“Trinkbare” Weine aus Tetra Pak, Bag in box und Co.
Bei der siebenten Ausgabe der vom Winzerblogger initiierten Wein(blog)rallye dreht sich auf Anregung der bloggenden Winzerbrüder Kaul alles um Weine aus alternativen Verpackungen.
Alle deutschsprachigen Genussblogs sind eingeladen, sich mit Wein in Tetrapack, Bag-in-Box, Dosen, Pet-Flaschen, Tonamphoren und sonstigen Behältern zu befassen und heute darüber zu bloggen. Eine Zusammenfassung aller Beiträge gibt es hier im Kaulwein-Weblog zu lesen.
Ich habe diese Gelegenheit genützt, um mich endlich einmal einem Wein zu widmen, über den ich schon oft gelästert gesprochen, den ich aber noch nie probiert habe: Dem 99-Cent-Tafelwein im Tetrapack!
Das Tetrapack-Image
Um meinen Weinseminar-Teilnehmern plakativ die Verwertung von minderwertigen Weinchargen darzustellen, verwende ich meist den Satz: „Irgend etwas muß ja auch in die Tetrapacks gefüllt werden.“ Diese Methode hat sich durchaus bewährt, weil praktisch alle Teilnehmer das gleiche schlechte Bild von Tetrapack-Wein haben wie ich (obwohl sie ihn wahrscheinlich ebensowenig jemals probiert haben wie ich bis heute).
Dabei geht es mir konkret vor allem um jenen Wein, der aus dem trüben Bodensatz entsteht, der beim Entschleimungsvorgang von Weißweinen abgetrennt wird, damit die Gärung reintöniger verläuft.
Wie wir auch vergären viele kleinere und mittlere Betriebe den Bodensatz aller Chargen gemeinsam und unterlassen jeden Versuch, die Qualität des daraus entstehenden Weines zu verbessern. Der dafür notwendige zeitliche und technische Aufwand lohnt sich nämlich oft nicht, zumal die Zeit während der Weinlese ohnehin das knappste Gut der Kellermeister ist.
Die Qualität des Weines aus den gesammelten Trubstoffen aller Sorten ist natürlich dementsprechend bescheiden. Das veranlaßt die Winzer in der Regel dazu, den Wein möglichst bald nach der Ernte zum Tagespreis im Faß zu verkaufen. Salopp könnte man diese Vorgangsweise etwa so zusammenfassen: „Ein Tank im Keller muß schlecht werden, damit die anderen richtig gut werden können.“
Urteil oder Vorurteil?
Um zu überprüfen, ob meine abfälligen Bemerkungen über Tetrapack-Weine überhaupt gerechtfertigt sind, habe ich mir schon öfter vorgenommen, eine Packung zu kaufen und zu verkosten.
Mit 99 Cent pro Liter ist so ein Tetrapack zwar keine große Investition, aber es brauchte trotzdem erst den Weinrallye-Aufruf, um mich endlich dazu aufzuraffen, meine Vorurteile mit der Realität zu konfrontieren.
In meinem Hinterkopf hegte ich dabei die Befürchtung, den Tetrapack-Weinen jahrelang Unrecht getan zu haben. Eigentlich erwartete ich nämlich ein zwar banales, aber doch sauberes und trinkbares Produkt.
Wenn es nicht auf aromatische Feinheit und Komplexität ankommt, läßt sich mit einigen Methoden der Kellerwirtschaft doch ziemlich viel reparieren. Und was die in diesem Preissegment besonders wichtigen Produktionskosten betrifft, so macht es wenig Unterschied, ob man einen schlechten oder einen brauchbaren Wein produziert. Diesen Unterschied macht das Know-How, das man aber bei Großproduzenten wohl durchaus erwarten darf.
Die Probe aufs Exempel
Heute war es also soweit, und ich muß tatsächlich zugeben, dass ich die Tetrapack-Weine bisher völlig falsch eingeschätzt habe. Zumindest der heute von mir verkostete war nämlich noch schlechter, als in meinen abfälligsten Bemerkungen unterstellt.
Bei den zwei oder drei Probierschlucken, zu denen ich mich gezwungen habe, kam mir tatsächlich die Frage in den Sinn, wie es überhaupt möglich sein kann, dass ein Wein ohne wirklichen Weinfehler so schlecht schmeckt. Ich bin sogar fast geneigt, alle daran beteiligten Personen für diese Leistung zu bewundern, denn ich bin mir ziemlich sicher, dass ich das auch mit Absicht niemals so hinbekommen würde…
Farbe:
klares, blasses Gelb, etwas stumpf, kaum Schlieren, kein CO2
Geruch:
sauber im Sinne der Abwesenheit von Weinfehlern wie Böckser, Oxidation, Schimmel oder ähnlichem; geringe bis mittlere Intensität, ein Hauch von müder, überalterter Fruchtigkeit, wirkt auch frisch geöffnet schon irgendwie abgestanden und ermattet, leicht „metallische“ Elemente; insgesamt zwar nicht gerade abstoßend, aber auch keinerlei Lust auf das Kosten machend
Geschmack:
trocken mit mittlerer bis lebendiger Säure, leichter, fast wässriger Körper, weitgehend geschmacksfrei mit etwas deutlicheren „metallischen“ Elementen, leichter, unauffälliger Alkoholgehalt; sehr kurzer, etwas bitterer Abgang; das Schlucken kosten mich einige Überwindung
Fazit:
Dieser Werbeslogan auf der Packung stimmt zwar grundsätzlich, trifft aber auf den konkreten Inhalt in keinster Weise zu: „Der Saft der Reben verschönert das Leben!“
Dafür paßt diese Angabe umso mehr: „Fruchtiger Weißwein für den täglichen Genuss. Paßt zu jedem Essen.“ Wer so etwas nämlich tatsächlich trinken kann, der kann das auch ruhig jeden Tag und zu jedem Essen tun. Sein Geschmackssinn hat sich offenbar ohnehin schon längst verabschiedet und es kommt ihm wohl eher auf die 11 Prozent Ethanol um 99 Cent an…
Der Wein
Tafelwein
trocken, 11%Vol, Abfülldatum 25. 6. 2007
Verschnitt von Weinen aus mehreren Ländern der EU
Abfüller der Redaktion bekannt
Es ist alles schön und gut, das der Wein in Tetrapack so toll beschrieben wird.Aber WO JA WO kann ich es Bestellen????? Und kostet es wierklich nur 0,99 sent ? Wenn Sie mir helfen können so lassen es mich bitte wisen
Sehr geehrte Frau Porten!
Vielleicht sollten Sie meinen Beitrag noch einmal lesen. Von „toll“ kann in meiner Weinbeschreibung gar keine Rede sein (und ich nehme mal an, dass sie mit „toll“ nicht die Qualität meines Textes gemeint haben).
Als Bezugsquelle empfehle ich Ihnen den nächstgelegenen Supermarkt. Üblicherweise stehen solche Artikel dort ganz unten im Regal als sogenannte „Bückware“.
Ob das Packerl dort 99 Cent oder mehr kostet, ist letztlich egal, denn für die gebotene Qualität sind auch schon 99 Cent hinausgeschmissenes Geld.
MfG
Bernhard Fiedler