Seit die Menschheit Geschmack und Wirkung des vergorenen Traubensaftes entdeckt hat, dient der Wein nicht nur kultischen Zwecken und der Ernährung, sondern immer auch der Unterhaltung.
Während aber die ersten beiden Trinkanlässe durch Veränderungen in Spiritualität und Konsumgewohnheiten gerade in den letzten Jahrzehnten stark abgenommen haben, stieg die Bedeutung des Weines als Faktor der Unterhaltung stark an.
Lange Zeit ging es dabei vor allem um die positive Wirkung des Weines auf die Geselligkeit und Gesprächsbereitschaft. Er diente quasi als Mittel zum Zweck eines anregenden und angeregten Austausches über alles mögliche. In den letzten Jahren rückt der Wein aber mehr und mehr in den Mittelpunkt, und wird immer öfter selbst zum Thema.
Diese Entwicklung hat zweifellos ihre positiven Seiten. Sie führt zu einer intensiveren Beschäftigung vieler Konsumenten mit dem Produkt Wein, und fördert damit jene Produzenten, deren Weinqualität eine derartige Beschäftigung überhaupt lohnt.
Je mehr der Wein also zum Gesellschaftsthema wird, umso größer sind die Chancen für Winzer, die mehr auf Qualität als auf Masse setzen. Und umso besser deren Verdienstmöglichkeiten.
Legt man aber als Produzent seinen Vermarktungsschwerpunkt all zu sehr auf die Entwicklung des eigenen Produktes zum Lifestyle-Artikel für die genussaffine Mittel- und Oberschicht, muß man auch den Regeln dieses Marktes folgen, um längerfristig erfolgreich sein zu können.
Die Arbeit am eigenen Image und eine regelmäßige Medienpräsenz ist dabei, wie in allen Sparten der Unterhaltungsindustrie, unerläßlich. Nur wer es schafft, den Meinungsmachern der Szene laufend neue Themen zu servieren, um sich vom soliden Mittelfeld der Weinwirtschaft abzugrenzen, kann seinen Platz in den Trendkolummnen der Weinfreaks behaupten.
Modeströmungen und Zeitgeist spielen dabei naturgemäß eine wichtige Rolle, auch wenn sie gerade in der Weinbranche gerne zur Rückbesinnung auf die Tradition umargumentiert werden.
Da kann es schon mal passieren, dass ein Protagonist der Weinherstellung mit modernster Technologie innerhalb kürzester Zeit biodynamisch erleuchtet wird. Dass der wortgewaltige Kämpfer gegen industriell hergestellten Massenwein seinen eigenen Herbizideinsatz zum Bioweinbau umdeutet. Dass ein Winzer, der die traditionelle Art der Reifung von Wein in Fässern jahrelang aus seinem Keller verbannt hat, die uralte segensreiche Wirkung von Tonamphoren auf sein Produkt entdeckt.
Dass ein Produzent zuerst so öffentlich wie möglich gegen die Sortenbezeichnungsvorschriften des Weingesetzes verstößt, und dann die folgenden Sanktionen der Weinkontrollbehörde als Anschlag auf uralte Sortentraditionen medial auszuschlachtet. Dass ein Gebietsverband den deutlichen Weinstilwandel seiner Region unkommentiert läßt, sich aber bemüßigt fühlt, seinen Mitgliedern publikumswirksam untraditionelle Weinbereitungsmethoden zu verbieten die nach dem österreichischen Weingesetz ohnehin nicht zulässig sind. Dass…
Es steht mir freilich nicht zu, an den heren Beweggründen zu zweifeln, die meine Berufskollegen solche und ähnliche – in aller Regel sehr medientaugliche – Themen aufgreifen lassen. Allerdings wäre es wohl das allererste Mal in der Menscheitsgeschichte, wenn es nicht da oder dort auch den einen oder anderen kommerziellen und/oder weniger ehrenhaften Hintergrund geben würde.
Unabhängig von den Motiven führt diese Entwicklung aber auf jeden Fall dazu, dass es immer größere, pompösere und gelegentlich auch abstrusere Kulissen braucht, um vom Fachpublikum überhaupt noch wahrgenommen zu werden.
Dass also die Inszenierung wichtiger wird, als das Stück und sein Hauptdarsteller, der Wein im Glas.
Wie schon in einer anderen Branche der Unterhaltungsindustrie geben solche Tendenzen auch beim Wein der „Unplugged“-Begwegung einen gewissen Auftrieb. Und wie in der Musik sind dabei auch unter den Winzern jene am erfolgreichsten, die ihren Verzicht auf die Inszenierung besonders gekonnt inszenieren…
Hallo Bernhard,
Du hast ja wieder Ideen für drei Artikel. Bitte verzeih wenn ich nur auf den Aufhänger anspringe.
Du sprichst einen Punkt an, der in den Diskussionen der Laien und Profis im Netz und auch im realen Leben leider allzu oft völlig vergessen wird. Wir sprechen nur über einen kleinen Teil des Markts, in dem die Produzenten sich der Erzeugung von Qualitätswein verschrieben haben. Der große Rest der Mehrheit bleibt fast völlig außen vor.
Daß die Gemeinde der Vinophilen diese Vorselektion getroffen hat, ermöglicht ihr zwar viel und lang über Wein zu reden – und ich rede gerne viel und lang über Wein – aber den großen Teil der Weintrinker (noch) nicht erreicht.
Ein besonderes Erlebnis dieser Art war für mich, als ich eine Verkostungsnotiz über einen Wein aus dem Tetra-Pack veröffentlichte und einen zustimmenden Kommentar bekam, von jemand, der im Netz nach einer Beschwerdeadresse zu diesem Wein gesucht hatte…