Das Jahr 1983 war nicht der erste von Hitze und früher Traubenreife geprägte Weinjahrgang im Burgenland. Weil es aber das erste dieser Art in der „moderneren“ Weinbaugeschichte unserer Region darstellt, ist es trotzdem etwas Besonderes.
Fast alle Weinbauern folgten damals noch den eingefahrenen Traditionen, ohne diese jemals zu hinterfragen. Üppige Weine waren in (oder zumindest noch nicht so unmodern wie ein paar Jahre später), und je süßer die Trauben bei der Ernte waren, umso besser.
Aus diesem Grund richteten sie ihre Weinlese auch nicht nach der Reifeentwicklung der Trauben, sondern ernteten in der Regel so spät wie möglich.
Mein Vater, der damals etwas jünger war, als ich heute, sah das anders. Obwohl er auf keine Erfahrungswerte mit frühen Ernten zurückgreifen konnte, erkannte er den ungewöhnlichen Reifeverlauf und die drohende Überreife mit zu hohen Alkohol- und zu niedrigen Säurewerten.
Lange vor allen anderen Kollegen im Ort begannen meine Eltern mit der Weinlese und wurden dementsprechend skeptisch beäugt. Am ersten Tag erntete auch noch ein zweiter Winzer Trauben für die Herstellung von Sturm (womit man bereits lange vor der Weinernte beginnen kann). Dann aber war unsere Lesemannschaft weit über eine Woche lang allein auf weiter Flur.
Als meine Mutter die Frage eines älteren Weinbauern, ob meine Eltern denn tatsächlich schon ernten würden bejahte, meinte dieser süffisant: „Wir lesen unsere Trauben wenn sie reif sind.“ Und weil der Mann mit seiner Einstellung nicht alleine war, begann die Hauptlese im Ort erst, als wir längst den Großteil unserer Trauben eingebracht hatten.
Die allermeisten Weißweine haben dementsprechend geschmeckt: Breit, säurearm und alkohollastig. Hätte es damals schon ähnlich viele qualitätsbewußte Weinkonsumenten gegeben wie heute, wären wohl ziemlich viele Weine unverkäuflich in den Kellern liegen geblieben.
Zum Glück für die allermeisten Weinbauern waren die Ansprüche Anfang der 1980er-Jahre aber noch um einiges niedriger, und so wurden auch diese Weine gekauft und getrunken. Dass die Weine meines Vaters wesentlich lebendiger und eleganter waren, wurde wohl bemerkt, aber weder von den Weinbauernkollegen noch von den meisten Kunden wirklich gewürdigt.
Was von unseren Weißweinen bleibt, ist deshalb vor allem die eigene Genugtuung meines Vaters, mit seiner mutigen Entscheidung zur frühen Lese Recht behalten zu haben.
Bei den Rotweinen hingegen war die Zeit noch nicht reif, um hervorragenden Voraussetzungen des Jahrgangs 1983 adäquat zu nutzen. Es haperte am Verständnis für das Produkt, am Know-How und an der Ertragsbegrenzung im Weingarten.
Bis zu den ersten vorsichtigen Ansätzen einer qualitativen und stilistischen Weiterentwicklung, wie sie 1983 bei den Weißweinen erkennbar wurden, dauerte es damals bei den Roten noch ein paar Jahre.
1 Gedanke zu „Denkwürdige Jahrgänge: 1983“