Schwache Weinjahre sind heutzutage zum Glück sehr selten. Das hat möglicherweise ein wenig mit dem Klimawandel zu tun, auf jeden Fall aber auch damit, dass die Weinbauern heute dank gestiegenem Know-How und besserer Ausrüstung auch bei schwieriger Ausgangslage ordentliche (aber natürlich nicht große) Weine erzeugen können.
Von den mittlerweile auch schon 15 Ernten, die ich als Kellermeister miterlebt habe, ist 1996 der einzige Jahrgang, den man mit Fug und Recht als schwach bezeichnen kann.
In diesem Jahr warf die Natur den Weinbauern (zumindest in unserer Region) so viele Knüppel ziwschen die Beine, dass diese sich am Ende schon glücklich schätzen mußten, wenn es ihnen gelungen war, zwar relativ belanglose, aber wenigstens saubere Weine zu keltern.
Eigentlich begann das Unheil schon im Herbst 1995. Der war ziemlich feucht, und ebenso der Winter und das Frühjahr 1996. Der Neusiedlersee trat über seine Ufer und überschwemmte ein Gebiet, das größer war, als er selbst.
Im April und Mai stand das Wasser in unseren seenahen Weingärten 20 oder 30 Zentimeter hoch, und es ist eigentlich ein Wunder, dass die Rebstöcke das überlebt haben. Austrieb und Blüte waren in allen Weingärten spät, und der Sommer war nicht perfekt genug, um an dieser verzögerten Entwicklung etwas zu ändern.
Der Herbst war wiederum sehr naß, und das Wasser, das sich über den Sommer halbwegs in den See zurückgezogen hatte, kam wieder in die Weingärten. Fäulnis machte sich in den Trauben breit, und aufgrund der spät einsetzenden Reife konnte man nicht unbedingt von Edelfäule sprechen.
Bei der Lese blieb letztlich nur die Wahl zwischen Pest und Cholera. Also zwischen wenigstens teilweise halbwegs gesunden aber nicht wirklich reifen Trauben bei früher Ernte oder Fäulnis pur mit etwas höheren Zuckergradationen bei späterer Lese. Wobei sich die Fäulnis derart rasch ausbreitete, dass uns mit fortschreitender Lese diese Wahlmöglichkeit recht schnell abhanden kam.
Im Nachhinen betrachtet haben wir diesen Jahrgang zumindest in Relation zu vielen Kollegen eigentlich recht gut gemeistert. Damals allerdings bescherten uns Wetter und Traubenmaterial schlaflose Nächte und schlugen sich mir massiv auf den Magen.
Bei den Weißweinen versuchten wir unser Glück (zum ersten und bislang einzigen Mal) mit Kohleschönungen gleich nach der Pressung. Aktivkohle ist ein sehr starkes Schönungsmittel und entfernt ziemlich viele (positive wie negative) Aromastoffe. Durch die Anwendung im Most blieb zumindest die Hoffnung auf jene Duftkomponenten, die erst während der Gärung entstehen bzw. freigesetzt werden.
Das nicht wirklich ausgewogene Verhältnis zwischen Zucker und Säure in den Trauben haben wir bei den meisten Weinen so gut wie möglich mit Aufbesserungen und Entsäuerungen reguliert. Bei einzelnen besseren Chargen haben wir allerdings weniger auf Rübenzucker gesetzt, als auf Rebenzucker.
Um nicht nur den Alkoholgehalt zu erhöhen, sondern auch den Körper haben wir nämlich einen Teil unseres hochgradigen Ausbruch-Weines aus dem Vorjahr geopfert, und ihn in geringen Prozentsätzen den neuen Mosten zugegeben und mitvergoren.
Am Ende waren unsere Weißen durch die Bank ohne Fehlton, dabei aber doch ziemlich schlank und säurebetont. Als die jugendliche Frische etwas nachließ, machte sich das Problem des Jahrgangs, die Fäulnis, recht schnell bemerkbar.
Nur in ganz ganz wenigen Weinen äußert sie sich auf angenehme, honigartige Weise, und selbst bei diesen wirkt sie angesichts der schlanken, säurebetonten Grundzüge der Weine meist deplaziert.
Bei den Rotweinen sind die Auwirkungen von botrytisbefallenen Trauben noch schlimmer, weil die Fäulnis auch Farbstoffe und Tannine zerstört. Von Zweigelt und Blaufränkisch konnten wir deshalb trotz bestmöglicher (aber nicht wirklich möglicher) Auslese nur unsere Einstiegsqualitäten keltern und selbst diese waren nur mittelprächtig.
Der Cabernet war dank seiner dicken Beerenschale zwar bis zur Ernte halbwegs gesund, allerdings ziemlich grasig und unreif. Reinsortig war er absolut unbrauchbar, und deshalb haben wir den allergrößten Teil davon über mehrere Jahre hinweg in kleinen Mengen in unseren roten Landwein entsorgt verschnitten.
Aus Neugierde haben wir aber doch auch ein älteres Barrique damit befüllt und später mit einer besseren Zweigelt-Charge „vermählt“. Dieser Wein kam in einer einmaligen Mini-Auflage von wenigen hundert Flaschen unter dem Namen „Herbstcuvée“ auf den Markt und war, wenn ich mich recht erinnere, bei unseren Kunden recht beliebt. Leider habe ich davon keine Flaschen aufgehoben. Ich wäre jetzt wirklich neugierig, was zwölf Jahre später daraus geworden ist.
Bei den Süßweinen, die auf Edelfäule basieren fällt die Jahrgangseinschätzung naturgemäß etwas besser aus. Wirklich gute Prädikatsweine waren 1996 zwar möglich, aber sicherlich auch in der Minderzahl. Zu oft fehlte es an Ausgangsreife vor dem fäulnisbedingten Einschrumpfen, was den Weinen zwar eine rassige Säure als Gegengewicht zur Süße verleiht, aber oft auch einen Mangel an Harmonie.
Im direkten Vergleich ist der Vorgängerjahrgang 1995, der ebenfalls größere Mengen an edelsüßen Weinen erbracht hat sicherlich höher einzustufen, als 1996.
Uns bescherte 1996 eine Beerenauslese vom Traminer. Eigentlich hatten wir eine Spätlese geplant, aber ein paar sonnige Tage zwischen der letzten Reifemessung und der Ernte ließen die Trauben derart rasch schrumpfen, dass der Zuckergehalt von knapp 20°KMW auf 27°KMW anstieg.
Trotz der hohen Gradation konnten wir den Wein zu unserer Verblüffung nur mit Mühe daran hindern, durchzugären. Am Ende hatte er etwa 16 Prozent Alkohol und wirkte in seiner Jugend auch dementsprechend abweisend. Nach ein paar Jahren Reife ist dann aber ein ganz interessanter Tropfen daraus geworden.
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