Alles Klassenkampf, oder was?

Nach einem Mehrheitsbeschluß des EU-Agrarministerrates müssen ab 2009 auch in Österreich die Bezieher von Agrarförderungen samt genauem Förderbetrag veröffentlicht werden. Dabei erinnern manche Argumente und die Begleitmusik in der öffentlichen Diskussion an die längst vergangen geglaubten Zeiten des Klassenkampfes.

Nicht das ich unkritisch in das mehr oder weniger plumpe Abwehrfeuer der Agrarlobby einstimmen möchte. Dafür stehe ich vielen Funktionären viel zu kritisch gegenüber. Und ich schäme mich auch nicht dafür, von der Allgemeinheit Fördergelder für die Erhaltung und kontrolliert umweltbewußte Bewirtschaftung unserer Weingartenflächen anzunehmen. Wer hier den Fördersatz nachliest und hier unsere Rebfläche kann sich ziemlich leicht ausrechnen, wie viel das ausmacht.

Ja ich bin sogar gerne bereit, die Notwendigkeit und Sinnhaftigkeit des EU-Fördersystems und Vor- und Nachteile von Förderungsobergrenzen für Großbetriebe grundsätzlich zu diskutieren. Aber ich wehre mich gegen die Scheinheiligkeit, die die Befürworter der Veröffentlichung an den Tag legen.

Transparenz im Umgang mit öffentlichen Geldern

Eine Veröffentlichung der Agrarförderungen würde den Steuerzahlern bewußt machen, was mit ihrem Geld geschieht und damit helfen, das bürokratische, bürgerferne Image der EU zu ändern.

Der erste Teil dieses Argumentes ist natürlich grundsätzlich richtig, aber auch ohne Veröffentlichung der exakten Daten ist es ja nicht so, daß die Höhe und der Zweck der Agrarförderungen geheimgehalten wird. Die Förderprogramme lassen sich samt Prämiensätzen ziemlich leicht recherchieren, und mit etwas Ahnung von der Materie ist der dahinterliegende Grundgedanke meist zu erkennen.

Die verschiedenen Fördermaßnahmen für die Landwirtschaft (deren allgemeine oder spezielle Sinnhaftigkeit natürlich diskutiert werden kann) sind nämlich kein Almosen, sondern eng an die Einhaltung bestimmter Richtlinien geknüpft. Viele davon stellen einen Ausgleich für den Einnahmenausfall dar, den der Landwirt durch eine nachhaltigere Bewirtschaftung im Interesse der Allgemeinheit (Landschaftsschutz, Boden- und Grundwasserschutz, Biodiversität,…) hat.

Diese Richtlinien werden in Österreich so streng wie in kaum einem anderen Land der EU kontrolliert. Dabei wurde auch von Seiten der EU immer wieder die Einhaltung aller Auflagen bestätigt.

Damit sollte jedem, der willens ist klar sein, wieviel Geld wofür rechtmäßig ausgegeben wird. Ob die darüber hinaus gehende Info, an wen wieviele Euro und Cent überwiesen werden die Beliebtheit der EU bei den Bürgern dramatisch erhöhen wird, darf bezweifelt werden.

Im übrigen ist tatsächlich nicht einzusehen, warum ausgerechnet die Bezieher von Agrarförderungen veröffentlicht werden sollen, andere Förderbereiche, für die das gleiche Argument der Transparenz gelten würde jedoch nicht. Dabei werden die Agrarfördermaßnahmen von EU, Bund und Ländern regelmäßig kontrolliert, während z.B. die Wohnbauförderungen der Länder an Private aber auch an Wohnbaugenossenschaften kaum nachvollziehbar sind. Und wer welche Geschäfte mit den Förderungen für Windkraftwerke macht, bleibt ebenso im dunkeln.

Sichtbarmachen von Ungerechtigkeiten

Die Darstellung der Förderungsverteilung auf Groß- und Kleinbetriebe könnte helfen, Ungerechtigkeiten zu beseitigen. Großbetriebe beziehen enorme Summen, während Kleinbetriebe weniger Gelder lukrieren können. Die aktuelle Förderpolitik ist beim Verhindern des Strukturwandels in der Landwirtschaft gescheitert und kann das „Bauernsterben“ nicht verhindern.

Wie oben bereits erwähnt, wird ein Gutteil der Förderungen ausbezahlt, um den Zusatznutzen für die Gesellschaft, den die Bauern erbringen abzugelten. Dabei liegt es in der Natur der Sache, dass Betriebe mit einer größeren Fläche mehr Zusatznutzen erbringen und daher auch eine höhere Entschädigung dafür erhalten. (Das es dabei aus verschiedenen Gründen eine Obergrenze geben sollte ändert nichts an diesem Grundsatz.)

Einem Bauern einen Vorwurf daraus zu machen, dass er mehr flächenbezogene Fördergelder erhält, als sein Berufskollege, der nur einen Bruchteil seiner Fläche bewirtschaftet ist daher nichts anderes, als das Schüren von Neid. Genausogut könnte man dem (im internationalen Vergleich in Österreich immer noch kleinen) Großbauern gleich seinen Grundbesitz vorwerfen. Aber das würde natürlich auch dem Ahnungslosesten sofort das wahre Motiv eröffnen…

Was würde sich ändern, wenn es für die die Kleinen deutlich mehr und für die Großen deutlich weniger Geld gäbe? Der Strukturwandel wäre möglicherweise ein klein wenig zu bremsen, sicher aber nicht aufzuhalten. Die mangelnde Wirtschaftlichkeit von landwirtschaftlichen Kleinstbetrieben läßt sich auch mit viel Fördergeld ebensowenig aus der Welt schaffen, wie der zunehmende Rationalisierungsdruck und die geringe Motivation vieler Erben von kleinen landwirtschaftlichen Grundstücken, diese auch zu bewirtschaften.

Dafür käme es zu einer massiven Wettbewerbsverzerrung zulasten jener Betriebe, die sich als leistungs- und lebensfähig erwiesen haben und bei denen es in vielen Fällen auch eine gesicherte Nachfolge gibt. Jener Betriebe, die im internationalen Vergleich immer noch klein und familiär geführt sind, und die den größten Anteil an der Nahrungsmittelproduktion, der Landschaftspflege und dem Umweltschutz haben.

Datenschutzbedenken unangebracht?

Auch wenn es den meisten Bauern anders lieber wäre, stellen Agrarförderungen einen mehr oder weniger großen Teil ihres Einkommens dar. Während sich aber viele, die ihr Einkommen aus öffentlichen Geldern beziehen auf den Datenschutz berufen dürfen, fordert man von den Landwirten die gläserne Brieftasche.

Dabei hätte ich als Steuerzahler den gleichen Anspruch darauf, zum Beispiel zu erfahren, wer warum wieviel Frühpension von den staatsnahen Betrieben ÖBB, Post und Telekom erhält und welcher Manager warum welchen goldenen Handshake (obwohl mich das nur allgemein, nicht aber im Detail interessiert).

Die in Sachen Agrarpolitik unverdächtige Österreichische Gesellschaft für Datenschutz schreibt hier unter anderem:

Die geplante Veröffentlichung von EU-Agrarförderdaten erweist sich somit als rechtlich überaus problematisch und ist eher als fragwürdige populistische Aktion zu verstehen. Die Ausgestaltung von Fördermaßnahmen ist letztendlich eine politische Entscheidung, warum es nötig sein soll, dass jeder Bürger konkret von jedem anderen wissen kann, wie viel dieser an Förderung bezieht, ist in keiner Weise nachvollziehbar.

Schreibe einen Kommentar

Time limit is exhausted. Please reload the CAPTCHA.