Liefertradition

Morgen Freitag beliefern wir wieder einmal unsere Stammkunden in Oberösterreich. Etwa alle sechs bis sieben Wochen machen wir uns gegen vier Uhr früh auf den über 300 Kilometer langen Weg und stellen unsere Weine selbst zu. Je nach Tour kommen wir erst gegen Abend oder manchmal sogar erst nachts wieder nach Hause.

Logistikberater werden darüber wohl nur den Kopf schütteln. Nicht ganz zu unrecht, denn es gibt genügend Argumente die gegen diese mühsame Form der Distribution sprechen. Auch wir beliefern nur einen Teil von Oberösterreich regelmäßig und Tirol, Wien und die Steiermark in zwei oder drei Schwerpunktfahrten pro Jahr.

Die Eigenzustellung hat nämlich auch Vorteile für uns Weinbauern: Sie bietet eine kurze, manchmal aber auch etwas längere Kontaktmöglichkeit mit den Leuten, die gerne unsere Weine trinken, aber nicht oder nur ganz selten zu uns nach Mörbisch kommen (können). Diese Möglichkeit des beiderseitigen Kennenlernens liefert kein Paketversand.

In unserem Stammgebiet in Oberösterreich gehen einige Kontakte dieser Art mittlerweile in die dritte Generation, zum Teil sogar auf beiden Seiten. Bereits mein Großvater väterlicherseits begann nämlich unter abenteuerlichen Umständen (VW-Doppelkabine mit 32 PS, 300 Kilometer ohne ein Stück Autobahn,…) in den 60er Jahren mit der Weinzustellung nach Oberösterreich, nachdem ihm eine Bekanntschaft aus den 30er-Jahren einige Kunden vermittelt hatte.

Im Freundeskreis dieses Herrn war auch ein Finanzbeamter, der Kraft seiner Funktion (und auch privat) alle Gasthäuser der Region kannte und selbst eine hohe Bekanntheit genoß. Er sorgte immer wieder dafür, daß der Name Fiedler ins Spiel kam, wenn ein Wirt einen neuen Weinlieferanten suchte. Und wenn ein Gasthof oder ein privater Weinfreund gute Weine hat, spricht sich das herum…

Damals begleitete mein Vater den seinen so wie ich heute ihn. Dazwischen sind wir sogar einige Male zu dritt gefahren. Viel hat sich seither verändert: Der Weinstil, das Trinkverhalten und die Verkehrsverbindungen ebenso wie die einzelnen Menschen, denen wir unsere Weine bringen.

Auch wenn man sich meist nur flüchtig kennt, hat man über einen so langen Zeitraum doch Anteil an deren Leben. Aus Familienvätern und -müttern werden Omas und Opas, aus kleinen Kindern werden junge Erwachsene, die sich plötzlich auch für Wein interessieren. Und von Zeit zu Zeit erreicht uns auch die Nachricht vom Tod eines langjährigen (Wein-)Bekannten.

Diese Art der Verbundenheit mit seinen Kunden bieten heutzutage nicht mehr viele Berufe. Schön, daß der Weinbau auch in Zeiten sich dramatisch ändernder Vermarktungsstrukturen noch ein bißchen Platz dafür läßt.

2 Gedanken zu „Liefertradition“

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