Die Wochen vor der Weinlese sind von Vorfreude und Anspannung gleichermaßen geprägt. Freude darüber, das Resultat unserer Arbeit seit dem Rebschnitt im Jänner endlich nach Hause holen zu können. Und Nervosität, ob die Entscheidung, mit der Ernte zu beginnen richtig ist und ob Ausrüstung und Wetter halten, bis alle Trauben geerntet sind.
Natürlich bin ich immer gespannt darauf, wie der Jahrgang dann wirklich ausfällt und ob die Weine den Erwartungen entsprechen. Heuer ist meine Neugier aber noch ein bisschen größer, denn 2023 hat uns ein paar recht interessante Wendungen beschert. Nach einem kalten Frühjahr sind die Reben ungewöhnlich spät (zumindest für die letzten 20 Jahre) in die Vegetationsperiode gestartet, und trotz einiger Hitzeperioden war der Sommer insgesamt nicht extrem heiß und vor allem von ausreichend Niederschlag gekennzeichnet.
Letzterer hat für ein schönes Wachstum von Trieben und Trauben ohne Trockenstress gesorgt, uns aber auch eine massive Peronospora-Infektion zur Blütezeit beschert. Die damalige Behandlung gegen diesen echten Mehltau kam in manchen Weingärten zu spät und konnte dort deutliche Ertragsverluste nicht verhindern.
Nicht förderlich für die Erntemenge ist auch der teilweise bescheidene Traubenansatz. Die Anzahl der Trauben wird in den Knospen nämlich bereits im Vorjahr angelegt und im Trockenjahr 2022 wollten sich die Reben wohl nicht zu viel für heuer aufbürden. Darüber hinaus dürfte bei der Sorte Zweigelt die Traubenwelke wieder verstärkt auftreten, die uns z.B. im ebenfalls gut wasserversorgten Jahr 2008 in manchen Weingärten rund 30% der Trauben gekostet hat.
Dank der überdurchschnittlichen Temperaturen Ende August und jetzt im September ist die Lese nun doch ein wenig früher als gedacht. Ein typisches Hitzejahr ist 2023 aber trotzdem nicht, denn jetzt während der der Endreife sind die Nächte für unsere Verhältnisse am Neusiedlersee schon vergleichsweise kühl. Qualitativ ist also alles drin, mit ein bisschen Glück vielleicht sogar die ideale Kombination von hoher Traubenreife mit schönen Fruchtaromen und überdurchschnittlichen Säurewerten. Vielleicht vergleichbar mit z.B. 1993 oder 2013 und dazu würde ich auf gar keinen Fall nein sagen.
Wie immer es schließlich auch kommt, die nächsten Wochen sind die anstrengendsten des ganzen Weinjahres, in denen man mitunter an die Grenzen der physischen und psychischen Belastbarkeit gerät. Trotzdem ist heute für mich ein Tag der Freude:
Morgen beginnen wir mit der Weinlese 2023!