Rebsortenföderalismus

Pinot-Trauben

Wie die Zeitschrift „Der Winzer“ hier berichtet, wurde per burgenländischer Landesverordnung der Anbau von 18 neuen Rebsorten zugelassen. Neben zahlreichen neu gezüchteten interspezifischen (d.h. aus „edlen“ europäischen und mehltauwiderstansfähigen amerikanischen Reben gekreuzten) Tafel- und Keltertrauben dürfen damit auch Malbec, Viognier, Lindenblättriger, Gold- und Rosenmuskateller angepflanzt werden.

Angepflanzt, wohlgemerkt, denn ob man aus einer Traubensorte Qualitätswein keltern oder sie wenigstens in der niedrigeren Qualitätsstufe „Wein“ auf dem Etikett anführen darf ist keine Frage der Landes- sondern eine der Bundes(wein)gesetzgebung.

Und weil dort viele dieser Sorten nicht an entsprechender Stelle erwähnt werden, darf man sie zwar im Burgenland ab sofort legal auspflanzen, als Wein müssen sie aber anonym und damit wohl zumindest mittelfristig ohne Marktbedeutung bleiben.

Nicht das ich unbedingt dafür wäre, alle möglichen Sorten auf Qualitätsweinetiketten schreiben zu dürfen. Aber diese Form der Regelung ist ein schönes Beispiel für völlig sinnlosen Föderalismus, wie er leider in sehr vielen Bereichen zu finden ist.

Theoretisch klingt die Sache natürlich wunderbar. Die einzelnen Bundesländer wissen am besten, welche Sorten für das jeweilige Klima und den vorherrschenden Boden geeignet sind und lassen diese zu. (Wobei die Frage schon auch berechtigt ist, warum man es nicht bei allgemeinen Bestimmungen zur Pflanzengesundheit von neuen Reben und einer völligen Wahlfreiheit für die Weinbauern beläßt.)

Wie die Praxis jedoch zeigt, sind die Sortenverordnungen der Länder aber weitgehend ident. Nimmt nämlich ein Bundesland neue Sorten auf, folgen die anderen über kurz oder lang, wie in Ziffer 3 des oben verlinkten Artikels zu lesen ist. Und alle wiederum nehmen natürlich Rücksicht auf das Bundesweingesetz, wie in Ziffer 1 und 2 erläutert.

Im Extremfall existieren dann neun ziemlich ähnliche Landesgesetze und -verordnungen mit entsprechendem Beschluß-, Umsetzungs- und laufendem Novellierungsaufwand nebeneinander, die sich naturgemäß alle weitgehend am Bundesgesetz orientieren müssen…

3 Gedanken zu „Rebsortenföderalismus“

  1. Warum sollte es beim Wein anders sein als in allen anderen öffentlichen Bereichen unseres Lebens. Krankenkassen ohne Ende mit Hunderten verschiedenen Refundierungs- und Versicherungstarifen, Landesschulräte die sich ihre rückwärts gelegene Protuberanz wund sitzen damit auch hier jedes Bundesland seinen Schmarrn dazugeben kann und, ja, nicht vergessen, die Landeskaiser und ihr Landtag.
    Österreich vergeht in der Bürokratie anstatt sich flexibel den Aufgaben zu stellen. Danke für den Einblick in die ebenso verquere Welt der Weinbaupolitik, offensichtliche Parallelen zeigen, dass der Amtsweg wohl überall beschwerlich ist. Beste Grüße!

  2. Wieso ist denn der Anbau gewisser Rebsorten überhaupt untersagt? Gibt es das bei anderen Kulturpflanzen (außer Hanf, Schlafmohn…) solche Einschränkungen? Mir ist schon klar dass gewisse Neuzüchtungen eine Zulassung brauchen (wegen Genmanipulation oder irgendwelcher Patente), aber bei einigen dieser Sorten handelt es sich ja wohl um traditionelle europäische Sorten. Traut man den Winzern nicht zu selbst zu entscheiden was gut für sie ist?
    mfg Hans Peter

  3. @Wendelin Wolfram:
    Natürlich ist es beim Wein (leider) nicht anders, als in allen anderen öffentlichen Bereichen unseres Lebens. Ich habe halt dort einfach ein wenig mehr Einblick und Detailkenntnis, siehe hier, hier und besonders hier. Trotzdem Danke für den Kommentar.

    @Hans Peter:
    Ich gehe auch davon aus, dass es bei Neuzüchtungen außerhalb des Weinbereiches irgend ein Zulassungsverfahren gibt. Warum die Einschränkungen im Weinbereich (vermuteterweise) stärker sind, kann ich aber nicht wirklich erklären. Wie auch immer sie jedoch historisch begründet sein mögen, ich halte sie heutzutage aber für überholt, was die Erlaubnis zur Pflanzung (und zur Vinifikation der niedrigeren Qualitätsstufe (Tafel-)Wein) betrifft (zumal sie ohnehin nicht kontrollierbar sind).

    Gewisse Sorteneinschränkungen bei der Definition von Qualitätswein im Weingesetz hingegen halte ich durchaus für sinnvoll. Ein gewisses Qualitätsniveau UND eine nähere geografische Herkunftsangabe können nicht alle möglichen Traubensorten darstellen.

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