Frau S. fragt

Sehr geehrter Herr Fiedler!

Vor einigen Wochen bin ich auf Ihren Weinblog gestossen, den ich nun mit Begeisterung verfolge. Ich hätte allerdings zu einem älteren Thema einige Fragen…

Es geht um die Rotweinbereitung.
Wieviele Tage wird bei der Gärung umgepumpt? Sie haben geschrieben, dass der Wein am Ende der Gärung nur mehr befeuchtet wird, wie geschieht dies? Auch mittels Rundpumpen??

Sie haben glaube ich irgendwo im blog erwähnt, dass der Biologische Säureabbau beim Rotwein nicht auf der Maische erfolgen sollte. Warum ist dies so? Kann es sein, dass einige Betriebe den Biologischen Säureabbau auf der Maische durchführen, da laut Ihnen nach 5 Tagen bis 5 Wochen erst abgepresst wird?

Auf wieviel mg/l wird Rotwein bei der Lagerung im Barriquefass, Großem Holzfass oder Stahltank geschwefelt? Wird durch hohe Schwefelgaben die Farbe reduziert?

Ich hoffe Sie finden Zeit um mir meine Fragen zu beantworten.
Vielen Dank im Voraus!

Liebe Grüße
S.

Auch wenn es sich um sehr detailierte Fragen handelt, möchte ich, wenn es schon um meinen Blog geht, versuchen (wie Frau S. bereits per Mail angekündigt) an einer Art offenem Brief zu antworten:

1. Also ich  pumpe bei der Maischegärung ab dem vollständigen Befüllen des Tanks bis zur Endphase der Gärung dreimal täglich um, also bis zu geschätzten fünf bis zehn Gramm Restzucker (bzw. eigentlich gemessen als Dichte von rund 1000 g/l). Je nach Gärverlauf sind das etwas fünf bis sieben Tage.

Danach sprühe ich nur noch gelegentlich mittels Rundpumpen eine wesentlich kleinere Menge Saft über den Tresterhut, damit er nicht ganz austrocknet. Ein starkes Überfluten nach der Hauptgärphase könnte zu einem zu raschen Absinken des Tresterhutes in den Saft führen, was bei längeren Maischestandzeiten aus geschmacklichen Gründen nicht unbedingt wünschenswert ist.

Allerdings bin ich gerade dabei, meine Praxis etwas zu überdenken. Möglicherweise trägt nämlich das frühe Ende des Überflutens dazu bei, dass ich in den letzten Jahren immer wieder ein paar Gramm Restzucker im Preßwein feststellen konnte, der wohl aus nicht vollständig extrahierten und vergorenen Schalen stammt.

Das ist aus folgendem Grund nicht ganz ungefährlich:

2. Selbstverständlich „funktioniert“ der biologische Säureabbau auch auf der Maische und läßt sich bei langen Standzeiten wohl auch gar nicht verhindern. Ich selbst hatte vor allem 2008 einige Chargen, die beim Pressen nach gut zwei Wochen schon fast mit dem Säureabbau fertig waren.

Das Problem dabei sind nicht die Schalen, sondern der fast immer vorhandene Restzucker. Die Milchsäurebakterien bevorzugen nämlich – sofern vorhanden – Zucker als Nahrung und produzieren daraus unter anderem flüchtige Säuren wie die Essigsäure. Nur wenn kein Zucker vorhanden ist, verarbeiten Sie Äpfelsäure relativ sauber zu Milchsäure.

Ein biologischer Säureabbau bei Weinen mit Restzucker ist also sehr riskant und kann schnell in einem irreparablen Weinfehler enden. Sind die Weine gepreßt, kann man (so wie ich bei meinen Preßweinen erfolgreich) versuchen, zuerst die alkoholische Gärung zum Abschluß zu bringen, und dann den Säureabbau anzugehen. Die Rotweinmaische hingegen läßt sich da kaum beeinflußen und ist durch den Schalenanteil noch dazu wesentlich reicher an Mikroorganismen.

3. Was die Schwefelung betrifft, so gibt es vielerlei Denkschulen. Wir arbeiten beim Rotwein vergleichsweise reduktiv, aber natürlich sehr individuell von Wein zu Wein. Den Unterschied macht dabei weniger die Art des Behälters (zumal Rotwein bei uns höchstens kurzzeitig im Stahltank lagert und sich die großen und kleinen Fässer diesbezüglich gar nicht so stark unterscheiden), als in der Jahreszeit, dem Alter und der Charakteristik des Weines.

Bis zum Frühjahr nach der Ernte trachte ich danach, den Gehalt an freiem SO2 irgendwo rund um den Bereich von 20 bis 30 mg/l zu halten. In der Jugend brauchen die Weine mehr Luft für ihre Entwicklung, und außerdem ist es in unserem Keller im Winter sehr kalt, was das mikrobiologische Risiko (Brettanomyces-Pferdeschweiß und Essigsäurebakterien) gegen Null gehen läßt.

Über den Sommer hingegen liege ich meist deutlich über 35 mg/l, weil es dann einerseits recht warm im Keller wird, die Weine auch weniger Luft zur Reife benötigen und die klassischen Weine bis zur Füllung am Ende des Sommers auch eindeutig stabil sein müssen.

Höhere Schwefelgaben können die Rotweinfarbe merkbar reduzieren. Allerdings kommen solche Gaben in aller Regel nur bei der ersten Schwefelung nach dem biologischen Säureabbau vor, und außerdem ist die Aufhellung (zumindest teilweise) nur temporär und der Farbverlust kein endgültiger.

Bei ausreichend reifem Traubenmaterial, solider Maischegärung und normalen (und nicht -wie mancherorts vorhandenen –  überzogenen) Ansprüchen an die Farbiefe stellt dieser Effekt also kein wirkliches Problem dar.

Ich hoffe, ich konnte helfen. Für Zusatzfragen nützen Sie (alle, nicht nur Frau S.) bitte die Kommentarfunktion.

4 Gedanken zu „Frau S. fragt“

  1. Lieber Bernhard – eine Frage zur Schwefelung über den Sommer hinweg: Wenn dem Rotwein sicherheitshalber ein etwas höherer Schwefelgehalt mitgegeben wird (Du sprichst von deutlich über 35mg/l – also fast der doppelten Menge gegenüber den winterlichen 20mg/l), so wird er eben nach der endgültigen Gehaltsmessung (vor der Abfüllung) weniger zusätzlichen Schwefel benötigen. Ist ein durchgängig mitgetragener höherer Schwefelgehalt außer bei der Farbe irgendwie der geschmacklichen Reifung abträglich oder ist das als unproblematisch einzuschätzen?
    LG: Erwin

  2. Guten Tag Erwin,
    Im Grunde ist Schwefel unverzichtbar bei der Herstellung sauberer und sortentypischer Weine. Gibt man SO2 dem Wein zu wird grob zwischen freien (aktiven) und gebunden (inaktiven) Schwefel unterschieden. Für beide Arten gibt es Grenzwerte (RW unter 5g. Restzucker 50mg/L frei und 160 mg/L gesamt). Durch umsichtiges Arbeit des Winzers wird versucht, die adäquate Schwefelmenge die man zum Schutz des Weines braucht (aktives SO2) mit möglichst geringem Gesamtschwefelgehalt (Kopfweh) zu erreichen.
    SO2 ( unter Berücksichtigung der Grenzwerte), wirkt sich positiv auf Geschmack, Lagerfähigkeit und Reifung des Weines aus.
    Ich hoffe ich konnte helfen:
    Mit freundlichen Grüßen: Bernhard K.
    … PS. Beste Grüße an den Herrn Fiedler für seinen tollen Blog!

  3. @Bernhard K.:
    Danke für den Kommentar und die Grüße. Die Frage von Erwin ist konkreter Natur – er betätigt sich seit einigen Wochen als Hobby-Kellermeister und wir kennen einander auch im richtigen Leben – und deshalb erlaube ich mir, deinen Kommentar zu ergänzen.

    @Erwin:
    Wenn man von 20 mg/l im Winter ausgeht und „deutlich über 35 mg/l“ als 40 plus interpretiert, ist es tatsächlich das Doppelte. Das kommt schon auch mal vor, tatsächlich ist der Unterschied aber nicht so krass.

    Die 20 mg/l im Winter sind nämlich die absolute Untergrenze und meist ergänze ich den SO2-Spiegel auch schon, wenn ich z.b. 24 mg/l messe auf an die 30. Und die „deutlich über 35 mg/l“ im Sommer sollen eher „stabile“ Werte als besonders hohe Werte ausdrücken. Wenn ich also im Juni 38 mg/l messe und im August 34 mg/l ist der Wert als so stabil anzusehen, dass es keine oder nur eine geringfügige Ergänzung braucht.

    Ein durchgängiger eher höherer (d.h. in dem von mir genannten Bereich befindlicher) S02-Gehalt ist der Reifung nicht abträglich (sonst würde ich es nicht machen), hat aber natürlich stilistische Auswirkungen.

    Die Weine erscheinen wohl tendenziell fruchtbetonter und jünger und möglicherweise etwas schlanker und kantiger. Würde man sich über einen längeren Zeitraum an die Grenze zur negativen Oxidation wagen, wären sie wohl eher etwas weicher, opulenter und gereifter, dafür aber weniger frischfruchtig als eher marmeladig-rumtopfig und an Kokos erinnernd.

    Abgesehen vom geringeren Risiko bei ersterer Variante sagt mir der Stil auch einfach besser zu.

  4. Danke, Bernhard & Bernhard!
    Da ich das „fruchtbetont Kantigere“ auch schätze, werde ich wohl bei meinem „Kellerexperiment“ sicherheitshalber im Sommer ebenfalls mehr Schwefel beigeben – spannend ist für mich auch zu schmecken (via Fassprobe), wie unterschiedlich sich ein kürzlich beigegebener Schwefelzusatz jeweils im immervollen Stahltank und im Barrique in den Gesamtgeschmack „einbindet“ – das Holzfass scheint da eine wesentlich größere „Harmonisierungstendenz“ zu besitzen…..
    Liebe Grüße: Erwin

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