2010 ist ein sehr schwieriger und ganz sicher kein großer (sehr guter) Jahrgang. Von diesem Jahr werden Sie noch ihren Enkelkindern erzählen, so etwas hat es – bezüglich Feuchtigkeit, warmen Nächten und Krankheitsdruck – noch nicht gegeben.
So sprach (nahezu wörtlich) ein von mir durchaus geschätzter Weinbauberater über die kommende Ernte, und ich kam mir dabei vor, wie im falschen Film.
Ähnliches ist mir vor ein paar Jahren auch schon mit einem anderen, ebenfalls äußerst kompetenen Konsulenten passiert, weshalb sich die Frage stellt, ob ich (oder gar die Weinbauern an sich) zum Zweckoptimismus neige(n), oder ob außenstehende Fachleute bei deutlichen Abweichungen von ihrem Idealbild gerne der Schwarzmalerei anhängen.
Natürlich ist es für eine richtige Beurteilung des Jahrgangs viel, sehr viel zu früh. Ich bin der Letzte, der schon Wochen vor Lesebeginn „Jahrhundertjahrgang“ schreit. Wie ich überhaupt versuche, jede Ernte weder ungeschaut auf ein Podest zu heben, noch pauschal zu verdammen, sondern differenziert zu betrachten.
Andererseits sind Menge, Qualität und Stil der in wenigen Wochen bevorstehenden Weinlese natürlich im Moment das Hauptthema unter den Winzern. Nicht zuletzt, weil die Arbeit des ganzen vergangenen Jahres und die Einkünfte des nächsten daran hängen. Da wollen im Endspurt alle noch möglichen Einflußnahmen gut überlegt sein.
Schwieriges Wetter, aber gute Ausgangslage
Wenn ich mir die Lage in unseren Weingärten so ansehe, finde ich keinen triftigen Grund, den Jahrgang 2010 bereits jetzt abzuschreiben. Im Gegenteil, einzelne Parzellen präsentieren sich sogar in einem Zustand, der besser kaum sein könnte.
Ja, es hat im Juni und ab Ende Juli deutlich mehr (und vor allem öfter) geregnet, als üblich. Und ja, die Peronospora (der naß-warmes Wetter liebende falsche Mehltau) hat bei Trauben und Blattfläche überwiegend kleinere, in einzelnen Weingärten aber auch durchaus schmerzende Opfer gefordert.
Andererseits ist der Ertrag in allen Weingärten („dank“ der schlechten Blüte oder durch bewußtes Ausdünnen) moderat genug, um die Rebstöcke auch bei dieser Ausgangslage nicht zu überfordern. Die Begrünung der Böden hält nicht nur die Reihen befahrbar, sondern nimmt auch zumindest einen Teil der überschüssigen Wasser- und der damit verbundenen Nährstoffmengen auf.
Dank guter Laubarbeit sind Fäulnisnester in den Trauben bislang weitgehend ausgeblieben. Und sowohl die aktuellen Zuckermessungen, als auch die ersten Anzeichen des physiologischen Reifeprozesses lassen auf sehr gute Weine hoffen.
Zumal die Nächte nach dem Ende der dreiwöchigen Hitzeperiode Anfang Juli zumindest meinem Gefühl nach eher kühler als üblich waren. Eine zu schnelle Reife der Trauben samt Absinken des Säuregehaltes auf unharmonisch niedrige Werte befürchte ich deshalb nicht.
Damit ist 2010 auch bei weitem nicht so außergewöhnlich, wie der Berater meinte. Weder erreichen die Säurewerte das (niedrige) Niveau von 2003, 2000, 1992, 1990, 1983 etc. Noch ist das Jahr so naß und fäulnisbedrängt, wie 1996 (als in seenahen Weingärten im Frühjahr und bei der Lese das Wasser 30 Zentimeter hoch stand), oder wie 2001, 1998, 1995, 1991, etc. Und auch der extreme Peronosporadruck ist – nach zugegebenermaßen längerer Pause davor – seit 2008 und 2009 nicht mehr wirklich ungewöhnlich.
Vielleicht steht 2010 nach der Vorgeschichte dieses Sommers etwas mehr auf der Kippe, als andere vielversprechende Jahre. Bei einem Extremregen während der Lese wie 2007 würden die Trauben heuer wohl nicht mehr nur mit einem blauen Auge davonkommen. Und bei deutlich unterdurchschnittlichen Temperaturen im September und Oktober wäre es 2010 sicher schwieriger, als in anderen Jahren die späten Sorten reif genug für sehr gute Qualitäten zu ernten.
Mit einem guten Herbst steht aber meiner Meinung nach einem guten Jahrgang nichts im Weg. Und mit einem sehr guten ebensolchen Weinen.
1 Gedanke zu „Schwarzmalerei oder Zweckoptimismus?“