Obwohl die gesetzliche Begrenzung der Erntemenge für Land- und Qualitätswein bei ihrer Einführung vor vielen Jahren nicht unumstritten war, haben sie die allermeisten Akteure der österreichischen Weinwirtschaft irgendwann akzeptiert und mit ihr leben gelernt. Vielleicht auch deshalb, weil die in allen Bereichen negativen Auswirkungen der Massenernten der frühen 1980er-Jahre noch in den Köpfen präsent waren.
In letzter Zeit mehren sich allerdings wieder jene Stimmen, die ein Überdenken der aktuellen Regelung fordern. In Jahren mit großer Erntemenge, weil gute Qualitäten zu (Tafel-)Wein abgewertet müssen und nicht als Qualitätswein vermarktet werden dürfen. Und in kleinen Jahren, weil der Wein fehlt und man durch Ertragsreduktion vergebenen Überschussmengen der Ernte davor nachtrauert.
Für Insider sind die diesbezüglichen Äußerungen des renommierten Wachauer Winzer Emmerich Knoll in der aktuellen Print-Ausgabe der Zeitschrift Vinaria also nicht wirklich neu. Auffallend ist allerdings, dass sie derart öffentlich und offensiv gemacht werden, denn schließlich ist das Thema ziemlich heikel.
Masse statt Klasse
Redet man höheren Erträgen das Wort, landet man als Winzer schnell in der Schublade „Massenproduzent“. Lernt man doch auf dem Weg vom Gelegenheitstrinker zum ambitionierten Weinfreund schon ganz am Anfang, dass Menge und Güte einander ausschließen.
Theoretisch ist es ja auch ziemlich simpel: Wenn ein Weinstock seine Energie – in den Blättern produzierter Zucker sowie Wasser und Nährstoffe, die die Wurzeln aus dem Boden aufnehmen – auf mehr Trauben verteilt, erhält jede einzelne von ihnen weniger davon. Die Trauben reifen später, enthalten weniger Zucker, weniger Aroma, weniger Farbe, weniger Tannin.
Die Praxis allerdings ist selten so eindeutig, sondern meistens etwas komplizierter. So gibt es zum Beispiel hin und wieder Jahrgänge, die uns Weinbauern hohe Qualität und überdurchschnittliche Mengen bescheren. Und Ernten, die wenig und trotzdem nur bescheidenen Wein ergeben.
Sind Rebkrankheiten, eine geringe Pflanzdichte (z.B. bei alten Weingärten mit vielen Fehlstellen) oder Trockenstress die Ursache niedriger Hektarerträge, ist nicht mit einer guten Qualität zu rechnen. Pflegt der Winzer seine Stöcke hingegen mit Liebe und Sorgfalt, sind Boden und Pflanzen gesund und die Reben nicht zu weit voneinander entfernt, nimmt die Qualität wegen ein paar Trauben mehr nicht gleich ab.
Weißwein verzeiht höhere Erträge eher als Rotwein, und generell spielen auch die eigenen stilistischen Vorlieben eine große Rolle, ob man höhere Erträge als qualitätsmindernd wahrnimmt. Hängt man einem voluminös-üppige Weinideal an, wird man auch den kleinsten Verlust an Kraft und Dichte durch höhere Erträge bedauern. Mag man es hingegen lieber elegant und feingliedrig, kann man eine größere Erntemenge sogar als positiv empfinden (wenn die Aroma- und Geschmacksreife der Trauben nicht daran gescheitert ist).
Nicht wenige Winzer und Weininteressierte sehen höhere Erträge sogar als probates Mittel gegen die klimawandelbedingte Reifeverfrühung und gegen (zu) hohe Alkoholwerte im Wein. Der stärkere Behang könnte die Reife wieder nach hinten in den kühleren Herbst verschieben, wo man zuerst einen Teil der Trauben für „normale“ Qualitäten und später aus dem gleichen Weingarten auch noch Spitzenweine ernten könnte.
Klasse und Masse?
Auch wenn man die Forderung nach einer Erhöhung der gesetzlichen Höchsterträge deshalb durchaus nachvollziehen kann, ist trotzdem Vorsicht angebracht. Allen geschilderten Ausnahmen zum Trotz gilt nämlich in der Mehrzahl der Fälle (und wenn man eine gewisse Ertragsschwelle überschreitet immer) das Prinzip von Menge und Güte. Und da eine Aufweichung der Höchsterträge nicht auf seriöse Qualitätsproduzenten zu beschränken wäre, würde sie insgesamt wohl zu einer Verringerung der Durchschnittsqualität führen.
Dazu kommt noch, dass höhere Ertragsmöglichkeiten auch stärkere Jahrgangsschwankungen in Menge und Qualität mit sich bringen. Und Weinüberschüsse, deren Folgen (Preisverfall am Trauben- und Faßweinmarkt, österreichische Qualitätsweine zu Dumpingpreisen, „kreative“ Vermarktungsideen,…) niemandem in der heimischen Weinwirtschaft nützen.
Angesichts der im oberen heimischen Qualitätsniveau durchaus kostendeckenden Preise besteht außerdem die Gefahr mit der Forderung nach höheren Erträgen auf wenig Verständnis bei den Konsumenten zu stoßen und den Bogen zu überspannen. Der Spagat zwischen der Vermarktung als Terroirprodukt mit hohem Qualitätsimage und entsprechendem Preis, der mancherort praktizierten künstlichen Bewässerung und der Forderung nach höheren Erträgen könnte irgendwann zu groß werden…
Besser wäre es wohl (gewesen) eine Schwächung des Begriffes „Qualitätswein“ zu vermeiden und trotzdem höhere Erträge zuzulassen indem man den Intentionen der EU-Weinmarktordnung 2008/2009 (ge)folgt (wäre). Mit der Zulassung von Sorten- und Jahrgangsangaben auf (Tafel-)Wein ohne nähere Herkunftsbezeichnung schafft sie ein Marktfenster für solide, typische Weine aus höheren Erträgen. Bei der nationalen Umsetzung hat die heimische Weinbaupolitik jedoch juristisch geschickt auch hier de facto die allgemein gültige Ertragsgrenze eingezogen. (Mehr dazu hier.)
Bürokratie en masse
Die in Österreich derzeit gültige Höchstertragsregelung sieht eine maximale Erntemenge von 9000 kg Trauben bzw. 6750 l Wein pro Hektar vor und gilt für alle Prädikatsweinstufen, für den Kabinett, für Qualitätswein, Landwein und wie eben erwähnt auch für (Tafel-)Wein mit Rebsortenbezeichnung.
Dabei wird allerdings nicht Weingarten für Weingarten abgerechnet, sondern pauschal der gesamte Betrieb inklusive nicht ertragsfähiger Junganlagen. Ein Betrieb mit 10 Hektar Rebfläche darf also bei der derzeit anstehenden Erntemeldung höchstens 67500 Liter der oben genannten Qualitätskategorien im Keller haben, sonst wird die gesamte Ernte zu (Tafe-)Wein ohne Sortenbezeichnung deklassiert.
Diese Berechnungsweise weicht den im internationalen Vergleich relativ niedrigen Höchstertrag ein wenig auf, da es in vielen Betrieben Weingärten gibt, die weniger Menge bringen und man dafür andernorts mehr als 6750l/ha ernten kann. Gerecht ist das aber natürlich nicht, denn Betriebe, die Junganlagen haben, und die auch Spitzenweine aus niedrigen Erträgen produzieren können auf diese Weise für ihre preisgünstigen Weine die Erträge deutlich höher schrauben, als solche, die nur ertragsfähige Flächen haben und ausschließlich einfachere Qualitäten produzieren.
Alle anderen Modelle zur Ertragsbeschränkung bedeuten freilich einen wesentlich höheren Verwaltungsaufwand für den Weinbauern wie auch für die Behörden. Gebiets- und/oder jahrgangsweise unterschiedliche Höchstmengen muß man (vor allem in Betrieben, die Weine aus mehreren Regionen vermarkten) erst einmal nachvollziehen, um sie zu kontrollieren.
Übermengen, die man zwei, drei Jahre später bei kleineren Ernten doch noch als Qualitätswein auf den Markt bringen darf, machen die Sache auch nicht einfacher (und sind vor allem bei rasch alternden Weißweinen auch nicht unbedingt ein Qualitätsgewinn). Von einer parzellengenauen Mengenbestimmung und -kontrolle vielleicht auch noch nach Pflanzdichte und Rebsorte gestaffelt ganz abgesehen…
Nicht zuletzt deshalb halte ich die derzeitige Regelung und ihre Höhe für einen brauchbaren Kompromiss, mit dem es sich als Winzer ohne großen Aufwand und halbwegs flexibel auf einem wirtschaftlich akzeptablen Niveau arbeiten läßt, und der gleichzeitig Weinüberschüssen und deren negativen Folgen für die Qualität und das Image des österreichischen Qualitätsweines ausreichend entgegenwirkt.
1 Gedanke zu „Rauf mit den Erträgen?“