Nachdem sich der Rat der EU-Agrarminister gestern nach hitziger Debatte noch vertagt hatte, dürfte es heute doch noch eine Einigung in Sachen Weinmarktordnung gegeben haben. Das berichten zumindest diese beiden Quellen ohne allzu viele nähere Angaben zu machen. EDIT: Während ich diesen Bericht zu Ende geschrieben habe, hat der Drink-Tank hier zahlreiche Details veröffentlicht.
Weil sie schon seit längerer Zeit verhandelt wird und natürlich Auswirkungen auf den einzelnen Winzer hat, habe ich schon öfter über Weinmarktreform berichtet: Über deren grundsätzliche Ziele, die unterschiedlichen Interessen und Anschauungen der verschiedenen Weinbauländer und die Insider-Meinung des Vorgängers der jetzigen Agrar-Kommissarin Fischer-Boel.
Das größte Hindernis auf dem Weg zu einer Einigung war das von der Kommission geplante Verbot der Aufbesserung mit Zucker, um die Winzer in den nördlicheren Weinbauländern zur Verwendung von (vorwiegend italienischem) Traubensaftkonzentrat (RTK) zu diesem Zweck zu zwingen.
Die RTK-Lobby witterte dabei nämlich das große Geschäft und schaffte es erfolgreich, der Kommission die erzwungene RTK-Verwendung als Maßnahme zum Abbau von Wein(trauben)überschüssen zu verkaufen. Während das mit seinen nördlicheren Gebieten ebenfalls betroffene Frankreich bis zuletzt auffallend ruhig war, wehrten sich Deutschland und Österreich vehement gegen ein Verbot der Zuckerung zur Alkoholerhöhung.
In den Medien hatte das recht unterschiedliche Folgen:
In seinem Artikel „Seehofer verteidigt Zuckerwein“ warf der Spiegel dem deutschen Landwirtschaftsminister vor, sich mit seiner Ablehnung eines Zucker-Verbotes für Massenproduzenten einzusetzen, was der Winzerblogger Thomas Lippert prompt und zurecht als Blödsinn bezeichnet und ausführlich widerlegt.
Während der Spiegel also die Beibehaltung der Zucker-Aufbesserung (fälschlicherweise) als Qualitätshindernis beim Wein sieht, betrachtet die österreichische Kronenzeitung die Abschaffung derselben als Anschlag auf die Weinqualität:
„Hände Weg von unserem Wein“ titelte sie gestern auf Seite eins, und darunter hieß es sinngemäß, dass es die Qualität der heimischen Weine verwässern würde, wenn die EU die Winzer durch ein Zucker-Verbot zur Verwendung von Traubensaftkonzentrat aus italienischen Überschußtrauben zwingen würde.
Selbst dem realistische Aufbesserungsbefürworter scheint diese Argumentation einigermaßen gewagt. Beschuldigt die Krone doch tatsächlich jemanden, die Weinqualität zu verwässern, weil er die Zugabe von Rübenzucker verbieten möchte. Wäre dieser jemand nicht die Europäische Union, hätte man wohl andere Worte gefunden (oder die Sache gar nicht aufs Titelblatt gebracht)…
Während viele Winzerkollegen gerne ein Geheimnis daraus machen, habe ich immer wieder (z.B. hier im Mittelteil) erklärt, dass ich die Erhöhung des natürlichen Zucker- bzw. in Folge Alkoholgehaltes beim Rotwein in vielen Jahren für notwendig halte.
Aus Gründen, die ebenfalls hier im Mittelteil zu finden sind, ist für mich die Aufbesserung mit Zucker weniger problematisch als das Entziehen von Wasser durch technische Mostkonzentration. Auch die Verwendung von rektifiziertem Traubensaftkonzentrat bietet außer „moralischer“ Vorteile („weniger fremd, da ein Produkt aus Trauben“), keinen qualitativen Zusatznutzen im Vergleich zu Rübenzucker, ist jedoch wesentlich problematischer in der Anwendung, wie hier im Mittelteil schon einmal dargestellt.
Ich persönlich halte die Aufbesserung mit Zucker also unter bestimmten Bedingungen für notwendig und qualitativ sinnvoll und bin daher froh, dass die ursprünglichen Verbotspläne nun offenbar doch nicht umgesetzt werden. Anders als für manche Funktionäre und die Kronenzeitung hätte aber für mich auch ein Verbot (bei weiterer Zulassung von RTK) nicht den Weltuntergang bedeutet (sondern „nur“ eine Verteuerung und Umstellung der Rotweinherstellung).
Deine Anmerkungen zum Thema Zucker sind absolut richtig. Ich erinnere mich an meine Lehrzeit, damals wurde der Zucker versteckt damit ihn ja kein Kunde zu sehen bekommt.
Die Laster der großen Zuckerfabriken beliefern wohl auch heute noch die großen Betriebe mit LKWs deren Firmenaufschrift dezent überklebt wurde 🙂
Ich halte es wie du, Transparenz ist angesagt, Anreicherung im Sinne der geschmacklichen Verbesserung muß kommuniziert werden, Geheimniskrämerei schadet mehr als das es dient.
Die Winzer die eine Anreicherung durchführen um auf 75 ° Oe zu kommen verkaufen ihre Weine dort wo sie hingehören, im Discounter oder können kaum vom Verkauf ihrer Weine leben.