Ich war noch nie ein besonderer Freund der Bewertung von Wein mit Punktesystemen. Das hat zwar nichts damit zu tun, dass unsere Weine in den Fachmedien des Öfteren wohlwollend beschrieben, aber nur sehr selten mit den ganz hohen Punktewerten versehen werden. Aber es erleichtert den Umgang mit dieser Zwiespältigkeit ungemein.
Was brauche ich Punktebewertungen, wenn mein Wein solcherart beschrieben wird, wie zum Beispiel in der aktuellen Ausgabe von Vinaria:
Blaufränkisch Reserve 2006
Feiner Duft nach Brombeeren, Hagebutten und Blutorange, Zimt und Anis, macht schön auf mit Luft; ausgereifter Fruchtbogen, griffiges Tannin und animierende Säureunterstützung, jugendliche Straffheit, salzige Note hintennach, eigenständig, anspruchsvoll und trinkfreudig gleichermaßen.
Besonders die letzten fünf Wörter haben es mir angetan: Besser kann man mein Idealbild von Wein im Allgemeinen und von Blaufränkisch im Besonderen gar nicht formulieren.
Auch unsere Cuvée erhielt in der gleichen Verkostung (Rotweine 2006 bis 12 Euro) eine schöne Beschreibung:
Rote Trilogie 2006
Dichte Nase nach Sommerkirschen, Brombeeren und hellem Nougat, Anis, edelsßer Paprika; satt und stoffig, weiche Fruchttextur, anregendes Säurespiel, ausgereiftes Tannin, recht kernig hintennach, zart rauchige Noten, balancierter Blend mit gutem Trinkanimo.
Ach ja, und Punkte gab´s natürlich auch. Wie meistens im oberen Mittelfeld: 16,0 für den Blaufränkisch Reserve und 15,6 für die Rote Trilogie. Bei Vinaria steht das für sehr gut, für Weine von überdurchschnittlicher Qualität mit Frucht, Substanz und Harmonie.
Verzeihen Sie die möglicherweise frevelhaften Worte einer Unkundigen, aber wenn ich als Nicht-Weinbranchenmensch solche Worte lese:
„Dichte Nase nach Sommerkirschen“,
dann frage ich mich jedes Mal, ob Verfasser solcher Worte mit dem Schreiben nicht lieber warten wollen, bis sie wieder nüchtern sind.
Für normale Menschen klingt das einfach nur gaga!
Verzeihen Sie, wenn ich mich als jemand, dem die Sprache an sich (und nicht nur die Weinsprache) nicht völlig gleichgültig ist, darüber wundere, wie man eine Sprachkritik mit den Worten „gaga“ begründen kann.
Was stört sie an diesen Worten?
Das eine „Nase“ als dicht bezeichnet wird? Nun, in der Weinsprache wird das Aroma (auch um ständige Wortwiederholungen zu vermeiden) gerne als Nase bezeichnet. Und die Bezeichnung dicht ist zwar eher für einen Eindruck am Gaumen gebräuchlich, mit ein bißchen Wein- oder Sprachgefühl oder Fantasie läßt sich der Begriff aber durchaus von „verdichtet“ im Sinne von konzentriert herleiten.
Oder sind es die Sommerkirschen? Ja gut, Kirschen ohne Sommer oder noch allgemeiner rote Früchte hätten es auch getan. Aber wenn man Wein beschreibt, reicht es halt nicht, „riecht nach Wein“ zu schreiben und man kommt ohne Vergleiche nicht aus. Zumal im Wein tatsächlich die gleichen Aromen vorkommen, wie in Kirschen, Äpfeln etc. Und zwar hunderte davon.
Der Profi kann also diesen Worten entnehmen, dass der Wein eher intensiv und nach einer bestimmten Aromarichtung riecht. Und der Laie wird sich wohl zumindest unter Kirschen etwas vorstellen können, was ausschließt, dass es sich z.B. um einen nach (Muskat)Trauben riechenden Wein handelt. Oder um einen, der nach Honig riecht. Oder nach Gewürzen wie Vanille, Zimt, Pfeffer.
Davon abgesehen sollten Sie sich vielleicht auch mit dem Gedanken anfreunden, dass professionelle Weinverkostungen keine Saufgelage sind. Und das man bei entsprechender Verkostungstechnik auch nach dutzenden Proben noch legal autofahren kann.
Bernhard Fiedler
Wie gesagt: Ich bin eher unkundig in puncto Wein. Ich werde es aber wohl auch bleiben, denn wenn ich etwas über „dichte Nasen“ lese, assoziiere ich Schnupfen und damit verbundenen Unbill, das ist für mich unappetitlich und macht mir keine Lust auf Wein.
Dass Weinverkostungen keine Saufgelage sind, war sogar mir bekannt, aber bei solch strubbeligen Formulierung, wie manche Weinanpreiser sie benutzen, fragt sich der ganz normale Mensch schon, was das soll, und ob alles mit rechten Dingen zuging beim Entstehen einer solchen Formulierung – und das ist ja nur ein Beispiel für so manch geschraubte Wortwindung in Weibeschreibungen, die man hinterher eigentlich lieber gar nicht gelesen hätte.
Für mich ist jedenfalls eine Nase ein Organ, mit dem man riecht, oder ein eingetrockneter Farbtropfen, wenn man beim Anstreichen nicht aufgepasst hat.
Man bezeichnet Musik ja auch nicht als Ohr.
Ich finde es jedenfalls schade, wenn Ihr Wein mit Formulierungen belegt wird, die Menschen die Lust nimmt, ihn probieren zu wollen, indem unterschwellig unangenehme Assoziationen geweckt werden.
Aber ich trinke ohnehin lieber Kaffee.