Ein Wetterverlauf wie im heurigen Spätsommer bietet durchaus die Gelegenheit, sehr gute Weine zu keltern. Noch viel mehr allerdings macht er es möglich, Alkoholbomben und Üppigkeitsgranaten in Faß und Flasche zu bringen.
Die frühe Blüte und der Vegetationsvorsprung der Reben haben heuer eine (in Relation zur Traubenreife) späte Ernte ohne all zu großes Risiko erlaubt. Das ab Mitte August bis Ende September anhaltende (Hoch-)Sommerwetter trieb die Zuckergradationen nach oben. Und die warmen Nächte in Verbindung mit der nicht übermäßigen Wasserversorgung der Reben die Säurewerte nach unten.
Dieses Phänomen ist natürlich nicht neu, sondern in unserer Klimazone immer wieder mehr oder weniger ausgeprägt zu beobachten: 2009, 2007, 2003, 2000, 1997, 1994, 1992, 1990, 1983,…
Was sich allerdings ändert, ist der weinmodische Kontext, in dem diese Jahrgänge stehen.
Spätestens ab 1985 und bis etwa Mitte der 90er waren sie, dem damaligen knochentrockenen und säurebetonten Weißweinideal entsprechend, nicht besonders hoch angesehen. Als danach die Geschmacksvorlieben der Weinmeinungsbildner langsam aber sicher immer breiter und schwerer wurden, stieg jedoch die Wertschätzung der (über-)reifen Jahre.
Erst in letzter Zeit regt sich da und dort wieder ein wenig Kritik an den hohen und steigenden Alkoholwerten. Da Theorie (in Form der Forderung nach eleganteren Weinen) und Praxis (mit hohen Bewertungen vor allem für schwere Brocken) diesbezüglich aber meist noch deutlich auseinanderklaffen, kann man wohl noch nicht wirklich von einem Weinmodetrend sprechen.
Bisher gelingt es der Weinbranche außerdem recht gut, die Weinbomben und Üppigkeitsgranaten in erster Linie dem Klimawandel in die Schuhe zu schieben. Auch wenn das meiner Meinung nach ziemlich scheinheilig ist, um einerseits zeitgeistig von weniger Alkohol reden und andererseits ohne schlechtes Gewissen (schließlich ist ja das Klima schuld) Hochprozentiges produzieren und trinken zu können.
Dass der Weinbauer ebenfalls einen gehörigen Einfluß auf den Zuckergehalt der Trauben und damit dem Alkoholgehalt des Weines hat, kann man in der oben verlinkten Artikelserie nachlesen. Unsere Trauben haben auf jeden Fall auch im supersonnigen Spätsommer 2011 ihre geschmackliche Reife bei vernünftigen Zuckergradationen erreicht (und wurden von uns dann auch zeitgerecht geerntet).
Nur die erste kleine Ernte von unserer Chardonnay-Junganlage am Goldberg liegt über 14 Prozent Alkohol. Zugegeben, die nahezu kitschig-reifen Fruchtaromen in der Nase sind beeindruckend, und die Mundfülle ist enorm. Während sich aber wohl viele Kollegen ohne Abstriche über diesen zweifellos sehr guten Wein freuen würden, hält sich meine Begeisterung ein wenig in Grenzen.
Zum Glück haben wir ja aber auch heuer jede Menge feinerer, eleganterer Weine im Keller…
2 Gedanken zu „Bomben und Granaten“