Langer Atem

Foto: Leithaberg/steve.haider.com

Wie sich ein Wein nach dem Öffnen der Flasche entwickelt und wie lange er Trinkvergnügen bietet, ist eines der vielen Mysterien rund um den Rebensaft. Obwohl die wichtigsten Einflußfaktoren bekannt sind (SO2-Spiegel, Weinstil und -ausbau, etc.) läßt sich kaum vorhersagen, ob man einen Wein spätestens am nächsten Tag austrinken sollte, oder ob er auch nach einer Woche und mehr noch Freude macht.

Gestern hatte ich einen Besucher in unserem Verkostungsraum, der am weißen Leithaberg 2011 interessiert war. Wenn es keine Umstände mache und ich eine Flasche offen hätte, würde er ihn gerne probieren, sagte er. Und da ich im Kühlschrank tatsächlich ein geöffnetes Fläschchen fand, schenkte ich uns ein.

Der Wein präsentierte genauso, wie er sollte. Naturgemäß recht zugänglich, dabei aber auch noch ziemlich frisch und sehr lebendig. Blind hätte ich wohl auf zwei, drei Tage getippt, aber ein Blick aufs Etikett belehrte mich eines Besseren: Als Öffnungsdatum war dort nämlich der 7. September (!) vermerkt.

Damit hätte ich beim Elch-Wein-Test des Kollegen Würtz wohl auch nicht so schlecht abgeschnitten…

3 Gedanken zu „Langer Atem“

  1. Hallo Bernhard,

    wenn der Wein am 7.9. geöffnet wurde, ein paar Gläser entnommen und danach bis jetzt wieder gut verschlossen im Kühlschrank war, dann kann ich mir schon vorstellen, dass er noch recht jung wirkt. Denn sobald der Sauerstoff einmal verbraucht ist, kann die Oxidation ja nicht mehr weitergehen. Und wenn ich richtig informiert bin, dichtet ein bereits geöffneter und wieder gut verschlossener Schraubverschluss ja weiterhin gut ab, oder?

    Grüße,
    Gerald

  2. Hallo Gerald,

    das ist natürlich richtig und deshalb macht es auch einen großen Unterschied, ob die Flasche dreiviertel- oder nur noch viertelvoll ist.

    Ganz schlimm ist es übrigens bei Präsentationen, wo mit jedem neuen Einschenken eines der unzähligen Probeschlucke die sich aus einer Flasche ausgehen neue Luft in die Flasche blubbert. Da sind selbst robuste Weine manchmal am nächsten Tag K.O.

    Dem Weißwein hilft natürlich auch die geringere Temperatur im Kühlschrank, während die Reaktionen in offenen Roten bei (mehr oder weniger) Zimmertemperatur deutlich schneller ablaufen.

    Trotzdem sind gute elf Wochen zumindest meiner Meinung nach eine bemerkenswert lange Zeitspanne, die von einem in sich sehr stabilen Wein zeugt. Ich freue mich schon darauf, den Wein in ein paar Jahren zu trinken…

    Herzliche Grüße

    Bernhard

  3. Hallo Bernhard!

    Ich finde es hochinteressant wie sich Weine geöffnet über die Tage und Wochen entwickeln – persönliche Erfahrungen damit, lehren dann einfach nicht auf irgendwelche Weinpeter, äh, päpste zu hören was das „Potential“ und die Trinkreife betrifft.
    Es gab einmal einen sehr feinen Rotwein, um teures Geld, aus Österreich, reich gesegnet an Punkten nahe der Hundert, vom vergangenen englischen Adel verteilt, der sich aber (halbvoll) nach 2 Tagen in die oxidativen Jagdgründe verabschiedet hatte. Ein Pöbel aus la belle france verbrachte viertelvoll eineinhalb Wochen bei kühlen vier Grad in der Isolation und blühte dann aber erst endgültig auf.

    Was lehrt uns das? Schnell trinken 😉
    Oder dass man doch nicht immer so geschwollen die Zukunft eines Weines in einer Hochglanzkristallkugel hellsehen sollte!
    Liebe Grüße ins Burgenland,
    Wendelin

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