Wie im ersten Beitrag angekündigt, stelle ich in dieser Serie jene Weinbehandlungsmittel und -zusatzstoffe ausführlich vor, die in unserem Keller bei der Weinbereitung zum Einsatz kommen. Das Gesamtbild unserer „gläsernen“ Weine entsteht dabei nach und nach in der entsprechenden Beitragskategorie und in Form von Querverweisen zu den einzelnen Teilen dieser Serie unterhalb des ersten Beitrages.
Reinzuchthefe
Für die Vergärung der meisten unserer Weine verwenden wir seit Jahren aus verschiedenen Gründen Reinzuchthefe-Präparate. Dabei handelt es sich um Hefezellen, die von Forschungs- und Versuchsanstalten aus einem „spontan“ gärenden Traubensaft selektioniert wurden.
Wie ich hier bereits ausführlich geschrieben habe, gibt es zahlreiche und nicht immer haltbare Argumente für und gegen die Verwendung von Reinzuchthefen.
Nach meinen Erfahrungen mit „meinen“ Hefestämmen und meiner Traubenverarbeitung und -vergärung sollte man die „Gestaltungsmöglichkeiten“ die der Einsatz verschiedener Hefestämme angeblich bietet ebenso wenig überschätzen, wie die Warnungen vor einer angeblichen „Gleichmacherei“ durch die Verwendung des gleichen Hefestammes bei verschiedenen Sorten.
Auch wenn die Werbetexte der Herstellerfirmen auf der einen und die Schwarzmalereien der Spontangärungs-Freaks auf der anderen Seite das anders darstellen, ist der direkte Einfluß der Hefe auf den Wein nämlich relativ gering.
Nach einigen Versuchen in den vergangenen Jahren beschränke ich mich mittlerweile auf vergleichsweise wenige Hefestämme, die sich in unserem Keller gut bewährt haben:
Lalvin EC 1118
Seit fast 20 Jahren haben wir mit diesem Stamm nur positive Erfahrungen. Er ist robust, gärt verläßlich durch und läßt bei normalen Gärtemperaturen die Eigenschaften von Sorte und Lage gut zur Geltung kommen. Herstellerinfo als pdf.
Lalvin Pannonia
Die Pannonia wurde vor einigen Jahren aus einer burgenländischen Hefepopulation selektioniert und ist eine brave Hefe, die auch höhere Alkoholgehalte gut verträgt. Nicht nur wegen ihrer Gäreigenschaften, sondern auch aus pannonischer Verbundenheit kommt sie in unserem Keller gelegentlich zum Einsatz.
Lalvin V 1116 (K1)
Lange Zeit galt diese Hefe als „Universalhefe“ für Weiß- und Rotweine. Ich verwende sie gelegentlich bei Welschriesling, Veltliner oder Rosè. Herstellerinfo als pdf.
Lalvin CY 3079
Die CY 3079 gilt zurecht als gute „Burgunderhefe“ weil sie besonders für die längere Lagerung auf der Hefe (nicht nur, aber auch im Barrique) geeignet ist.
Leider gärt sie nicht immer durch, was mir schon öfter schlaflose Nächte bereitet hat, weil der im Barrique angestrebte Säureabbau beim Weißwein nur mit Weinen ohne Restzucker problemlos verläuft. Trotz dieser Erfahrungen überkommt mich alle paar Jahre der Mut zum Risiko und ich bestelle wieder einmal eine Packung. Herstellerinfo als pdf.
Lalvin L 2056
Die L 2056 ist im Burgenland eine der weit verbreitetsten Rotweinhefen. Sie arbeitet zuverlässig und verkraftet auch etwas höhere Gärtemperaturen recht gut, was in frühen Jahren mit warmen Trauben ein Vorteil sein kann. Herstellerinfo als pdf.
Lalvin D 254
Weil man das erprobte immer wieder hinterfragen muß, habe ich im Vorjahr erstmals auch mit diesem für Rotwein empfohlenen Stamm vergoren. Wenig überraschend gab aber es keine nennenswerten Unterschiede zur L 2056. Herstellerinfo als pdf.
In der Praxis
Reinzuchthefen kommen heutzutage in getrockneter Form auf den Markt. Bevor sie dem Wein zugegeben werden können, müssen die Hefezellen rehydratisiert werden. Dabei werden sie in warmes Wasser eingerührt und für zumindest 20 Minuten stehen gelassen. In dieser Zeit nehmen die Zellen Wasser auf und erlangen ihre volle Aktivität.
Anschließend gibt man sie direkt dem Most zu, wobei darauf zu achten ist, das die Temperaturdifferenz zwischen Hefeansatz und Most nicht zu groß ist. Im Zweifelsfall kühlt man den Hefeansatz mit kleinen Mengen Most langsam ab, bevor man ihn in den Behälter füllt, um den Hefen einen Kälteschock zu ersparen.
Die übliche Dosierung liegt zwischen 10 und 30 Gramm pro Hektoliter (wobei sich die Hefe im Most natürlich weiter vermehrt).
Fazit
Die als Reinzuchtpräparate erhältlichen Hefearten sind ident mit jenen, die auch von Natur aus auf den Trauben und im Keller zu finden sind. Die Zugabe von Reinzuchthefe verhilft den erwünschten Stämmen zu einer raschen Dominanz und unterbindet so die Entwicklung von weniger erwünschten Mirkoorganismen.
Mit Reinzuchthefe vergorene Weine sind daher tendenziell bekömmlicher, weil sie weniger unerwünschte Gärungsnebenprodukte (wie z.B. Histamin) enthalten und meist weniger SO2 zur Stabilisierung benötigen.
Hat jetzt nichts mit dem Thema zu tun, ….
Aber deine Weine waren gestern sehr sehr lecker 😉 und alle die nicht dort waren, selber schuld.
Bernhard,
Du schreibst: „Sie arbeitet zuverlässig und verkraftet auch etwas höhere Gärtemperaturen recht gut, was in frühen Jahren mit warmen Trauben ein Vorteil sein kann.“
Verständnisfrage, ich dachte, dass man während der Maischestandzeit die Trauben eh kühlt, um eine Spontangärung zu vermeiden. Habe ich da was durcheinander bekommen? Gibt es Rotweine, bei denen Du direkt nach der Ernte die Gärung beginnst?
cheers
Felix
Hallo Felix!
Um das offensichtliche Mißverständnis aufzuklären versuche ich mal das Weinbereitungsschema von Weiß- und Rotwein zu vergleichen:
Weißwein:
Maischestandzeit vor der Pressung in einzelnen Fällen (zur Aroma- und Extraktauslaugung) in einer Dauer, die sich in Stunden angeben läßt
Gärbeginn während der Maischestandzeit unerwünscht (und folglich durch kurze Zeitdauer, niedrige Temperatur und evtl. SO2-Einsatz gezielt gebremst), v. a. deshalb, weil eine gärende Maische bzw. ein daraus gepreßter Most nicht mehr ausreichend vorzuklären ist (was Gärfehlentwicklungen begünstigt) und eine Alkoholbildung in der Maische eine (unerwünschte) Tanninauslaugung aus Schale und Kernen begünstigt
Rotwein:
Maischestandzeit vor der Pressung bei allen qualitativ ernst zu nehmenden Weinen, um Farbe und Tannin aus der Schale zu extrahieren; Dauer: wenige Tage bis mehrere Wochen
Gärbeginn bzw. vollständige Gärung auf der Maische grundsätzlich erwünscht, weil der entstehende Alkohol und die Gärwärme die Extraktion begünstigen
rasches Einsetzen der Gärung erwünscht (*), weil dadurch 1. sehr schnell eine Dominanz der echten Weinhefen (egal ob Sponti oder RZH) erreicht wird, die qualitativ problematische Mirkoorganismen keine Chance zur Entwicklung gibt und 2. sehr schnell CO2 entsteht, das die Maische vor Oxidation schützt, weil es sämtlichen Sauerstoff aus dem Behälter drängt
(*)Ausnahme ist die selten und von uns gar nicht praktizierte Kaltmazeration bei Rotwein: Durch Kühlung auf 6 bis 10 °C wird der Gärbeginn mehrere Tage verzögert, um eine Auslaugung von Fruchtaromen ohne Alkohol zu erzielen. Anschließend wird die Maische auf etwa 20°C erwärmt und ein rascher Gärbeginn angestrebt.
Zu deinen Fragen läßt sich also sagen:
Alle unsere Rotweine beginnen die Gärung so schnell als möglich, d.h. binnen 24 Stunden (egal ob Sponti oder RZH). Um diesen raschen Gärbeginn zu erreichen und eine bessere Extraktion von Farbe und Tannin aus der Beerenschale zu gewährleisten, streben wir eine höhere Maischetemperatur an, als beim Weißwein.
Die Gärung wird bewußt nur in ganz seltenen Fällen gekühlt und so steigt die Temperatur von rund 20°C am Anfang der Gärung in der Endphase auf rund 28-32°C an. Je höher die Temperatur, umso mehr Farbe und Tannin, je niedriger, umso feingliedriger die Fruchtaromatik.
Bei großen Behältern, nicht vorhandenen Kühleinrichtungen und hohen Traubentemperaturen (z.B. durch einen frühen Erntebeginn, wo direkt besonnte Trauben auch schon mal jenseits der 30°C liegen können) ist die Gefahr groß, dass man am Ende der Gärung über 32 oder 34°C liegt.
Das ist für einen wucht- (und nicht frucht) -betonten Wein zwar durchaus vertretbar, ist aber für die meisten Hefestämme schon sehr problematisch. Die Gefahr, dass die Hefe durch die Hitze (in Verbindung mit dem Alkohol) geschädigt wird und der Wein nicht ganz durchgärt ist groß. Und Rotweine mit ein paar Gramm Restzucker sind sehr anfällig für die Entwicklung von flüchtiger (Essig)Säure z.B. während des anschließenden obligatorischen biologischen Säureabbaus.
Bei der von mir genannten Hefe ist dieses Risiko wegen ihrer höheren Temperaturtoleranz ein klein wenig geringer. Und das sollte der von dir zitierte Satz eigentlich aussagen.
Grüße
Bernhard