Ab 1. August 2009 tritt die zweite – bezeichnungsrechtliche – Etappe der neuen EU-Weinmarktordnung in Kraft. Worum es dabei geht, kann man Teil 1 bzw. den dort verlinkten früheren Artikeln entnehmen.
Wie in Teil 2 beschrieben, wird die neu geschaffene Möglichkeit, auch einfachste (Tafel-)Weinqualitäten mit Sorten- und Jahrgangsbezeichnung auf dem Markt zu bringen, Auswirkungen auf die höheren Qualitätsebenen, also die Land- und Qualitätsweine haben.
Als erste Reaktion gegen das verschwimmen der Unterschiede zwischen den Qualitätsstufen hat die ÖWM in ihrem neuen Logo mit dem Punkt die Banderole, die ausschließlich Qualitätsweine „zieren“ darf, stärker hervorgehoben.
Und langsam sickert nun auch durch, wie die heimische Agrarpolitik in Form einer Weingesetznovelle auf die Vorgaben der EU-Weinmarktordnung zu reagieren beabsichtigt.
Nun bin ich zwar kein Jurist, und kenne die EU-Weinmarktordnung auch nicht im Detail, aber ich wage trotzdem die Behauptung, dass einige der geplanten Regelungen dem Grundgedanken der EU-Weinmarktreform nicht nur nicht entsprechen, sondern ihm ausdrücklich widersprechen.
Ob das gut ist, oder schlecht, vermag ich im Moment noch nicht einzuschätzen. Aber sollte ein derartiges neues österreichisches Weingesetz EU-konform sein, ist entweder die neue Weinmarktordnung windelweich, oder die Juristen im Landwirtschaftsministerium sind ausgesprochen ausgefuchst.
Warum?
Der Grundgedanke der Liberalisierung der einfachsten Weinkategorie (bisher „Tafelwein“ jetzt „Wein“ ohne Herkunft) ist es, mit diesen Weinen gleichberechtigt in Konkurrenz zu den preisgünstigen Sortenweinen aus anderen Weinbauländern treten zu können.
Dazu braucht es aber nicht nur die Möglichkeit, Sorte und Jahrgang anzugeben, sondern auch niedrige Produktionskosten, sprich in erster Linie hohe Erträge im Weingarten.
Die Qualitätsweine (mit Herkunftsangabe) sollen sich davon durch strengere Richtlinien und eine höhere Qualität (u.a. durch niedrigere Erträge) so deutlich positiv abheben, dass die beiden Marktsegmente ohne gröbere Verwerfungen nebeneinander funktionieren können.
Diese Einschätzung scheint die heimische Weinbaupolitik aber nicht zu teilen. Man fürchtet vielleicht auch nicht ganz unberechtigt, dass Rebsorten-Tafelweine den Qualitätswein unter (Preis-)Druck setzen werden.
Um das zu verhindern, könnte man – wohl im Sinne der EU-Weinmarktordnung – den Unterschied zwischen diesen Weinsegmenten vergrößern, indem man die Qualitätsweinbestimmungen da und dort verschärft, und das entsprechend kommuniziert. (Z.B. á la „Dreifach kontrolliert“ wie bei der aktuellen Werbung für das AMA-Fleischgütesiegel.)
Man kann aber auch, wie offenbar von der heimischen Agrarpolitik geplant, den legistischen Unterschied zwischen einfachem und hochwertigen Wein so verkleinern, das beide de facto im gleichen Boot sitzen. Sprich: Man überlegt für (Tafel-)Wein mit Sortenbezeichnung den gleichen Höchstertrag festzulegen, wie für Qualitätswein, nämlich 9000 kg bzw 6750 l/ha.
Damit verhindert man natürlich, dass (Tafel-)Weine deutlich billiger angeboten werden können, als Qualitätsweine und beugt gleichzeitig Weinüberschüssen vor.
Man verschenkt aber auch die Chance, den nicht wirklich mit Leben erfüllten Begriff Qualitätswein hochwertig zu positionieren. Als etwas, das man nicht um 1,45 Euro pro Bouteille kaufen kann.
Hallo Bernhard,
ich frage mich, welchen Einfluß diese (entweder vorhandene oder nicht vorhandene) Trennung zwischen Tafel- und Qualitätswein auf das Kaufverhalten der Endverbraucher hat?
Für Spitzenweine wird dies keine Relevanz besitzen, wie schon das „Vino da Tavola (VdT)“-Beispiel der Supertuscans vor etlichen Jahren belegt hat.
Ob die Konsumenten nun im Supermarkt gezielt nach Tafelwein oder Qualitätswein unterscheiden? Ich glaube nicht. Sie werden sich eher nach einer ihnen bereits bekannten Marke oder der typischen Stilistik einer Weinregion umsehen (was ganz klar für die Vorteile des romanischen Weinrechts spricht). Wenn dann auch noch Jahrgang und Sorte auf der Verpackung eines Tafelweins aufscheint, dürfte das der Wahrnehmung einer Differenzierung nicht weiter zuträglich sein. Das wiederum spricht für die Überlegung, die rechtlichen Bestimmungen für beide Kategorien ähnlich zu positionieren.
Wie könnte man deiner Meinung nach das Segment der Qualitätsweine in den Köpfen der Konsumenten aufwerten?
Tafelwein ist eigentlich eine orwellsche diktion – ich will mir ja gar nicht vorstellen wie die trauben ausgesehen haben die dazu verarbeitet worden sind aber dieses getränk hat wenig mit einer festlichen tafel zu tun.
Hallo Robert!
Es hat ein bißchen gedauert, aber in Teil 4 gibt es jetzt ein paar Gedanken zu deinem Kommentar.
Wenn man sich die Marktrealität anschaut, ist es de facto tatsächlich völlig egal, ob Qualitätswein oder Tafelwein (mit Sorte) auf dem Etikett steht. Die Konsumenten gehen nach Namen und Preis, und deshalb ist es auch nicht wirklich ein Problem, wenn die unterschiedlichen Qualitätsstufen sehr ähnliche Bestimmungen haben.
Ich kann mir aber vorstellen (wirklich sicher bin ich aber nicht), dass es interessant sein könnte, einigen Qualitätsebenen echtes Leben einzuhauchen (und andere dafür ersatzlos zu streichen).
Aber das würde natürlich agrarpolitischen Mut erfordern…