Weinwerbung wie sie nicht sein sollte

Schon blöd: Da traut sich endlich jemand über einen Wein-Werbespot ohne urige Winzerglückseligkeit und tappt damit voll ins Fettnäpfchen.

Nur wenn man auch negative Werbung als Erfolg betrachtet, kann man im Fall des Radio-Spots für den Weinviertel DAC von einer gelungenen Kampagne sprechen. Das Echo der Berichterstattung ist weitgehend negativ und auch die Kommentare sind nur zum Teil wohlwollender.

Aber worum geht es eigentlich:

Die Österreichische Weinmarketinggesellschaft ÖWM hat in Zusammenarbeit mit dem Weinviertel im Vorjahr und heuer folgenden Radiospot im „Jugendsender“ Ö3 ausstrahlen lassen:

„Heute ist Montag, schon wieder so ein Montag. Wissen Sie, wie Sie diesem Montag etwas „Pfefferl“ geben können? Am besten glasweise, mit einem Grünen Veltliner aus dem Weinviertel, Weinviertel DAC, Österreichs pfeffrigster Wein.“

Während der Spot im Vorjahr kein besonderes Echo hervorgerufen hat, gehen heuer die Wogen hoch. Kritische Experten sehen in der Formulierung eine Darstellung von Alkohol als Problemlöser und eine Verharmlosung von Alkoholmißbrauch.

Der Kurier schreibt von einer Werbung für das „Montags-Achterl“, der Standard davon, daß Wein als Antidepressivum beworben wird und die Tele2-News davon, daß der umstrittene Werbespot nicht mehr gesendet werden soll. Auch Networld, der ORF Niederösterreich, Österreich und die Salzburger Nachrichten berichteten (zumindest online) nicht gerade positiv.

In der Blogger-Szene hingegen herrschen nicht nur kritische Stimmen vor: Winzerblog und Drink-Tank halten die Medienberichte für grotesk bzw. für einen Sturm im Veltlinerglas.

Der Polit-Blogger Kritikus hingegen sieht in dem Spot eine Anleitung zur Alkoholsucht und aus der Ironie von Weincasting mag schlau werden, wer will.

Ich persönlich kann die Kritik an dem Spot durchaus nachvollziehen. Schon im Vorjahr empfand ich ihn (ganz ohne medialen Begleitrummel) als nicht unbedenklich, gewagt und vor allem peinlich, weil die „Coolness“ die er verbreiten will sehr gekünstelt wirkt und meiner Meinung nach nicht zum beworbenen Produkt paßt.

Nachdem ich mich in den letzten Wochen relativ umfangreich mit dem Thema Alkoholmißbrauch beschäftigt habe, halte ich den Spot heute für untragbar.

Natürlich wird niemand nur durch das Hören dieses Textes zum Alkoholiker. Aber der Spot ist ein kleiner Mosaikstein im gefährlich falschen Bild, das manche von Alkohol haben. Und es ist langfristig gesehen ein Bärendienst von Weinviertel DAC und ÖWM an der österreichischen Weinwirtschaft, an diesem Bild mitzuwirken.

Diesen TV-Spot der Brauerei Ottakringer halte ich allerdings für noch viel gefährlicher. Die Bierflasche, die Trost und Rat spendet…

Schon interessant, daß ich darüber noch keine negativen Presseberichte gelesen habe. Am dramatisch höheren Werbebudget der Bierindustrie wird es ja wohl nicht liegen, oder?

9 Gedanken zu „Weinwerbung wie sie nicht sein sollte“

  1. Bernhard, wenn du deinen Gedanken weiterdenkst, wäre es dann nicht so das jegwelche Art der Alkoholwerbung Grundsätzlich bedenklich ist?
    Werbung möchte IMMER Lust auf ein Produkt machen.
    Denk doch an die Zigaretten, dort fing alles ganz harmlos mit dem Werbeverbot an, inzwischen sind die Warnhinweise auf der Schachtel, der Kauf von Zigaretten ist erschwert. Raucher dürfen nicht mehr rauchen wo sie wollen, selbst dort wo sie niemanden gefährden wie am leeren Bahnhofsteig ist es verboten, Raucher bekommen mehr und mehr das Image eines Junkies.
    Ursprung der Raucherverfolgung war es, Jugendliche von diesem Konsum abzuhalten, schau nur was daraus geworden ist und noch werden wird.
    Wenn die Meinung von Suchtexperten Mehrheitsfähig würde, können wir unsere Weinberge roden und Salat anbauen, denn für die ist Wein einfach nur eine Droge, nicht mehr und nicht weniger.

  2. Thomas, strenggenommen ist Alkoholwerbung, in der Alkoholkonsum glorifiziert wird, ja auch problematisch, wenn es einen Teil in der Bevoelkerung gibt, der sich selbst nicht wirkungsvoll vor Sucht schuetzen kann. Dazu zaehlen selbstverstaendlich Kinder, aber eber auch alkoholkranke, also abhaengige Menschen. Hier hat die Gemeinschaft ihrer Fuersorgepflicht nachzukommen und die Menschen ggf. vor sich selbst zu schuetzen. – Es wuerde jetzt zu weit fuehren, aber man darf sich durchaus ueberlegen, wieso es in unserem Kulturkreis zwar als Untergang der Zivilisation verstanden wird, wenn ein Heroinabhaengiger mit der Nadel im Arm in der Gasse herumliegt, der junge Kerl aber, der sturzbetrunken durch die Fuzo wackelt und alle paar Meter reihert, lediglich „Einen ueber den Durst“ getrunken hat (wohl auch, weil es ihm „schmeckt“ bzw. weil er es „genossen“ hat).

    Wenn du also schreibst, dass Rauchern mittlerweile das „Image eines Junkies“ anhinge, dann stimmt das schlicht nicht. Ein Junkie ist ein verwahrloster Abhaengiger, desses Sucht nach einer (verbotenen, nota bene) Substanz die soziale Aechtung gebracht hat und der deshalb in der Gosse lebt. Ich habe mich nie diskrimiert gefuehlt, falls ich irgendwo nicht rauchen durfte – auch wenn es mich natuerlich aufgeregt hat, aber das Wort „diskriminiert“ ist einfach daneben fuer so eine Lappalie. Die Warnhinweise auf den Schachteln dienen auch nicht dazu, *mich* zu erschrecken, sondern die kleinen Kinder, die sonst vielleicht doch das Rauchen anfangen. Auch hier ist die Gesellschaftsrelevanz nicht abzustreiten, zumal es hier (wie bei Alkohol) auch um Krankheiten wie Krebs usw. geht, die durch den Konsum induziert werden koennen (auch bei Nichtkonsumenten, unwitzigerweise). Von besoffenen Autounfallverursachern reden wir mal nicht, nur soviel: es sind dies alles vermeidbare Risiken. Beim Rauchen verstehe ich nicht, weshalb Leute es pertout als ihr natuerliches Recht verstehen, andere zu beeintraechtigen. Ueber das Gemeinschaftsverstaendnis solcher Leute will ich lieber nichts wissen.

    Wenn man nun den Konsum von Alkohol in der Werbung zur Problemloesung vorschlaegt, dann ist eine rote Linie ueberschritten worden – weil explizit der *Konsum in Verbindung mit Problemen*, also das klassische Suchtprofil bedient wird. Suechtige (und potentiell Suechtige) sind sowieso nicht fuer Ironie empfaenglich, sondern versuchen stets, ihre Sucht auch noch mit den fadenscheinigsten „Argumenten“ zu „rechtfertigen“, und denen kommt eine scheinbar gesellschaftlich tolerierte Sicht auf Drogenkonsum (wieso nur Alkohol und nicht auch Heroin?) gerade recht. Selbst wenn „wir“ Nichtabhaengigen den Werbespot witzig finden (ich tue es nicht), so ist es bestenfalls verschwendete Ironie, schlimmstenfalls aktive Verhoehnung derer, die sich nicht im Griff haben. Oder macht San Francisco neuerdings Werbung mit der Golde Gate Bridge, weil man sich da so schoen hinunterstuerzen kann? Was fuer ein Menschenbild steckt denn dahinter?

    Noch ein Letztes: Ich bin natuerlich nicht tief genug drin in der Suchtthematik und was die Suchtexperten so alles sagen, aber ich bezweifle sehr, dass es kanonische Meinung jener Experte sein soll, dass „Wein einfach nur eine Droge“ sei. Aus Sicht der Alkoholsuchtpraevention ist natuerlich jedes Produkt problematisch, dass Alkohol enthaelt, rein formal betrachtet. Aber geht „unsere“ Argumentation nicht genau in die Richtung, dass wir Wein doch nur wegen seines guten Geschmacks und nicht wegen der berauschenden Wirkung trinken? Und falls wir einknicken und zugeben, dass der sanft gemuetshebende Effekt eines guten Weins vielleicht doch *auch* am Alkohol liegt (kooperativ mit allen anderen Faktoren, natuerlich), sind wir dann schon suechtig oder noch nicht oder was? Im Dickicht der sozialen Wahrnehmung von Alkohol (nicht als Rauschmittel, sondern geradezu als Grundnahrungsmittel, etwa Bier) ist es extrem schwer, eine klare Grenze zwischen „noch Genuss“ und „schon Sucht (nach Genuss)“ und weiter „Sucht nach unmittelbarer (betaeubender, euphorisierender) Wirkung“ zu ziehen. Und Leuten, denen diese Trennung schwer faellt, sollte geholfen werden – von der sich kuemmernden Gemeinschaft und nicht durch den daemonisierten „Staat“ (nur schlechte Republikaner trennen beides). [Dass man es billigerweise bei einer Kriminalisierung oder anderer oberflaechliche Dinge belaesst, ist ein Problem, ueber das man reden sollte. Dummerweise finden sich keine Meinungsfuehrer fuer solche Diskurse, weil man sich lieber auf knallige Effekte verlaesst. Darueber schreiben unsere Grossdenker natuerlich nicht. Woran das wohl liegt?]

    Persoenlich finde ich es extrem gut, dass eine Person, die vom Erzeugen und Verkauf alkoholhaltiger Produkte lebt, so klar Stellung bezieht und nicht den geringsten Zweifel daran laesst, wo die „Geniesser“ stehen: Im Zweifel auf der Seite derer, die sich selbst nicht schuetzen koennen. Bravo Bernhard!

    Cheers,
    Ollie

  3. Hallo Thomas!

    Natürlich möchte Werbung immer Lust auf ein Produkt machen. Die Frage ist nur, WEM sie diese Lust machen möchte und MIT WELCHEN MITTELN. Zugegeben, eine Trennlinie zwischen „gut“ und „Böse“ ist bei Alkoholwerbung nicht leicht zu ziehen. Aber der Spot ist (nicht nur) für mich auf jeden Fall auf der falschen Seite dieser Linie.

    Es gibt genügend Möglichkeiten, Wein trendy zu präsentieren, ohne auch nur den Anschein zu erwecken, er könnte Probleme lösen. Und ohne darauf zu verzichten, darzustellen, daß es um den zelebrierten, maßvollen Genuß geht. Und nicht um das schnelle Achterl zwischendurch.

    Ich kenne die Entwicklungen bei den Zigaretten und finde einige davon sehr begrüßenswert (Rauchverbote in der Gastronomie,…) und andere nicht gerade sinnvoll, aber auch nicht weltuntergangsverursachend (Warnhinweise, generelle Werbeverbote).

    Aber nicht trotzdem, sondern gerade deshalb finde ich es gut, daß dieser Spot kritisiert wird. Ich bin nämlich der Meinung, daß sich auf lange Sicht sachliche, vernünftige Argumente durchsetzen, auch bei der Diskussion um den Alkohol:

    Alkoholkonsum ist mit dem Rauchen nicht wirklich vergleichbar. Wie ich hier bereits geschrieben habe, ist das Phänomen des Passivtrinkens unbekannt (wenn man vom Mitleiden der Angehörigen von Alkoholikern absieht) und dort, wo Alkohol Unbeteiligte schädigen könnte, also im Straßenverkehr, ist er bereits wesentlich länger und wesenlich strenger gesetzlich eingeschränkt als das Rauchen. Außerdem KANN moderater Alkoholkonsum im Unterschied zum Nikotin positive Auswirkungen auf die Gesundheit haben.

    Radikale Einschränkungen und Maßnahmen führen beim Alkoholmißbrauch nicht wirklich zum Ziel. Das kann man aus den Erfahrungen der US-Prohibition genauso lernen, wie aus den Sauffahrten der Skandinavier ins Ausland. Wirksam ist nur ein Mix aus optimiertem Jugendschutz, Aufklärung aller Altersgruppen ohne Alkohol grundsätzlich zu verteufeln, moderate Begleitmaßnahmen und eine dadurch langfristig erreichbare Änderung der Trinkmentalität. Diese Mentalität muß den maßvollen, zurückhaltenden Genuß in den Vordergrund stellen und nicht regelmäßige Alkoholexzesse bei Erwachsenen augenzwinkernd entschuldigen.

    In diesem Szenario hat der Qualitätswein exzellente Karten. Er gilt wegen seines höheren Alkoholgehaltes nicht so stark wie Bier als „Getränk gegen den Durst“, hat ein Preisniveau, das ganz ohne Strafsteuern Jugendliche nicht wirklich anspricht und eignet sich hervorragend als Speisenbegleiter. Außerdem KANN speziell Wein bei moderatem Konsum nachgewiesenermaßen positve Auswirkungen auf die Gesundheit haben.

    Wenn die Weinbranche aber meint, sich als Problemlöser positionieren zu müssen, wird sie es kaum schaffen, mit diesen guten, auch wissenschaftlich durchaus haltbaren Argumenten Gehör zu finden.

    Und sie wird es nicht schaffen, überzogene Anti-Alkohol-Maßnahmen abzuwenden, wenn sie die vernünftigen Maßnahmen nicht rechtzeitig und von sich aus akzeptiert. Dazu gehört auch das Zeigen der beim Thema Alkoholmißbrauch angebrachten Sensibilität. Und, sorry, „Gebt den Suchtexperten ein Gläschen Veltliner, dann wird dieses entrückte Entsetzen einer beschwingten Entspannung Platz machen“ zeugt nicht gerade davon.

    Grüße

    Bernhard

  4. Wehret den Anfängen!

    Nicht ohne Grund gab es Prohibition in den USA, nicht ohne Grund werden Genuß- und Rauschmittel von einer körperfeindlichen Extremistenschar verteufelt, die oft mit „Gottes Segen“ Ölkriege führt – und nicht zuletzt deshalb haben wir Europäer in den letzten paar Jahrhunderten diese Typen immer auf Schiffe gesetzt und von good old europe vertrieben. Berauschung war – ob es gefällt oder nicht – immer Teil unseres Lebens.
    Wenn Sie nun – Hr. Fiedler – diesen Spot für untragbar halten – roden Sie Ihren Weingarten und quittieren endlich Ihren bezahlten Job als Weinlektor und werden Sie Portier im Anton Proksch Institut. Da können Sie sich täglich überzeugen, dass Sie in der Vergangenheit schwer gesündigt haben, Sie
    Pharisäer Sie!

  5. Sehr geehrter Herr Bernie (oder wie immer Sie wirklich heißen mögen)!

    Anders als Sie habe ich mir die Mühe gemacht, meine Meinung sachlich und, wie ich meine durchaus nachvollziehbar zu begründen. Das Sie anderer Meinung sind, ist Ihr gutes Recht.

    Die Sache ins Persönliche zu ziehen, steht Ihnen allerdings nicht zu, und zeigt wohl auch, wie wenig Sie sich mit meinen Gedanken beschäftigt haben und/oder wie wenig sachliche Argumente Sie dagegen anführen können.

    Was meine Nebentätigkeit als Vortragender betrifft (die hier eigentlich gar nichts zur Sache tut), so weiß ich mich durchaus auf dem Boden des Ehrencodex der Weinakademiker, der u.a. besagt:

    Weinakademiker verpflichten sich das Kulturgut Wein zu achten und im Umgang mit Wein – beruflich oder privat – den höchsten ethischen Ansprüchen zu folgen.

  6. Meine Antwort zu deinem und Ollis Kommentar kommt bald Bernhard, ich bleib sie nicht schuldig. Aber du und Olli habt gut argumentiert, da brauch ein bischen Zeit zum erwiedern 🙂

  7. Hallo,

    die Werbung für alkoholische Produkte ist in meinen Augen immer darauf ausgerichtet, das viel konsumiert werden soll.
    Da wird ein fehlendes Selbstbewußtsein als Grund suggeriert oder eben die himmlische Freiheit, die diese bewußtseinsverändernde Droge biten kann.

    Zum Schutz unserer Jugendlichen, die sich gerne manipulieren lassen, sollte die Alkoholwerbung grundsätzlich verboten werden.

    Gruß
    Karsten

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