Seit zwei, drei Jahren ist die durchaus wechselhafte jüngere heimische Rotweingeschichte um eine Facette reicher. Nach den unreif-holzüberladenen Blaufränkischen der 1980er, den tanninüberladenen Cabernets der 1990er und den weichgespülten, aber auf höherem Niveau oft immer noch holzüberladenen Cuvées der 2000er-Jahre findet man heutzutage immer öfter eine neue Stilrichtung der Sorte Blaufränkisch auf den Siegertreppchen der einschlägigen Publikationen.
Wie in dieser Blaufränkisch-Chronologie bereits angedeutet, handelt es sich dabei um Weine, die von ihren Produzenten sehr bewußt als avantgardistische Gegenbewegung zum Mainstream in Szene gesetzt, und von den Meinungsmachern der Branche offenbar gerne angenommen werden.
Um dem neuen, gerne „mineralisch“ genannten Geschmacksbild zu entsprechen, streben die Trendsetter unter den Winzern bei ihren Blaufränkischen vergleichsweise moderate Alkoholgehalte, mitunter auffallend hohe Säurewerte und kaum wahrnehmbare Eichenholzaromen an.
Natürlich ist mir diese Entwicklung nicht verborgen geblieben, aber erst vor einigen Tagen hatte ich zum ersten Mal die Gelegenheit, mehrere dieser preisgekrönten Weine im Vergleich zu anderen prämierten heimischen Rotweinen des Jahrgangs 2007 zu verkosten. Meine Bilanz fiel, um es gleich vorweg zu sagen, einigermaßen ernüchternd aus.
Dabei stehe ich – um Kritik aus dieser Richtung gleich den Wind aus den Segeln zu nehmen – dieser Interpretation des Blaufränkisch grundsätzlich durchaus positiv gegenüber. Ich bin gerne bereit mich damit auseinanderzusetzen und lehne sie, im Unterschied zu manchen Kollegen, nicht aus ideologischen Gründen pauschal (und mit zum Teil äußerst polemischen Formulierungen) ab.
Auch wenn es einem die neuen Blaufränkischen nicht leicht machen, habe ich nach bestem Wissen und Gewissen versucht, Feinheit und Eleganz nicht mit einem Mangel an Konzentration zu verwechseln, eine lebendige Struktur nicht mit dem für unreife Trauben typischen Säuregehalt, und ein subtiles Spiel der Aromen nicht mit einem Mangel an Ausdrucksstärke.
Nicht immer bin ich an diesem Unterfangen gescheitert, und umso mehr war ich über die durchwegs hohen Medienbewertungen jener Weine verblüfft, die für mich doch recht eindeutig auf jeweils letzteres schließen ließen.
Aber auch die wenigen für mich gut gelungenen Exemplare der neuen Welle ließen mich einigermaßen ratlos zurück. Ist es wirklich nicht möglich, herkunftsgeprägte, eigenständige Blaufränkische zu keltern, die nicht äußerst gewöhnungsbedürftig riechen und/oder mit ihrem Säuregehalt vielen Weißweinen den Rang ablaufen?
Warum darf ein „echter“ Blaufränkisch keine hohe Säure haben? Auch der wahrscheinlich noch säurebetontere Sangiovese wurde erst – meist erfolglos – „mainstreamisiert“ um ihn danach neu zu entdecken. Die Begriffe „avantgardistisch“ und „in Szene gesetzt“ würde ich in diesem Zusammenhang meiden, haben doch die Blaufränker „neuer“ Generation weit weniger Interventionen hinter sich. Ein sehr gelungenes Beispiel eines nachgerade minimalistisch-puristischen Blaufränkischen habe ich bei Deinem Fast-Nachbarn Hannes Schuster mit seinen M. Jagini Weinen entdeckt.
Ob einem persönlich dann ein Power-Blaufränkisch oder einer der eleganten Vertreter (oder irgendwas dazwischen) besser gefällt ist eine ganz andere Geschichte. In einer Querverkostung haben es letztere naturgemäß schwer. Die btw als relativ junger Wein unbedingt dekantiert werden müssen, um den anfänglichen Stinker in feine Fruchtaromen auszutauschen.
Ich bin da großteils auf der Seite von Bernhard, auch ich hatte vor kurzem einige AHA-Momente bei einer gedeckten Verkostung der von der Fachpresse hochprämierten Blaufränkischen aus dem Jahrgang 2007. Grundsätzlich kann ja jeder Winzer selbst entscheiden war er will, zum Teil kommt es mir aber so vor als würden man von einem Extrem ins Andere fallen. Und das nicht nur beim Blaufränker … sondern auch bei vielen anderen Aspekten im Weinbau. Stellt sich nur die Frage wie lange dieser Trend anhält.