Denkwürdige Jahrgänge: 1990

Ertragskorrektur

Wie der 1989er bei den Weißweinen hat der Jahrgang 1990 bei den Roten in unserem Betrieb einen ganz besonderen Stellenwert. Aber während 1989 nur ein besonders auffallender Jahrgang einer langjährigen Entwicklung bei den Weißen war, stellt 1990 bei den Rotweinen in unserem Weingut tatsächlich so etwas wie die Geburtsstunde dar.

Dabei war der Jahrgang – obwohl allgemein hoch geschätzt – gar nicht so unproblematisch. Der Sommer war heiß und sehr trocken, und eine nur im Nachhinein als falsch erkennbare Strategie bei der Begrünung unserer Weingärten hat die Auswirkungen der Trockenheit zusätzlich verschärft.

Aus diesem Grund waren unsere Weine zwar durchwegs sauber und fruchtbetont, am Gaumen fehlte es aber vor allem den Weißweinen etwas an Körper und Fülle.

Wäre damals keine Ausnahmeregelung beim (mittlerweile längst abgeschafften) Mindestwert für den Extraktgehalt erlassen worden, hätte keiner unserer Weißweine die Qualitätsweinprüfung bestanden. Dass man daraus aber nicht unbedingt Schlüsse auf die Qualität und vor allem die Lagerfähigkeit ziehen kann (wie das gerne getan wird) habe ich hier schon einmal beschrieben.

Auch die Rotweine waren nicht besonders üppig, aber trotzdem war ein Blaufränkisch in der Lage, unser Rotweinbild nachhaltig zu verändern. Nach eher zaghaften Ansätzen in den Jahren davor, erprobte mein Vater bei diesem Wein nämlich recht kompromißlos gleich mehrere entscheidende Veränderungen zur bisherigen Praxis.

Im Juli wurden in unserem Blaufränkisch-Weingarten in der Riede Altenberg zum ersten Mal gezielt Trauben weggeschnitten, damit die verbleibenden besser ausreifen können.

Was heute gang und gäbe ist, war damals ein Tabubruch, der meinen Großeltern so weit wie möglich verheimlicht wurde. Auch unser ungarischer Saisonhelfer weigerte sich, beim Ausdünnen zu helfen und interpretierte einen leichten Hagelschlag kurze Zeit später nicht völlig scherzhaft als Strafe Gottes.

Im Keller betrat mein Vater mit dem Blaufränkisch 1990 ebenfalls Neuland. Obwohl es ein Jahr davor nicht wirklich geklappt hatte, strebte er erneut den bis dahin in unserer Region weitgehend unbekannten und allenfalls gelegentlich zufällig passierten biologischen Säureabbau an.

Allen Warnungen der gängigen Lehrmeinung zum Trotz funktionierte dieser auch, hinterließ aber sehr unangenehme Nebenaromen. Mein Vater ließ sich davon aber nicht beeindrucken und behielt mit seiner Meinung recht, dass sich dieses Stinkerl bei ausreichend langer Faßreife von selbst verflüchtigen würde.

Dass ein Teil dieses Weines seine Reife in kleinen neuen Eichenfässern erhielt, war die dritte große Neuerung dieses Jahrgangs. Zwar hatten die Barriques schon ein Jahr zuvor für den süßen Neuburger Ausbruch 1989 Einzug in unserem Keller gehalten, aber der Blaufränkisch 1990 war unser erster Roter in kleinen Fässern.

Das Zusammenwirken von Ertragskontrolle, biologischem Säureabbau und bewußtem Umgang mit Barriques katapultierte den Blaufränkisch Altenberg 1990  – wie diese Teilmenge bezeichnet wurde – auf ein uns bis dahin unbekanntes Qualitätsniveau.

Auch wenn uns die ganze Dimension dieses Quantensprunges erst mit der Flaschenreife klar wurde, bewog uns schon der Eindruck im ersten Jahr, 1991 alle unsere roten Qualitätsweingärten auszudünnen, und bei allen Roten inklusive Landwein den biologischen Säureabbau durchzuführen.

Für den Ausbau in Barriques erwies sich der nachfolgende Jahrgang als zu schwach, und der Versuch wurde relativ schnell abgebrochen. Seit 1992 spielen die kleinen Fässer aber auch bei unseren besten Rotweinen (mit Ausnahme von 1995) eine nicht ganz unwichtige Rolle.

2 Gedanken zu „Denkwürdige Jahrgänge: 1990“

Schreibe einen Kommentar

Time limit is exhausted. Please reload the CAPTCHA.