse wollte ich nicht trauen, weil die Messgenauigkeit unseres damaligen Verfahrens durch die dunkle Rotweinfarbe beeinträchtigt wird. Zum Glück versprach man mir in einem dritten Labor telefonisch ein rasches Ergebnis innerhalb weniger Minuten.
Weil die Zeit drängte, fuhr ich prompt die 20 Minuten nach Eisenstadt und meine Probe wurde tatsächlich sofort bearbeitet. Mit dem gleichen unsicheren Verfahren, das ich selbst im Keller hatte, bei schlechtem Licht zwischen Tür und Angel…
Viel hilft viel
Bei den Dosierungsempfehlungen für Schönungen gehen die meisten heimschen Labors dafür auf Nummer sicher. Vielleicht hat das damit zu tun, dass sie die passenden Mittel auch verkaufen (wollen). Und vielleicht auch damit, dass sich die meisten Weinbauern bei Fehldiagnosen wohl eher über nicht ausreichend stabilisierte als über gnadenlos zu Tode geschönte Weine beschweren würden.
Beim Bentonit, dem einzigen Schönungsmittel, mit dem ich regelmäßig arbeite, liegen die Empfehlungen der Labors, die ich mittlerweile schon viele Jahre meide zum Teil bei der doppelten und dreifachen Dosierung jener Untersuchungsanstalt, der ich diesbezüglich vertraue.
Meist reduziere ich sogar diese Mengen in der Praxis noch ein bißchen, und trotzdem habe ich keinerlei Schwierigkeiten mit späteren Trübungen in der Flasche.