Das die Weinlese vor der Tür steht, merkt man als Winzer nicht nur im Weingarten, sondern auch beim täglichen Gang zum Briefkasten. Vergeht doch um diese Jahreszeit kaum ein Tag, an dem sich nicht eine mehr oder weniger bunte Broschüre der einschlägigen Weinbehandlungsmittelhersteller und -händler in der Post findet.
Fast jede davon hat bahnbrechende Produktneuheiten zu bieten und kündet von einem Jahrgang mit dieser oder jener zu erwartenden Besonderheit, die man am besten mit dem Einsatz der Produkte der jeweiligen Firma meistern könne.
Je intensiver und perfekter die Mostbehandlung erfolgt, desto besser und erfolgreicher wird schließlich der Aufwand der Weingartenpflege im Wein spürbar und durch den Trinkgenuss meßbar. Die Weinbehandlung nach einer solchen Mostbehandlung beschränkt sich auf die Perfektionierung des persönlich angestrebten Weintyps, z.B. Lagenweine, Terroirweine.
Man nehme also:
1. Kaliumpyrosulfit (SO2)
bei Überreife, hohem pH-Wert und/oder Hagel- und Fäulnisschäden
2. Aktivkohle
bei einer Fäulnis von 30 bis 100 Prozent
3. Enzympräparat A, B oder C
Je nachdem, ob es um die Freilegung des Aromapotentials geht, um die Arbeit im Weingarten durch die Aromadichte und Bekömmlichkeit des Weines erfolgreich fortzusetzen oder ob bei Problemtrauben der Einfluß des Schadens auf die Aromaausbildung des Weines durch rasche Abpressung auf ein Minimum reduziert werden soll
4. Mostklärschönung D, E oder F
Besonders klare Moste unterstützen bei der nachfolgenden Gärung bei gesundem Traubenmaterial die Ausprägung des gewünschten Weintypus oder Sortencharakters.
5. Mostbentonit G oder H
Der Vorteil der Verringerung des Eiweißgehaltes im Most liegt in der besseren perfekteren Aromastabilisierung und Gewinnung einer größeren Aromafülle im Wein.
6. Gerbstoffschönungspräparat I, J, K, L oder M
Dient der Aromafreilegung und der Aromastabilisierung, besonders bei Sortenweinen und Lagenweinen.
7. Hefenährstoff N, O, P, Q, R, S oder T
Je reifer und wertvoller die Traube, desto wertvoller und umfassender die Hefeernährung.
8. Reinzuchthefe U, V, W, X oder Y
Obwohl es also eigentlich so einfach wäre, mache ich es aber trotzdem lieber kompliziert und verlasse mich in aller erster Linie auf die in diesem Rezept nur am Rande erwähnte Hauptzutat: sorgfältig gepflegte, reife Trauben.
Nicht dass ich alle diese Präparate prinzipiell ablehnen würde, aber die allermeisten davon werden bei brauchbarem Lesegut in den allermeisten Fällen entegen der einschlägigen Werbeaussagen einfach nicht benötigt.
Meine Weinlesebestellung beschränkt sich deshalb auch heuer wieder praktisch auf Bentonit und Hefe, und beides wird nicht nach Rezept, sondern sehr selektiv und deutlich unter den empfohlenen Dosagen verwendet.
Um Mißverständnissen vorzubeugen: Die kursiv geschriebenen Textteile sind wörtliche Zitate aus einer Werbebroschüre und widersprechen weitestgehend meinen Überzeugungen.