EU-Weinmarktordnung in den Medien

Wie an der Öffentlichkeitsarbeit des österreichischen und des deutschen Weinbauverbandes zu erkennen ist, gehen die Verhandlungen über die neue EU-Weinmarktordnung jetzt die heiße Phase. Aus gegebenem Anlaß möchte ich auf zwei ältere Texte von mir hinweisen, die dem interessierten Laien die Materie (wie ich hoffe) vielleicht etwas verständlicher machen können:

In diesem Blog-Beitrag vom 17. Februar 2007 habe ich bereits einmal versucht, die geplanten und strittigen Komissionsvorschläge zur Weinmarkt-Reform zu erklären.

Und der folgende leicht adaptierte Beitrag von mir im Wein-plus-Forum vom 21. Mai 2007 (hier die Originalversion) beschäftigt sich mit den Motiven und Verhandlungsstrategien, die das Verhandlungsergebnis schließlich prägen werden.

Sinn und Unsinn von EU-Fördermaßnahmen für den Weinbau

Wie nicht zuletzt die Kritik und das Unverständnis vieler am Thema durchaus interessierter zeigt, muß man die Förderstruktur der EU für den Weinbau hinterfragen. Oder eigentlich müßte man sie völlig abschaffen (zumindest was den Weinbau betrifft, in den anderen Landwirtschaftsbereichen kenne ich mich nicht gut genug aus, um das so radikal zu fordern).

Das Hauptproblem der Förderungen liegt allerdings nicht in den Detailfragen. Da gibt es zwar jede Menge Unfug, aber auch vieles, das bei genügend Insiderwissen einen durchaus nachvollziehbaren Gedankengang der Erfinder erkennen läßt.

Das Hauptproblem ist die Tatsache, daß in vielen Politikerköpfen und in noch mehr Winzerköpfen die Meinung vorherrscht, die (Förder-)politik könnte tatsächlich auf Dauer die Regeln des Marktes außer Kraft setzen (und damit auch noch tatsächlich etwas „Gutes“ bewirken). Wobei ich glaube, daß viele Agrarpolitiker durchaus wissen, daß sie das nicht kann, besonders vor Wahlen aber dennoch so tun als ob.

Und ich denke auch, daß viele Winzer tief in ihrem Inneren auch wissen, daß das nicht funktioniert. Sich aber das schöne Märchen immer wieder gerne erzählen lassen, um nach dem bösen Erwachen umso abfälliger über die Politiker zu sprechen.

Letztlich bleibt den Winzern gar nichts anderes über, als die angebotenen Förderungen auch zu lukrieren. Nachdem sie EU-weit gelten, wäre eine Nichtausnützung eine Verschlechterung der eigenen Wettbewerbssituation, die sich heutzutage kein Winzer so leicht leisten kann.

Bei allen EU-Maßnahmen kommt natürlich verschärfend der Zwang zum Kompromiß dazu, der gemeinsam mit der Mentalität „Wir müssen aus Brüssel so viel Geld wie möglich wieder in unser Land zurückholen“ zu recht abenteuerlichen Auswirkungen führen kann.

Unter diesen Aspekten muß man die sich manchmal (scheinbar) widersprechenden Maßnahmen etwas sortieren, da sie selten ein und den gleichen Winzer betreffen:

Förderungen für die Pflanzung und für die Rodung von Weingärten

Die Förderungen für die Pflanzung von neuen Weingärten nach bestimmten, qualitätsfördernden Richtlinien ist eine Errungenschaft der noch geltenden Weinmarktordnung. Als diese vor einigen Jahren beschlossen wurde, gelang es erstmals, zumindest einen kleinen Teil der Fördergelder weg von der reinen Überschußbekämpfung (Rodung, Destillation) und hin zu einer Hilfeleistung für jene Winzer, die sich besser an die Anforderungen des Marktes anpassen wollen zu dirigieren.

In länderweise unterschiedlich organisierten Programmen gibt es seit einigen Jahren Fördergelder für bessere Erziehungssyteme (mechanisierbar, um die Produktionskosten zu senken und/oder besonders qualitätsorientiert), Neuauspflanzungen mit besseren, besser vermarktbaren Rebsorten, Bewässerungsmaßnahmen, Errichtung oder Rekultivierung von Terrassenanlagen,…

Die Idee dahinter ist die, daß diese Weingärten eher Weine liefern werden, die auch tatsächlich auf dem Weltmarkt verkäuflich sind und daher nicht mehr als Überschüsse für teures Geld vernichtet werden müssen.

In Österreich ist dieses Programm sehr locker und unbürokratisch organisiert. So gibt es z.B. keine Vorschriften, welche Sorten gefördert werden, was natürlich dazu geführt hat, daß auch in weniger geeigneten Lagen Rotwein mit Förderung angepflanzt wurde. Dafür der EU die Schuld zu geben ist aber ziemlich vermessen.

Den weitaus größeren Anteil der Kosten trägt der Winzer selbst, und wenn der nicht weiß, was er wohin pflanzen soll, kann die EU nichts dafür. Und wenn es Winzer gegeben haben sollte, die nur wegen der Förderung überhaupt gepflanzt haben, dann darf man bei denen wohl ein gewisses Manko an betriebswirtschaftlicher Eigenverantwortung vermuten.

Leider kann man (ohne annähernd vertretbaren Bürokratieaufwand) vor der Förderungsgenehmigung nicht prüfen, ob ein Winzer auch genug Ahnung hat. Und man darf wohl annehmen, daß er vernünftig handelt, wenn er selbst jede Menge Geld in die Hand nimmt.

Eine Sorteneinschränkung seitens der EU bzw. der zuständigen heimischen Stellen wurde zwar diskutiert, aber nicht umgesetzt. Sie wäre auch ziemlich schwierig zu argumentieren gewesen. Warum z.B. sollte man einen Winzer, der sich in einem Rotweingebiet in der Weißwein-Nische profilieren möchte bei dieser durchaus erfolgversprechenden Strategie nicht unterstützen?

Und warum sollte es kein Geld für einen neuen Müller-Thurgau-Weingarten geben, wenn der Winzer mit Junker jede Menge Kohle macht und der Weingarten einen leicht vermarktbaren Wein erbringt? Und, und, und…

Winzer, die Geld für die Auspflanzung von leistungsfähig(er)en Weingärten erhalten haben, bekommen kein Geld aus dem Fördertopf, der für Rodungen Geld ausschüttet, um den Überschuß zu reduzieren. In Österreich gibt es überhaupt in vielen Gemeinden kein Geld für Rodungen, weil die Weinbauvereine/Kammern in vielen Orten gar keine Lagen dafür definiert/nominiert haben. Die geförderte Rodung in Österreich ist nämlich an bestimmte (schlechte) Lagen gebunden.

Und: Es gibt auch kein Geld für die Rodung von relativ alten Weingärten, die ohnehin schon rodungsreif sind. Sondern nur für jüngere, die mit ihren Erträgen auch tatsächlich etwas zum Überschuß beitragen.

Das Destillieren (sprich: Vernichten) von Wein

So wie die Förderung von Weingartenrodungen steht auch die Überschußvernichtung durch die Destillation von Wein zu Industriealkohol im (scheinbaren?) Widerspruch zu oben beschriebener Förderung von Neuauspflanzungen. Während sich Österreich nie an dieser Maßnahme beteiligt hat, spielt sie in den großen Weinbauländern der EU, also in Frankreich, Spanien und Italien eine nicht zu unterschätzende Rolle.

Es mag sein, daß vereinzelt auch Weine aus geförderten Weingärten destilleirt werden, normalerweise sollten aber die geförderten Weingärten so gute Weine liefern (bzw. eine so kostengünstige Produktion ermöglichen) das sie durchaus als Wein markttauglich sind.

Das diese entgegengesetzten Maßnahmen überhaupt nebeneinander existieren (und, wenn man sich die Diskussion um die nächste Weinmarktordnung ansieht wohl auch weiter nebeneinander bestehen werden) hat seinen Grund in den unterschiedlichen Interessen der EU-Weinbauländer.

Jene Länder mit großen Absatzproblemen und jeder Menge unverkäuflichen Weinen wollen an den „defensiven“ Maßnahmen
festhalten (sprich: die EU kauft den Winzern den Wein ab und verwertet ihn, oder sie zahlt den Winzer Geld dafür, daß sie ihren
Beruf aufgeben).

Und jene Länder, die sich halbwegs gut verkaufen sehen nicht ein, daß die anderen alle Fördergelder lukrieren, obwohl sie ihre Hausaufgaben nicht machen und forcieren „offensive“ Maßnahmen, von denen ihre Winzer auch etwas haben (also z.B. Förderungen für Verbesserungen im Weingarten, um (noch) markttauglicher zu werden).

Am Ende gibt es dann halt beides. Und wenn die Kontrollinstanzen nicht so gut funktionieren wie in Österreich kann es im Extremfall dazu kommen, daß ein Weinbauer seinen Weingarten zu einem Drittel von der EU finanziert bekommt und ihm der dort produzierten Wein auch noch (allerdings zu einem sehr niedrigen Preis) von der EU (zur Destillation) abgenommen wird.

Kritiker der Destillation führen übrigens immer wieder ins Treffen, daß diese Maßnahme die Überschüsse eher erhöht, als verringert. Wenn man als Winzer in Mittel- und Süditalien, in Südfrankreich oder Spanien von dem wenigen Geld leben will/muß, das die EU für den zu destillierenden Wein bezahlt, ist man ja geradezu gezwungen, die Erträge so hoch wie nur irgend möglich zu steigern…

Förderungen für die Errichtung von Kellereien und Vermarktungseinrichtungen

Die Förderung von Kellereibauten und Vermarktungseinrichtungen stammt aus einem anderen EU-Topf und ist durchaus vergleichbar mit ähnlichen Fördersystemen in anderen Wirtschaftsbereichen. Nachdem es hier meist um deutlich mehr Geld geht, als bei Weingartenneuauspflanzungen werden bei solchen Projekten nicht nur Businesspläne, Kostenvoranschläge und Rechnungen eingefordert und kontrolliert (zumindest in Österreich), sondern auch eine entsprechende Weiterbildung der Betriebsführer (Betriebswirtschafts- und Marketingkurse).

Der Ansatz ist der gleiche wie bei den Weingärten: Die EU hält es für billiger, den Winzern, die viel eigenes Geld investieren wollen etwas beizusteuern, damit diese ihre Weine besser verkaufen können, als für noch mehr Geld Überschüsse zu vernichten. Deswegen sind bei Vermarktungseinrichtugen (und noch mehr bei Gemeinschaftsprojekten von mehreren Winzern) die Fördersätze in der Regel höher.

Förderungen für umweltschonende Bewirtschaftung
Wie die Förderungen für Betriebsinvestitionen haben auch die Förderungen für die umweltschonende (dafür aber manchmal aufwändigere und/oder ertragsschwächere) Bewirtschaftung mit der Weinmarktordnung nichts zu tun. Mehr darüber habe ich hier schon einmal geschrieben.

2 Gedanken zu „EU-Weinmarktordnung in den Medien“

Schreibe einen Kommentar

Time limit is exhausted. Please reload the CAPTCHA.