Auch die geübtesten (Blind-)Verkoster sind nur Menschen. Und den besten von ihnen ist immer bewußt, dass irren zum Menschsein dazugehört und es in (Wein-)Geschmacksfragen niemals eine richtige, eine alleingültige Meinung geben kann.
Verkostungserlebnisse, die mich daran erinnern, zählen deshalb zu meinen wichtigsten Erfahrungen:
Gut gehalten
Im Sommer 1994 war ich mit dem Absolventenverband meiner Weinbauschule knapp zwei Wochen in Kalifornien unterwegs und habe dabei zahlreiche Weingüter besucht.
Nicht zuletzt weil der Dollar damals günstig stand, war mein Koffer beim Heimflug um 10 Flaschen der besten Weine Kaliforniens aus den Jahrgängen 1989 und 1990 schwerer.
Diese Trophäen wollten natürlich im richtigen Rahmen präsentiert werden, und deshalb begann ich schon bald nach der Reise mit der Planung einer großen Blindprobe im Frühjahr 1995. Auch mein erster selbstvinifizierter Wein, ein Cabernet Sauvignon 1993, der damals noch im Faß lag, sollte natürlich unbedingt dabei sein.
Damit er aber nicht sofort wegen seiner Jugend aus der Reihe fallen würde, ließ ich mir etwas Besonderes einfallen: Ein halbes Jahr vor der Verkostung füllte ich eine Flasche zu drei Viertel mit einer Faßprobe meines Cabernet und lagerte diese bei (warmer) Zimmertemperatur bis zum Tag der Verkostung.
Diese künstliche Alterung mit viel Luftkontakt hätte natürlich auch daneben gehen können. Aber als ich die Flasche ein paar Stunden vor der Probe öffnete, war sie weder oxidativ noch zu Essig geworden. Deshalb durfte ihr Inhalt dann auch noch in eine Karaffe und erhielt einen ganz besonderen Platz in der Serie.
Bei der Verkostung von jeweils drei Weinen nebeneinander stellte ich meine „Spezialabfüllung“ zwischen Opus One 1990 und Mondavi Cabernet Sauvignon Reserve 1990 (oder Chateau Montelena 1989, ganz genau weiß ich das nicht mehr), und siehe da, trotz der vorangegangenen Roßkur fiel die Faßprobe meines Cabernet 1993 weder als zu jung auf, noch qualitativ ab.
Meine Gäste, allesamt geübte Verkoster, konnten dem Piraten durchaus etwas abgewinnen, und ein Kollege sah in damals sogar als Besten der Serie. Umso größer war die Verblüffung, als ich beim Aufdecken der Weine die Geschichte meiner „Spezialabfüllung“ erzählte.
Eine frisch gezogene (und damit realistische) Faßprobe des gleichen Weines habe ich damals übrigens ebenfalls in die Kalifornien-Verkostung geschmuggelt. Auch sie wurde trotz starker Konkurrenz durchaus wohlwollend bewertet.
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