Gusto und Ohrfeigen…

sind verschieden, sagt die Redewendung. Und der unterschiedliche Gusto der Weinmedien erteilt dem Winzer gelegentlich publizistische Ohrfeigen.

So wie heute die Weinzeitschrift VINARIA. Die bewertet in ihrer aktuellen Ausgabe unseren Cabernet Sauvignon 2004 mit (vornehm ausgedrückt) bescheidenen 14,5 Punkten („gut“) und beschreibt ihn folgendermaßen:

Etwas Holzkohle vom dunklen Faßbrand, streng und verschlossen, leicht selchig; erneut spärliche Frucht, hart und etwas verbrannt erscheinend, feurig und unentwickelt, (noch) zu wenig Balance.

Nicht das unser 2004er Cabernet ein Wein von absoluter Weltspitzenklasse wäre, aber einigermaßen verblüfft hat mich diese Einschätzung doch. Schließlich wurde der gleiche Wein erst vor wenigen Monaten mit 92 Punkten („ausgezeichnet“) zum Sortensieger der FALSTAFF-Rotweinprämierung gekürt:

Tiefdunkles Rubingranat mit opakem Kern, violette Reflexe. In der Nase feine Cassisanklänge, dunkles Beerenkonfit, Nougat, süße Holzwürze, einladendes Bukett. Am Gaumen saftige Frucht, elegant strukturiert, feines Tanninkleid, das dem Wein ein starkes Rückgrat verleiht, bleibt gut haften, dunkle Beeren und Schokolade im Nachhall, gutes Entwicklungspotential.

A LA CARTE sah ihn im Sommer hingegen nur bei 87 Punkten. (Zufall oder nicht: Der A-la-Carte-Verkoster sitzt auch in der Vinaria-Jury.)

Ein wenig diffus, etwas blättrig-bittrige Nase; herzhaft-kernige Cabernetfrucht, festes Tannin, extrem jung, derzeit noch kein Vergnügen.

Nur wenige Wochen davor notierte FALSTAFF in seinem Weinguide hingegen 91 Punkte („ausgezeichnet“):

Tiefdunkles Rubingranat, fast opake Farbe, violette Reflexe, zarter Wasserrand. In der Nase feiner Nougat, ein Hauch von Cassis, zarte Karamellsüße, sehr einladend. Am Gaumen elegant und harmonisch, zeigt eine gute Balance, festes Tanninkleid, das eine gute Stütze gibt, ein vielseitiger Speisenbegleiter mit gutem Reifepotential.

Und beinahe zeitgleich erschien auch der VINARIA-Jungweinatlas, in dem ein anderer Vinaria-Autor den Wein sogar als „Tipp“ empfiehlt:

Enorm tiefe Farbe; Lakritzen, Eukalyptus und schwarzer Pfeffer bestimmen die Würze des Buketts, dahinter lugt Waldbeerfrucht hervor; dicht und engmaschig am Gaumen, schönes Volumen, verströmt tintige Würze und einen Hauch von Tintenblei, viel Schmelz und mutige Tannine, weitaus härter als die vorgenannten Rotweine, schließt an den hervorragenden 2003er an.

Ein ähnliches Auf und Ab erlebten wir auch beim Cabernet 2003. Es begann im April 2005 mit geradezu inferioren 81,25 Punkten bei der Burgenländischen Landesweinprämierung (die auch die Vorauswahl für den Österreichischen Weinsalon darstellt).

Bald darauf ging es aber aufwärts mit einer vielversprechenden (aber nicht mehr auffindbaren) Beschreibung im VINARIA-Jungweinguide und 90 Punkten („ausgezeichnet“) im FALSTAFF-Weinguide:

Tiefdunkles Rubingranat, fast opake Farbe, violette Reflexe, in der Nase feines Brombeerkonfit, zarter Nougat, feine Holzwürze, am Gaumen stoffig, elegant, feine Beerenfrucht, bleibt gut haften, harmonischer Speisenbegleiter.

Wie der 2004er erhielt auch schon der 2003er im Sommer von A LA CARTE mit 88 Punkten keine besondere Note und eine wenig wohlwollende Beschreibung:

Saftiger Fruchtbiss, süße Cassisnoten, runde Frucht, aber hintendrein peitscht das Tannin.

Dafür ging es im Herbst dann steil bergauf. Im FALSTAFF-Rotweinguide reichte es zwar nicht ganz zum Sortensieg, aber immerhin zu 91 Punkten („ausgezeichnet“) und einer tollen Beschreibung:

Tiefdunkles rubingranat, fast schwarz, violette Reflexe, zarte Randaufhellung. In der Nase sehr feine reife Beerenfrucht, Dörrzwetschken im Hintergrund. Am Gaumen intensive schwarze Johannisbeeren, kraftvolle Tannine, sehr lange anhaltend, tolle Zukunft.

Und anders als beim 2004er stimmte beim 2003er auch VINARIA gegen Ende des Jahres mit 17,9 Punkten („ausgezeichnet“) in die Lobeshymmnen ein:

Ungewöhnlich komplex, Granatäpfel, Zimt, Kaffee, reich und facettiert; fruchttief und extraktsüß, großer Bogen, saftig, doch nie überladen, vereint Kraft mit Eleganz, wunderbare Persistenz, Zukunft.

Was kann man daraus lernen?

  • Das die Probenreihenfolge und der Verkostungszeitpunkt einen großen Einfluß auf das Urteil auch der Profis hat?
  • Das auch bei Profis Flaschenfehler nicht immer als solche erkannt werden?
  • Das sich auch Profis mitunter relativ stark von ihren persönlichen Geschmacksvorlieben leiten lassen?
  • Ich habe keine Ahnung! Ich freue mich einfach über jede gute Bewertung und versuche, angesichts solcher Erlebnisse die schlechten nicht zu ernst zu nehmen.

    3 Gedanken zu „Gusto und Ohrfeigen…“

    1. „Was kann man daraus lernen?“

      Vor allem eines: keine Verkostungsflaschen mehr einschicken, wie das einige Spitzenwinzer bei Euch schon tun. Ganz offensichtlich zu recht!

    2. „… denn sie wissen nicht was sie tun “ würd ich im ersten Moment meinen.
      Aber eben die unten angeführten Punkte relativieren zum Teil die unterschiedliche Bewertung.

      Ich glaub auch die Tagesverfassung eines jeden hat einen großen Einfluß auf die Sinneseindrücke zusätzlich zu der Probenreihenfolge und dem Verkostungszeitpunkt. Ebenso wie Fragen, waren die Weine alle gleich kalt / warm, war die Dekantierung / nicht Dekantierung ident, vielleicht spielt sogar das Bewertungsschema (20 vs. 100) eine gewichtete Rolle ?
      Das weißt du sicher Bernhard, wurde alles blindverkostet ? Ich glaube wenn man weiß von wem der Wein ist, dass die Beurteilung – natürlich unterbewußt – zum Teil darunter leidet.

      Angesichts dieser Weinbeschreibungen komme ich zum Schluß, dass
      deine Weine alle sehr charakterstark sind und überhaupt keine Uniformität, besitzen :-))

    3. „Das die Probenreihenfolge und der Verkostungszeitpunkt einen großen Einfluß auf das Urteil auch der Profis hat? “

      JA, vor allem die Reihenfolge – UND – dass all zu oft viel zu viele Weine an einem Tag verkostet werden und damit Flüchtigkeitsfehler entstehen.

      „Das auch bei Profis Flaschenfehler nicht immer als solche erkannt werden? “

      JA, natürlich, auch wenn wir sehr oft die zweite Flasche aufmachen – bei uns waren das heuer bereits über 40%.

      „Das sich auch Profis mitunter relativ stark von ihren persönlichen Geschmacksvorlieben leiten lassen?“

      Manche sicher.

      Bei den Benotungen gibt es aber noch ein ganz anderes Problem: Bedingt durch die immer besser werdende Qualität, sind einige Verkoster bereits in international unglaubwürdige Punkte-Höhen gekommen. Und die Winzer (offensichtlich auch du: 88 „keine besondere Note“) finden dann Punkte unter 90 bereits als schlecht.

      90 Punkte sind für mich schon annähernd welweit vergleichbare Top-Weine, die vergebe ich auch in Bordeaux nicht all zu oft.

      Lieben Gruss

      Knalli

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