Reife Weine sind kein einfaches Thema. Gehen doch die Geschmäcker bei älteren Jahrgängen noch viel weiter auseinander, als bei aktuellen.
Honigaromen, Trockenfrüchte, Schwarztee, welkes Laub und Petroleum im Bukett eines Weines sind nicht jedermanns Sache. Und weil es heutzutage kaum noch gereifte Jahrgänge auf dem Markt gibt, hat der moderne Weinkonsument auch fast keine Chance mehr, diese Eindrücke kennen- und mit der Zeit vielleicht auch schätzen zu lernen.
Als Weinbauer hat man es da zum Glück etwas einfacher. Selbst wenn man nicht so wie wir seit Mitte der 80er von einigen Weinen jedes Jahrgangs etwas zur Seite legt, besteht doch die Möglichkeit, die eine oder andere Flasche ein wenig länger zu lagern und danach zu verkosten.
Umso erschreckender ist für mich das Unverständnis mancher Kollegen für Weine, die älter sind als ein paar Jahre.
Bei verschiedenen Gelegenheiten in der letzten Zeit wurde mir von Winzerseite ehrlich erstaunt zum Beispiel die Frage gestellt: „Und du willst den Gästen wirklich trockene Weißweine aus den 90ern und 80ern kredenzen?“. Oder ein in Ehren ergrauter 1977er mit folgenden Worten abgetan: „Soetwas kann man doch nicht mehr trinken!“
Um keine Mißverständnisse aufkommen zu lassen: Ich zähle nicht zu jener kleinen Gruppe von Weinfreunden, die das Alter eines Weines per se als Qualitätsmerkmal betrachten. Und ich halte der Fruchtcharme junger Weine auch nicht für etwas, was überwunden werden muß, um wahren Genuss empfinden zu können.
Wein wird nicht automatisch besser, wenn er älter wird. Und ab einem gewissen Zeitpunkt (der allerdings von Wein zu Wein sehr stark schwanken kann) wird jeder Wein schlechter.
Bis dahin durchläuft der Rebensaft aber eine mitunter äußerst spannende und nicht selten auch genussvolle Entwicklung, die man meiner Meinung nach kennen und für die man eine gewisse Wertschätzung aufbringen sollte, wenn man als Weinproduzent seinen Beruf auch nur halbwegs ernst nimmt (und ernstgenommen werden möchte).