Nicht nur aber vor allem auch in Österreich werden die meisten Weine jung getrunken. Das ist bei sehr vielen von ihnen auch gut so, denn der jugendliche Fruchtcharme und ihre erfrischende Art sind das Beste, was sie bieten können. Und manchmal auch das Einzige.
Zudem sind die meisten Konsumenten an die Aromenwelt junger Weine gewöhnt. Einerseits, weil wir eher darauf programmiert sind, frische Früchte spontan attraktiv zu finden als gereifte. Und andererseits, weil es für Normalweintrinker kaum eine Gelegenheit gibt, sich mit der Aromenwelt reifer Weine vertraut zu machen.
Das ist schade, denn es gibt gar nicht so wenige Weine, die von der Lagerung in der Flasche profitieren können. Und dann – ein wenig Interesse und Offenheit des Verkosters vorausgesetzt – eine unglaublich spannende Geschmacksvielfalt bieten.
Es gibt viele Ideen, woran es liegen soll, ob sich ein Wein gut entwickelt. Nicht wenige davon widersprechen sich gegenseitig oder der eindeutigen Praxiserfahrung. Hoher Alkohol sei gut, heißt es oft. Aber warum gibt es dann sensationell gereifte Rieslinge von der Mosel mit 10 Prozent oder noch weniger? Viel Säure wäre gut, meinen manche. Die haben aber wohl noch nie einen schon nach wenigen Jahren völlig ausgezehrten, dafür aber unharmonisch blitzsauren Wein im Glas gehabt. Oder einen grandiosen jahrzehntealten Traminer, eine der säureärmsten Sorten überhaupt.
Eine hohe SO2-Dosage bei der Abfüllung sei hilfreich, Aromen und Frische gegen den Zahn der Zeit zu schützen, hört man manchmal. Gleichzeitig gelten aber auch einige ohne oder mit sehr wenig „Schwefel“ oxidativ ausgebaute Weine als extrem langlebig. Bei den Roten sei viel Tannin wichtig, ist die Meinung mancher Rotweinfreaks. Die anscheinend noch nie das zweifelhafte Vergnügen eines nach wenigen Jahren aromatisch toten, aber immer noch untrinkbar bitteren Rotweines hatten. Und auch nicht das grandiose Geschmackserlebnis eines sortenbedingt tanninarmen Pinot Noir nach Jahren in der Flasche.
Woran es wirklich liegt, dass manche Weine besser altern als andere, lässt sich wohl nie mit Sicherheit sagen. Ich habe das große Glück, schon viele Altweine im Glas gehabt zu haben und bin mittlerweile auch lange genug als Weinbauer aktiv, um mich an zahlreiche eigene Weine in ihrer Jugend erinnern zu können wenn ich sie Jahre und Jahrzehnte später verkoste. Eine klare Regel zum Reifepotential von Wein wage ich daraus trotzdem nicht abzuleiten. Eine vage Tendenz allerdings schon.
Meiner Erfahrung nach hat das Reifepotential sehr viel mit etwas zu tun, was ich als innere Harmonie bezeichnen würde. Damit meine ich allerdings nicht konturenlos glattgeschliffene Weine, die von der Werbung als besonders harmonisch verkauft werden. Sondern solche, die in sich stimmig sind mit ihren Ecken und Kanten, die für einen spannenden Wein unabdingbar sind.
Diese innere Harmonie hat für mich wenig mit den oben genannten Regeln zu tun. Ich habe sie auch schon bei recht unkomplizierten Weinen gefunden, deren Idee es nie gewesen ist, nach 20 Jahren getrunken zu werden. Sie basiert stattdessen auf guten (aber nicht notwendigerweise besonders zuckerreichen) Trauben, einem sorgsamen Umgang mit diesen im Keller nach dem Motto „so wenig wie möglich, aber so viel wie nötig“ und dem Willen des Kellermeisters, dem Wein vor der Abfüllung die Ruhe und Zeit zu geben, die er braucht.
Weine, die auf diese Weise entstehen, sind selten besonders spektakulär und werden gerne unterschätzt. Kommt es heutzutage bei Wettbewerben aber auch beim flüchtigen Konsum nebenbei doch sehr oft darauf an, den Verkoster schon beim ersten Schluck zu beeindrucken.
In sich ruhende Weine werden dafür aber nicht so schnell langweilig wie solche, deren Geschmacksbild zu gewollt ist, sie sind die besseren Speisenbegleiter und über Jahre (und manchmal auch Jahrzehnte) ein faszinierender Genuss. Eigenschaften die ich erst vor ein paar Tagen wiedereinmal bei unserem Pinot blanc 2015 zum Steinpilzrisotto erleben durfte.
Sehr schöner Beitrag, da kann ich Ihnen in vielem zustimmen. Auch wir trinken gerne immer wieder gereifte Weine, auch weiss, und nur ganz selten haben wir den Zeitpunkt verpasst.
Nun meine Frage: gibt es denn bei Ihnen auch ältere Jahrgänge zu kaufen? Wäre interessiert!
Liebe Grüsse aus Oberösterreich
Alexander Weis
Herzlichen Dank für das Kompliment, Herr Dr. Weis!
Reifere Jahrgänge haben wir selten regulär im Angebot, aber Einzelflaschen (oder manchmal auch zwei oder drei) können wir manchmal auch von älteren Jahrgängen unserer Privatreserve entbehren. Schicken Sie mir doch ein Mail, was Sie interessieren würde und ich schau dann mal nach…
Viele Grüße aus Mörbisch
Bernhard Fiedler