Weinbauzeitgeschichte einmal anders

Weißburgunder-Junganlage 2003

Der Weinbau im Burgenland hat sich in den letzten 40 Jahren dramatisch verändert, und dieser Wandel läßt sich an vielerlei Dingen ablesen.

Die Rotweinqualität und -stilistik hat sich dramatisch verbessert und/oder verändert und auch die Weißweine schmecken heute deutlich anders, als vor ein, zwei oder drei Jahrzehnten. Aussehen, Ausrüstung und Größe der Keller sind ebenso modernisiert wie Etiketten und Vermarktung. Und im Weingarten werden heute andere Erziehungsformen und Pflanzabstände favorisiert, und natürlich zum Teil auch andere Rebsorten.

Weil ein Weingartenleben meist länger währt, als eine Modewelle, ist es natürlich nicht zielführend, bei der Auspflanzung von Weingärten ausschließlich auf Modesorten zu setzen. Neue Trends vollständig zu ignorieren kann aber auch gefährlich sein, nicht zuletzt deshalb, weil sich im vorhinein kaum beurteilen läßt, ob eine Mode von heute nicht zum Grundstein der Tradition von morgen wird.

Boden und Klima machen es im Burgenland möglich, eine breite Palette von Weinsorten und -stilen zu keltern, und die durch die Erbteilung bedingten kleinstrukturierten Parzellen führt dazu, dass in mittleren und größeren Betrieben beinahe jährlich Neuauspflanzungen stattfinden.

Dazu kommt, dass sich in unserer Region historisch bedingt (armes, kleinstrukturiertes Grenzland, dessen Entwicklung immer wieder von kriegerischen Ereignissen zurückgeworfen wurde,…) kein auch nur halbwegs kontinuierlicher Weinstil über einen längeren Zeitraum entwickeln konnte (Süßweine ansatzweise ausgenommen) und die Auspflanzungen deshalb wahrscheinlich stärker als in anderen Gebieten die Entwicklungen des Weinmarktes widerspiegeln.

Die Aufstellung der in unserem Weingut in den letzten 40 Jahren ausgepflanzten Sorten ist also auch eine Möglichkeit, die Weinbauzeitgeschichte zu dokumentieren (auch wenn die ersten Jahre nicht ganz vollständig sind und ich die sehr unterschiedlichen Flächenausmaße zwischen 400 und 8000 Quadratmetern pro Sorte bzw. Parzelle weggelassen habe).

Das Mengenwachstum der 70er-Jahre

Die 1970er-Jahre waren die Zeit des Aufschwunges. In Österreich herrschte Weinmangel und alle Prognosen deuteten auf einen weiterhin stark steigenden Pro-Kopf-Verbrauch hin. Um diese Nachfrage decken zu können, wurde die Weingartenfläche in Niederösterreich und dem Burgenland stark ausgeweitet, und reichtragende Sorten wurden forciert.

Hauptprofiteur dieser Entwicklung war der Grüne Veltliner, in unserem Betrieb daneben aber auch der Welschriesling, der bei uns wie hier beschrieben jahrzehntelang einen sehr großen Stellenwert hatte. Auch der Zweigelt hielt Einzug in unsere Rieden, wie aber auch die bis dahin einzige Rotweinsorte Blaufränkisch in einem eher bescheidenen Ausmaß.

Was den potentiellen Ertrag betrifft, paßt der Müller Thurgau auch recht gut in diese Zeit. Wie sich aber im Nachhinein gezeigt hat, war der Boom der aromatischen Rebsorten damals schon über dem Höhepunkt.

Die Zeit der Umstellung

1981 fand die Rebflächenausweitung mit einem „Waffenstillstandsvertrag“ zwischen den Bundesländern Niederösterreich und Burgenland ein Ende. Die Trauben- und Faßweinpreise verfielen zusehends und spätestens mit der Rekordernte von 1982 (die doppelt so hoch war, wie eine heutige Durchschnittsernte) wurde heimischer Wein von einem Mangel- zu einem Überschußprodukt.

Waren die Auspflanzungen am Anfang des Jahrzehnts noch eher konservativ an bewährten, zum damaligen Zeitpunkt trotz aller Wirrnisse gut vermarktbaren Sorten orientiert, zeigen die Auspflanzungen der letzten 80er-Jahre die Aufbruchstimmung nach dem Weinskandal: Mit den internationalen Modesorten Chardonnay und Cabernet Sauvignon hielten zwei neue Sorten Einzug in unsere Rieden.

Der Rotweinboom der 90er

Dem allgemeinen Konsumtrend folgend (und dem Potential unserer Region Rechnung tragend) wurde 1993 unser größter Weingarten mit Blaufränkisch bestockt. 1998 bis 2003 folgten bedeutende Flächen mit Zweigelt und ergänzende Pflanzungen mit Cabernet Sauvignon und Blaufränkisch. Der Rotweinanteil stieg auf seinen Höchststand von rund 55 Prozent, mehr als doppelt so hoch wie in den 70ern.

Diese Umstellung erforderte auch einige Investitionen im Keller, da sich die Weinbereitung der Rotweine und die dafür notwendige Ausstattung doch deutlich von der Herstellung der Weißen unterscheidet.

Anders als viele Kollegen (und manche Weinbaupolitiker) sind wir der Rotweineuphorie aber nicht völlig erlegen, sondern haben auch in dieser Zeit eine Zukunft für den Weißwein im Burgenland gesehen. Die Auspflanzungen von Grünem Veltliner, Weißburgunder und Traminer zeugen davon.

Quo vadis?

Jeder Boom hat irgendwann ein Ende und wird von einem neuen, alten Trend abgelöst. Neben den Rotweinen stehen heute die aromatischen Weißweine wieder so hoch im Kurs wie zuletzt in vor rund 40 Jahren. Nach 31 Jahren stand daher 2006 erstmals wieder Muskat Ottonel auf dem Programm und auch für 2009 ist eine weiter große Fläche geplant, weil unsere beiden alten kleinen Muskat-Weingärten schon reif für die Rodung sind.

Alles beim Alten also? Nicht ganz, wenn man etwas genauer hinschaut. Trend hin, Boom her, seit Anfang der 90er-Jahre konzentrieren sich unsere Auspflanzungen auf relativ wenige bodenständige Sorten: Grüner Veltliner, Weißburgunder, Muskat Ottonel und Traminer in weiß und Blaufränkisch und Zweigelt in rot. Sämling 88/Scheurebe, Müller Thurgau, Bouvier, Neuburger und Welschriesling sind aus unseren Weingärten verschwunden oder werden dies mittelfristig tun.

Die beiden Modesorten Chardonnay und Cabernet Sauvignon sind längst zu Klassikern unseres Betriebes geworden, und wie die Flächenausweitungen über zehn und mehr Jahre zeigen sind sie über den Modestatus längst hinaus.

Trotz dieser positiven Erfahrungen haben wir seit Anfang der 90er bewußt auf weitere „neue“ Sorten verzichtet und unsere Vielfalt etwas reduziert. Aber auch wenn es derzeit keine konkreten Pläne gibt, ist es nicht ausgeschlossen, dass wir irgendwann wieder eine neue (alte) Sorte ins Programm aufnehmen.

Potentielle Kandidaten gibt es ja genug: Sauvignon blanc, Riesling, Muskateller, Grauburgunder, Auxerrois, Aligote, Silberweiß, Merlot, St. Laurent, Pinot noir, Syrah,….

Die Grenzhof-Auspflanzungen seit 1968

Einige der seit 1968 gepflanzten Weingärten wurden bereits wieder gerodet und zum Teil erneut bepflanzt. Die Rodung erfolgte zum Teil aus Altersgründen (d.h. einem unwirtschaftlichen Wachstum/Gesundheitszustand) und zum Teil wegen der ausgepflanzten Rebsorte und/oder Erziehungsform.

In einigen jüngeren Fällen handelt es sich um seenahe Parzellen, die wir aus qualitativen und ökologischen Gründen gerodet und nicht wieder bepflanzt haben.

1968
Welschriesling (gerodet)
Welschriesling

1970
Grüner Veltliner (gerodet)

1971
Zweigelt
Grüner Veltliner (gerodet)

1972
Grüner Veltliner (gerodet)
Weißburgunder (gerodet)

1973
Zweigelt (gerodet)
Müller Thurgau (gerodet)
Grüner Veltliner (gerodet)
Muskat Ottonel

1974
Blaufränkisch (gerodet)
Welschriesling (gerodet)

1975
Welschriesling (gerodet)
Welschriesling
Muskat Ottonel

1976
Grüner Veltliner

1977
Weißburgunder

1978
Bouvier (gerodet)
Neuburger (gerodet)
Müller Thurgau (gerodet)

1980
Traminer (gerodet)
Grüner Veltliner (gerodet)

1981
Welschriesling

1982
Welschriesling

1983
Zweigelt (gerodet)
Blaufränkisch (gerodet)

1985
Welschriesling (Grundstück vertauscht)
Neuburger

1986
Welschriesling (gerodet)

1987
Blaufränkisch

1988
Zweigelt

1989
Chardonnay

1990
Cabernet Sauvignon

1991
Welschriesling

1992
Bouvier (gerodet)
Cabernet Sauvignon
Weißburgunder

1993
Blaufränkisch

1994
Traminer

1997
Weißburgunder

1998
Zweigelt

1999
Zweigelt
Blaufränkisch
Cabernet Sauvignon
Grüner Veltliner

2000
Blaufränkisch

2001
Zweigelt

2003
Zweigelt
Blaufränkisch
Weißburgunder

2006
Muskat Ottonel

2009
Chardonnay
Muskat Ottonel

2 Gedanken zu „Weinbauzeitgeschichte einmal anders“

  1. Nachdem ich immer wieder erstaunt bin, was man aus FURMINT alles machen kann, würde ich persönlich diese Sorte auf die imaginäre Wunschliste neuer (alter) Auspflanzungen unbedingt setzen wollen……

  2. Und nachdem ich geschmeckt habe, was Dein Papa aus Neuburger machen kann, bin ich dafür, dass Ihr damit wieder aufrüstet (und Du noch mal bei Papa in die Lehre gehst) 😉

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