Kostbares Erbe

Welcher Wein mir besonders am Herzen liegt

Hin und wieder werde ich gefragt, welchen unserer Weine ich am liebsten mag. Darauf gibt es allerdings ebenso wenig eine Antwort, wie auf die Frage, welche meiner beiden Töchter mir lieber ist. Wir pflegen alle unsere Weine mit der gleichen Sorgfalt und trinken je nach Anlass und Stimmung auch alle von ihnen gerne. Trotzdem gibt es natürlich zu dem einen oder anderen eine besondere Beziehung.

Langjährige Freunde unserer Weine wissen vielleicht noch, dass ich gleich nach meiner Schulzeit den Cabernet Sauvignon in Eigenverantwortung keltern und dabei viel lernen durfte. Das prägt mein Verhältnis zu der Sorte bis heute, und doch gibt es einen Wein, der mir noch ein bisschen mehr am Herzen liegt.

Kostbares Erbe

Es war ein Glücksfall, dass die Großeltern in den 1970er-Jahren Weißburgunder-Reben in der Riede Wieser gepflanzt haben. Die Sorte war damals neu im Betrieb und schon die ganz jungen Stöcke erbrachten spannende Weine. Mitte der 1980er übernahmen dann meine Eltern den Weingarten und etablierten jenen eleganten, trocken ausgebauten Stil, dem wir bis heute treu sind. Zeichen dafür war die Umstellung der Etiketten auf die internationale Sortenbezeichnung Pinot blanc.

Schnell wurde klar, dass unser Wieser, ein sanfter Osthang zum Neusiedlersee mit sandigem Lehm auf Schiefer dem Weißburgunder ganz besondere Bedingungen bietet. Mehrmals wurde unser „Pinot“ in den österreichischen Weinsalon aufgenommen und der 1989er war lange Zeit ein betriebsinterner Meilenstein, an dem sich alle Weine messen lassen mussten.

Der Tiefgang alter Reben

Um das Erbe weiterzutragen, haben wir nach und nach weitere Parzellen mit Abkömmlingen des Weingartens in der Ried Wieser bepflanzt. Diese waren 2011 erstmals alt genug für unseren „klassischen“ Pinot blanc, was uns seither die Möglichkeit bietet, von den alten Reben einen eigenständigen Wein zu keltern. Alte Stöcke tragen weniger, dafür aber konzentriertere Trauben. Mit ihren tiefgehenden Wurzeln lösen sie Mineralien aus dem Boden, die für junge Pflanzen nicht erreichbar sind und geben ihren Trauben zu den Fruchtaromen auch noch sehr viel Tiefgang und Würze mit.

Um dem gerecht zu werden, bauen wir unseren Riedenwein anders aus, als den „klassischen“ Pinot blanc. Letzterer entwickelt im Stahltank seine Frucht und Eleganz, während der Wieser im Holzfass gären und reifen darf. Dort kann er auf der Hefe bis in den Sommer hinein seine Vielschichtigkeit an Aroma und Geschmack entwickeln. Traditionelle Fässer unterstützen diesen Reifeprozess mit einer geringen Menge an Luft, die durch die Poren des Holzes zum Wein gelangt. Anders als Barriques geben sie aber keinen Geschmack ab und bewahren dem Wein seine Persönlichkeit.

Faszinierende Geschmackswelten

Trotzdem weicht unser Pinot blanc Ried Wieser natürlich ein wenig vom üblichen Geschmacksbild ab. Wie das die Stärken alter Reben nahe legen, lebt er nicht von Frucht und Frische, sondern von Komplexität, Reife und Tiefgang. Für das unkomplizierte Glas nebenbei ist er damit kaum geeignet, um diese Qualitäten schätzen zu können, braucht es Zeit und Muße. Nimmt man sich beides – und sollten wir das in dieser schnelllebigen Zeit nicht ohnehin viel öfter tun – entführt unser Wieser in faszinierende Geschmackswelten.

Er erzählt spannende Geschichten ohne aufdringlich zu sein und ist damit auch der angenehmste Begleiter zu einem guten Essen, den man sich vorstellen kann.

Schreibe einen Kommentar

Time limit is exhausted. Please reload the CAPTCHA.