Der gläserne Wein (3)

Wie im ersten Beitrag angekündigt, stelle ich in dieser Serie jene Weinbehandlungsmittel und -zusatzstoffe ausführlich vor, die in unserem Keller bei der Weinbereitung zum Einsatz kommen. Das Gesamtbild unserer „gläsernen“ Weine entsteht dabei nach und nach in der entsprechenden Beitragskategorie und in Form von Querverweisen zu den einzelnen Teilen dieser Serie unterhalb des ersten Beitrages.

Kaliumpyrosulfit

Was so modern und künstlich klingt, ist in Wahrheit recht simpel und kommt seit langer Zeit bei der Traubenverarbeitung zum Einsatz. Kaliumpyrosulfit (auch Kaliumdisulfit genannt) ist ein weißes Pulver, das in Most oder Wein mit der Weinsäure reagiert und dabei zu rund 50 Prozent SO2 (vulgo „Schwefel“) sowie zu Weinstein und Wasser zerfällt.

Während zur Schwefelung von Wein meist das unter Druck verflüssigte reine SO2-Gas zum Einsatz kommt, verwende ich für die Schwefelung von Trauben, Maische oder Most meist KPS.

Vor der Gärung wird es eingesetzt, um eine Oxidation von Aroma- und Farbstoffen zu verhindern, Mikroorganismen wie Essigsäurebakterien und wilde Hefen zu hemmen und bei (edel)faulem Traubengut die Oxidationsenzyme des Botrytispilzes zu bremsen.

Im Zuge der Gärung bindet die Hefe „nebenbei“ auch SO2 ab und der beim Zerfall des KPS gebildete Weinstein kristiallisiert aus. Aus diesem Grund findet man im fertigen Wein nur noch einen Teil der ursprünglichen Kaliumpyrosulfit-Dosis. Dieser (unwirksam gewordene) Rest wird natürlich bei der Kontrolle der strengen SO2-Grenzwerte für Wein mitberücksichtigt.

Anders als die Mehrzahl unserer Kollegen arbeiten wir bei den meisten (Weißwein)Sorten vor der Gärung bewußt oxidativ und geben kein SO2 (in Form von Kaliumpyrosulfit) als Oxidationsschutz zu.

Was mein Vater intuitiv in den 1980er-Jahren begann, widersprach zur damaligen Zeit (die ich in der Weinbauschule Klosterneuburg verbracht habe) der gängigen Lehrmeinung und ist auch heute noch eher ungewöhnlich.

Arbeiten wie diese des deutschen Oenologen Volker Schneider zeigen aber, dass die Mostoxidation positive Einflüsse auf die Haltbarkeit von Weißweinen haben kann, ohne deren Aroma nachhaltig zu schädigen.

Bei einer raschen, hygienischen Verarbeitung von einwandfreien und kühl gelesenen Trauben ist der Verzicht auf Kaliumpyrosulfit als Stilmittel unserer Erfahrung nach ohne jegliches Risiko möglich.

Dort, wo die Schalen samt Mikroorganismen einen intensiven Kontakt mit dem Saft haben und die Verarbeitung länger dauert, gebe ich der Maische zur Sicherheit gelegentlich geringe Mengen Kaliumpyrosulfit zu.

Das betrifft vor allem die Rotweine, die ja zumindest eine Woche lang auf der Maische (d.h. mit den Schalen) vergären. Gelegentlich schwefle ich aber auch Weißweine wie z.B. den aromatischen Muskat Ottonel, wenn ich ihn zur Auslaugung von Aromastoffen aus der Schale vor dem Pressen ein paar Stunden auf der Maische stehen lasse.

In den meisten Publikationen wird für gesunde Trauben eine Dosis von 100 mg/l KPS (d.h. 50 mg/l SO2) empfohlen, und für botrytisbefallene das Doppelte. Wenn ich Kaliumpyrosulfit verwende, dann nehme ich meistens „homöopathische“ 60 mg/l (d.h. 30 mg/l SO2).

Da es (selten aber doch) Personen gibt, denen auch derart geringe Mengen SO2, wie sie in Wein enthalten sind Probleme bereiten können, muß der Weinzusatzstoff SO2 (und damit indirekt auch KPS) seit einiger Zeit EU-weit auf dem Etikett deklariert werden.

Nachdem aber praktisch alle Weine eine gewisse Menge an SO2 zur Stabilisierung enthalten, ist die Angabe “ Enthält: Sulfite“ für diese Personen keine Einkaufshilfe, sondern bestenfalls eine generelle Warnung vor Wein.

Für nähere Informationen über die Traubenverarbeitung empfehle ich „Von der Traube zum Weißwein, Teil 1“ bzw. „Wie entsteht Rotwein?“ Teil 1 bzw. Teil 2.

Hintergrundwissen über das „Verhalten“ von SO2 im Wein gibt es am ehesten im Mittelteil von „Von der Traube zum Weißwein, Teil 6„.

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