Wein hat viele faszinierende Seiten. Als ich mir das Thema dieser Etappe der Weinrallye überlegt habe, sind mir innerhalb weniger Minuten mühelos genug spannende Aspekte für eine kleine Serie als Rallye-Vorankünder eingefallen.
Guter Wein beschert dem Trinker ein außerordentliches Geschmackserlebnis. Er verbreitet Glanz und Glamour, hat nicht zuletzt dank seinem kulturellen und historischen Hindergrund eine geradezu mysthische Aura und die Fähigkeit, Jahrzehnte zu überdauern.
Ohne einen edlen Tropfen schmeckt das beste Essen nur halb so gut, und faszinierenderweise ist die Vielfalt so groß, dass man wohl jeden Tag seines Lebens einen Wein trinken könnte, den man noch nie zuvor im Glas gehabt hat.
Spannend ist aber auch die Metamorphose von der Traube zum Wein, und die Fähigkeit der Reben, den Geschmack von Klima, Lage und Boden zu transportieren. Die vielen Persönlichkeiten und das mehr oder weniger Big Business dahinter sowieso.
Obwohl auch ich all diese Facetten zu schätzen weiß, macht die Faszination am Wein für mich etwas ganz anderes, für Nichtwinzer vielleicht kaum verständliches aus. Meine Begeisterung für das Thema hat nämlich weniger mit dem fertigen Inhalt der Flasche zu tun, als mit seinem Entstehen.
Es mag eigenartig klingen, aber mich fesselt die Aura unserer Weingärten mindestens ebenso sehr, wie deren Endprodukt.
Gesunde, gut gepflegte Reben auf Grundstücken, von denen jedes seine eigene Familiengeschichte hat, und einem Boden, dessen Geheimnissen wir langsam auf die Spur kommen.
Alltägliche Handgriffe, oft geübt, und trotzdem immer wieder hinterfragt und von Zeit zu Zeit verbessert. Jedes Jahr das Gleiche und trotzdem immer wieder anders. Freude und Leid, Hoffen und Bangen und am Ende das gespannte Warten auf die erste Verkostung der jungen Weine.
1993, in meinem ersten Jahrgang, war das auch schon so. Damals durfte ich unseren Cabernet-Weingarten den ganzen Sommer über in Eigenregie bearbeiten, und diese Faszination hält bis heute an.
Wenn jetzt zur Feier des Weinrallye-Tages ein Glas Cabernet Sauvignon 1993 vor mir steht, erscheinen viele Bilder von damals vor meinem geistigen Auge:
Die mächtige Laubwand der starkwachsenden jungen Reben. Der leichte Hagelschlag im Juni, dessen Schäden ich durch besonders genaues Ausdünnen auszumerzen versucht habe. Die Weinlese, bei der mein längst verstorbener Opa dabei war.
Ohne diese Erinnerungen wäre der Wein in meinem Glas nur ein braver Roter. Erstaunlich jugendlich zwar für sein Alter, mit reifen Beeren, etwas Paprika und einem sehr fein eingebundenen Holzeinsatz. Aber sicher kein „großer“ Wein.
Meine Erinnerungen an seine Entstehung machen ihn aber für mich trotzdem zu einem faszinierenden Erlebnis.
Wunderbarer Artikel, da kann man richtig mitfühlen, was so ein Winzerherz alles bewegt.
Gruß Ben