…kommt spätestens im November die Jungweinmarketing-Maschinerie in die Gänge.
Nicht das ich allen Beteiligten das Geschäft nicht vergönne, aber wenn dafür mit solchen Aussagen geworben wird, halte ich das doch für, ähm, bedenklich:
…früh, aber immer vollreif geerntet…
…leicht und mit dicht strukturiertem Körper…
…verleugnet weder sein Terroir, noch sein würziges Temprament…
…ein guter Vorbote für die Qualität des Jahrgangs…
Auch einem völligen Weinlaien sollte sein Hausverstand sagen,
daß der frühe Erntetermin für „Primeurweine“ nicht nur von den Trauben, sondern natürlich auch vom möglichst frühen Verkaufsstart dieser Weine beeinflußt wird.
daß vollreife Trauben mehr Zucker enthalten, als für 11 Prozent Alkohol notwendig und daher für solche Weine völlig ungeeignet sind. Davon abgesehen sind die meisten Winzer klug genug, die vollreifen Trauben für teurere bessere Weine zu verwenden.
daß sich „leicht“ und „dichter Körper“ eigentlich ausschließen und ein „dichter Körper“ nicht gerade zum Anforderungsprofil an ein unkompliziertes, erfrischendes In-Getränk zählt.
daß Weine, die unter größtem Zeitdruck gemacht werden kaum all die Nuancen entwickeln können, die ihre Herkunft schmeckbar machen. Warum sollten Winzer sonst den Spitzenweinen mehr Zeit geben und die Konsumenten mehr dafür zahlen, wenn sie mit den Primeurweinen Terroir schnell und vergleichsweise billig haben können?
daß Weine, die auf ein bestimmtes, weitgehend jahrgangsunabhängiges Geschmacksbild im qualitativen Einstiegssegment hingetrimmt werden keinerlei ernsthafte Aussage über die Jahrgangsqualität liefern können.
All das bedeutet natürlich nicht, daß Jungweine grundsätzlich minderwertig sind. Ein Glas Primeur kann schon Freude bereiten. Aber das tut es auch, wenn man bei seiner Vermarktung die Kirche im Dorf läßt.
Das nenne ich mal Tacheles reden! Danke. Vor allem hier im Süden, wo die Primeurweine seit einigen Jahren schon Mitte Oktober auf den Markt kommen, ist die Diskrepanz besonders deutlich. Natürlich sind hier die Chancen größer, dass die Trauben schon Anfang September eine größere Reife aufweisen (vor allem seit man zu den traditionell spätreifenden Trauben (wie z.B. dem Carignan) auch frühere Sorten, wie Syrah oder gar Pinot anbaut (oft Ende August schon vollreif, je nach Lage).
Wenn man daraus aber Weine macht, die schon 4 bis 6 Wochen nach der Ernte auf der Flasche sind, geht das nicht ohne intensive Verwendung von Technik und Zusatzstoffen, um sie schnell zu stabilisieren.
Der Vin Nouveau zu den Maronen, wie er jetzt die regionalen Märkte überschwemmt, hat eben nichts mehr mit den traditionellen jungen Weinen (wie dem Federweissen in DE) zu tun, die früher zur Bauerntradition auf den Dörfern gehörten. Er ist ein reines Mode- und Marketingprodukt, das erlaubt, die Keller zu leeren und schnelles Geld in die Kassen zu bringen.
Da dann auch noch von Terroir zu sprechen, ist eigentlich eine Frechtheit.
So ist die Weinwelt…
Irgendwie muss ja der ganze Wein verkauft werden…
Als die Weinmarketing im Spätsommer 2003 für den Jahrgang 2003 geniale Qualitäten im Rotweinbereich versprach, mussten viele große Kellereien die Gunst der Stunde ausnutzen und die vom Kunden gewünschten 2003er Spätburgunder schon im November 2003 auf den Markt bringen.
Jetzt bieten wir ja schlieslich ebenfalls einen 2007er Sauvignon Blanc an… allerdings wurde der schon im April „down under“ geerntet und durfte 4 Monate auf der Feinhefe heranreifen. In dem „Ich als Kunde will nur ganz frische Weine“ Wahn kommt es schon mal vor, dass man im Frühjahr nach einem Wein fragt, der erst ein halbes Jahr später geerntet wird.
Guter Artikel! Ähnliche Formulierungen habe ich in letzter Zeit auch öfter gelesen und mir darüber Gedanken gemacht. Letztendlich ists eben doch alles nur Marketing, wie bei so vielen Dingen. Der Verbaucher wird geradezu verblendet wenn er sich nicht näher mit einer Sache auseinandersetzt.