Der letzte Feinschliff

Die Phase der Traubenreife bedeutet für die meisten Arbeiten im Weingarten den Endspurt. Die vor allem hier beschriebenen Laubarbeiten haben für eine lockere, gut besonnte und durchlüftete Laubwand gesorgt und finden ebenso ihr Ende wie die Bodenbearbeitung, damit sich bis zur Lese eine deutliche Gründecke aufbauen kann und der Boden besser begeh- und befahrbar ist.

Auch der Pflanzenschutz, der mit heuer insgesamt fünf Spritzungen (nach den Richtlinien der kontrollierten integrierten Produktion) für bisher gesunde und leistungsfähige Blätter und Trauben gesorgt hat, ist bereits seit einigen Wochen abgeschlossen. Die Trauben können jetzt nicht mehr von den beiden gefürchteten Mehltauarten befallen werden und wir trachten danach, daß wir nicht nur die für jedes Pflanzenschutzmittel vorgeschriebene „Wartefrist“ beachten, sondern einen deutlich größeren Abstand bis zur Lese einhalten.

Eine der letzten Arbeiten im Weingarten ist das Ausdünnen des Behanges, um den Rebstock zu entlasten, und die potentielle Qualität der Trauben zu verbessern. Mit den allerletzten kleinen Korrekturen beim spätreifen Cabernet habe ich diese Arbeit heute abgeschlossen.

Warum ausdünnen?

Wie hier bereits sehr ausführlich beschrieben dient das Ausdünnen der Trauben vor allem dazu, den deutlich gestiegenen Qualitätsansprüchen der Weinkonsumenten gerecht werden zu können, auch wenn der Jahrgang, die Rebsorte, das Alter der Reben und viele andere Faktoren eigentlich einen höheren Ertrag bei geringerer Qualität erbringen würden.

Ein niedrigerer Ertrag erhöht die Chancen darauf, inhaltsreichere Trauben zu einem früheren Zeitpunkt reif ernten zu können und trägt damit wesentlich dazu bei, daß die noch vor 20 Jahren extremen Qualitätsunterschiede zwischen den Jahrgängen deutlich kleiner geworden sind.

Ohne eine Korrektur des Traubenbehanges wären manche Sorten wie z.B. der Zweigelt nie in der Lage gute und sehr gute Qualitäten zu erbringen und bei vielen anderen Sorten würde es wohl 10 oder 20 Jahre dauern, bis das Wachstum und die Ertragskraft der Rebstöcke von allein auf ein für hohe Qualität verträgliches Ausmaß zurückgehen.

Natürlich ist bereits der Rebschnitt die erste Maßnahme zur Festlegung der späteren Erntemenge, bei vielen Sorten reicht er aber nicht aus. Reichtragende Sorten kann man gar nicht so kurz schneiden, daß sie später nicht zu viele Trauben erbringen. Schließlich bedeutet ein kurzer Rebschnitt ja nicht nur wenige Trauben, sondern auch weniger Triebe und Blätter, die für die Qualität enorm wichtig sind.

Außerdem ist es durchaus riskant, in Sachen Ertrag bereits beim Rebschnitt im Jänner oder Februar an die untere Schmerzgrenze zu gehen. Bis zur Lese kann da ja noch viel passieren: Windbruch, Hagel, Schädlinge, schlechtes Blütewetter und Trockenheit können zu deutlichen Ertragseinbußen führen, was bei einem zu strengen Schnitt einen unwirtschaftlich niedrigen Ertrag bedeuten würde.

Aus diesem Grund macht es in manchen Fällen nicht nur qualitativ, sondern auch wirtschaftlich Sinn, den endgültigen Ertrag des Weinstockes erst so spät wie möglich festzulegen, wenn sich die Risiken bis zur Ernte bereits in ziemlich engen Grenzen bewegen.

Wann ausdünnen?

Je später man Trauben wegschneidet, umso mehr Energie hat der Rebstock unnötigerweise schon in diese investiert. Trotzdem ist ein früher Termin nur für Junganlagen zu empfehlen, die man nicht (nur) wegen der Traubenqualität ausdünnt, sondern (auch) um die empfindlichen Reben bei sich abzeichnender Trockenheit rechtzeitig zu entlasten.

Werden dem Weinstock während der Phase des stärksten Traubenwachstums (also meist im Juni bis Mitte Juli) Trauben „weggenommen“, reagiert er darauf mit einem verstärkten Wachstum der verbliebenen Trauben. Das hebt nicht nur den ertragsreduzierenden Effekt weitgehend auf, sondern führt auch zu größeren Beeren mit einem (im Vergleich zu kleineren Beeren) schlechteren Verhältnis von Schale (samt Farbe, Aroma und Tannin) zu Saft.

Das Ausdünnen erfolgt daher erst knapp vor Reifebeginn und sollte bis zur Halbzeit der Umfärbung (bei den Rotweinsorten) abgeschlossen sein. Die weggeschnittenen Trauben sind in diesem Stadium zu nichts zu gebrauchen, weshalb manche Betriebe dazu übergegangen sind, ihre Weingärten nicht auszudünnen, sondern in Etappen zu lesen.

Dabei wird im ersten Durchgang nur ein Teil der Trauben bei relativ geringer Reife geerntet und zu Sektgrundwein oder einfachen Land- oder auch schon Qualitätsweinen verarbeitet. Wenn mit der Hauptlese der verbliebenen Trauben ausreichend lange gewartet werden kann (was stark vom Wetter abhängt), bewirkt auch die Vorlese einen „Ausdünnungseffekt“, von dem die Haupternte profitieren kann.

Erzwingt das Wetter aber eine frühe Hauptlese, ist der positive Einfluß der Vorlese auf die Qualität gering, weshalb diese Methode nicht ohne Risiko ist. Vor allem in warmen Jahren/Gebieten und bei den Rotweinsorten, bei denen im Interesse der Qualität keinerlei Botrytis toleriert werden kann, ist es meist nicht möglich, mit der Hauptlese lange genug zuzuwarten.

Wie ausdünnen?

Das Ausdünnen ist in manchen Weingärten wahrscheinlich nach dem Rebschnitt die zweitaufwändigste Tätigkeit und erfordert Genauigkeit, Geduld und eine gewisse Überwindung. Anders als bei der Lese (zumindest wenn bei dieser keine besondere Sortierung der Trauben notwendig ist) ist es beim Ausdünnen nämlich nicht egal, wie viele und welche Trauben abgeschnitten werden.

Die Anzahl der wegzuschneidenden (bzw. der hängenbleibenden) Trauben richtet sich nach der angestrebten Qualität, der Sorte und dem Zustand des einzelnen Rebstockes und sollte im ganzen Weingarten ein möglichst gleichmäßiges Niveau erreichen. Weggeschnitten werden vor allem Trauben, die im Schatten hängen, die sich nicht so schön entwickelt haben, die weiter oben am Trieb und/oder zu dicht hängen und solche, die in den Draht eingewachsen sind. Es bleiben daher nur noch gut entwickelte und leicht zugängliche Trauben zu ernten, was die Lese enorm beschleunigt.

In den meisten Fällen werden ganze Trauben entfernt und die Anzahl der verbleibenden Trauben per Faustregel fixiert, um auch noch nach tagelangem Ausdünnen eine gleichmäßige Arbeit zu erzielen. Diese Richtschnur gibt z.B. eine Traube pro gut entwickeltem Trieb vor, oder aber auch eine ganz bestimmte Traubenanzahl pro Stock.

Kennt man das Durchschnittsgewicht der Trauben dieser Sorte und die Anzahl der Reben pro Weingarten bzw. Hektar kann man bei dieser Art des Ausdünnens schon Wochen vor der Ernte den Ertrag relativ genau prognostizieren.

Noch arbeitsaufwändiger als das „normale“ Ausdünnen ist das sogenannte „Traubenteilen“. Dabei werden nicht ganze Trauben entfernt, sondern von allen Trauben der untere Teil. Das ist zwar relativ mühsam und läßt auch kaum Ertragsprognosen zu, hat aber auch seine Vorteile.

Das Traubenteilen führt nämlich zu weniger dichtbeerigen Trauben und reduziert damit die Gefahr, daß sich bei dichtbeerigen Sorten die einzelnen Beeren im Verlauf des Wachstums gegenseitig zerdrücken und aufplatzen. Bei Sorten wie Pinot noir und St. Laurent läßt sich auf diese Weise deren hohe Fäulinsanfälligkeit deutlich reduzieren.

Auch einige deutlich früher durchgeführte Ausdünnungsmethoden können das Botrytisrisiko verringern. Sie sind einfacher und vor allem weniger zeitaufwändig, haben aber den oben beschriebenen Nachteil des frühen Termines.

Beim sogenannten Abstreifen der Trauben werden diese bald nach der Blüte relativ grob durch die halb geschlossene Hand gestreift, was etliche der kleinen Beeren zum Abfallen bringt und damit für weniger Beeren und lockerere Trauben sorgt. Ein ähnliches Resultat läßt sich übrigens auch mit der Lesemaschine erreichen, wenn sie vor Reifebeginn zum Einsatz kommt. Mehr oder weniger Beeren werden abgeschlagen, was natürlich auch den Ertrag verringert, vom Ausmaß her aber schwer zu steuern ist.

Anders als im Obstbau ist der Einsatz von Pflanzenhormonen zum Ausdünnen des Behanges im Weinbau (noch) nicht zugelassen. Experimente zeigen, daß sich mit diesen Mitteln relativ gezielt die Befruchtung der Blüten stören läßt, was ebenfalls zu weniger Beeren und lockeren, fäulniswiderstansfähigeren Trauben führt. Auch wenn diese Methode relativ einfach und günstig wäre, haben aber die meisten Winzer doch Bedenken, auf diese Art in die Entwicklung der Rebe einzugreifen.

Liegt der Ertrag eines Weingartens kaum über dem gewünschten Ausmaß, wird oft erst sehr spät ausgedünnt. Wenn die allermeisten Trauben bereits verfärbt sind, läßt sich sehr einfach erkennen, welche Trauben einen Reiferückstand haben, weil z.B. einzelne Rebstöcke überlastet sind. Die sind nämlich im Unterschied zu den allermeisten Trauben noch überwiegend grün und können ganz gezielt weggeschnitten werden.

5 Gedanken zu „Der letzte Feinschliff“

  1. Hallo Bernhard,

    habt ihr mal „Trauben teilen“ und „abstreifen“ in ihrer Wirkung hinsichtlich Botrytis- und Essigfäuleprophylaxe (nicht Arbeitsaufwand) direkt miteinander verglichen? Sind die Methoden in etwa gleichwertig?

    Ich war auch der Meinung, dass durch das Traubenteilen ein deutlicher Qualitätsboost (Mostgewichtserhöhung) erfolgt, sodass ich keine zusätzliche Ausdünnung auf 1 Traube/Trieb vorgenommen habe, sondern beide (geteilte) Trauben belassen habe (Pinot Noir, kompakt). Dem war aber nicht so (Kompensation durch entsprechend grosse Beeren). Kannst Du das bestätigen?

    Viele Grüsse aus Südbaden
    Wilfried

  2. Hallo Wilfried!

    Irgendwie ist dein Kommentar bei mir in Vergessenheit geraten und es hat der Erinnerung bei taw bedurft, um dir zu antworten:

    Ich habe keinerlei Erfahrungen mit Traubenteilen und Abstreifen, aber wie mir Kollegen erst vor kurzem berichtet haben, soll das Traubenteilen beim St. Laurent (der dem Blauburgunder ja nicht unähnlich ist) gut funktionieren. Beim Zweigelt hat ein Kollege (warum auch immer) keine so guten Erfahrungen gemacht.

    Vor längerer Zeit wurde in der Zeitschrift „Der Winzer“ ein Vergleich der Maßnahmen publiziert, aber ich habe weder das Ergebnis noch den Artikel selbst parat.

    Ich denke, dass das Problem der Kompensation mehr mit dem Zeitpunkt der Ausdünnung als mit der Methode zu tun hat. Um ein kontraproduktives übermäßiges Wachstum der verbleibenden Beeren und Trauben zu vermeiden dünnen wir sehr spät, d.h. bei den Rotweinsorten ab dem Umfärbebeginn bis etwa Mitte Umfärbung aus.

    Das hat wahrscheinlich auch Nachteile (es soll z.B. beim Zweigelt angeblich die Traubenwelke fördern), aber die Kompensation hält sich sehr in Grenzen. Wobei natürlich die Witterung eine große Rolle spielt: Starker Niederschlag in dieser Phase fördert das Beerenwachstum massiv, egal ob ausgedünnt oder nicht.

    Grüße

    Bernhard

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