…sind für Winzer wie für Weinliebhaber eine spannende Sache.
Vergangenen Montag war es wieder einmal soweit: über 130 Winzer aus dem Burgenland präsentierten in der Wiener Hofburg den neuen Jahrgang (ergänzt durch einige Vertreter aus den Vorgängerjahren).
Da man als Nicht-Promi-Winzer bei solchen Veranstaltungen nicht immer ausgelastet ist, hatte ich die Gelegenheit, meine Theorie zur Typologie der Aussteller und Besucher weiter zu verfeinern:
Die Aussteller:
Der Chaot
Der Chaot kommt zu Messen und Präsentationen immer zu spät und geht meist vor Ende der Veranstaltung. In der Regel hat er andere Weine mit, als die, die er Monate zuvor für den Verkostungskatalog angemeldet hat, was aber offenbar weder ihn, noch seine Besucher allzusehr stört.
Sein Stand ist nämlich verblüffender Weise trotz dieses unhöflichen und unprofessionellen Verhaltens meist gut besucht. Nicht nur einmal konnte ich Weinfreunde beobachten, die geduldig auf das Erscheinen des Meisters warteten oder den Stand so oft besuchten, bis sie das Glück hatten, ihn tatsächlich anzutreffen.
Der Sportliche
Dabeisein ist alles, lautet das Motto des Sportlichen. Er erscheint pünktlich am Ort des Geschehens, baut seinen Stand auf, öffnet seine Flaschen und kostet sie vor. Nach einer halben Stunde hält es ihn aber kaum noch an seinem Platz und er begibt sich auf mehr oder weniger ausgiebige Verkostungstouren zu den Kollegen.
Sein Messestand ist währenddessen verwaist, und nur gelegentlich kehrt er für kurze Zeit zurück, um sich den Besuchern zu widmen. Zeigen diese Eigeninitiative und schenken sich selbst ein, ohne den Winzer dabei in Anspruch zu nehmen ist ihm das nur Recht.
Der Großzügige
Er agiert nach der alten Winzerweisheit: „Wein ist billig, weil den hat der Winzer selbst. Wasser ist teuer, weil das muß er kaufen.“ Wo andere Winzer zwei oder drei Verkostungsflaschen pro Wein benötigen, findet der Großzügige mit einem Zwölferkarton nicht das Auslangen.
Während der Großzügige bei den Besuchern, die eher trinken als kosten wollen durchaus beliebt ist, hat er beim Servicepersonal keine Freunde. Gibt es doch überdurchschnittlich viele Leerflaschen zu entsorgen und jede Menge zurückgeleerter Weinreste in den dafür vorgesehenen Behältern.
Der Promi-Winzer
Auf Messen und Präsentationen ist der Promi-Bonus Segen und Fluch gleichermaßen. Da praktisch alle Besucher der Veranstaltung (und viele Mitaussteller) auch die Weine der bekannten Winzer verkosten wollen herrscht am Stand des Promi-Winzers immer reger Betrieb.
Der große Andrang hat natürlich seine positiven Seiten. Er schützt den Winzer vor Frustration, die sich bei längeren Phasen ohne Besucher einstellen können, und erhöht natürlich die Chance, neue Kunden zu gewinnen. Schließlich ist jeder Besucher ein potentieller Kunde.
Andererseit hat der Promi-Winzer enorme Streuverluste, weil er seine Weine den meisten Besuchern wegen des großen Andrangs unkommentiert ausschenken muß. Die große Besucherzahl führt zu einem ähnlich hohen Weinverbrauch wie beim Großzügigen und der eine oder andere interessante Messebesucher fühlt sich wohl von der Drängelei auch abgestoßen und wendet sich anderen Ausstellern zu.
Der Neuling
Der Neuling nimmt es mit den Vorschriften der Messeveranstalter sehr genau. Er erscheint pünktlich, präsentiert ausschließlich jene (meist beschränkte) Weinanzahl, die im Katalog veröffentlicht wurde und nimmt zur Sicherheit dreimal so viel Wein mit, als er im äußersten Notfall tatsächlich für die Präsentation benötigt.
Seinen Stand verläßt er nur bei Feueralarm, da er mangels Messeerfahrung noch im Glauben lebt, er könnte das Geschäft seines Lebens verpassen, wenn sein Stand für die Dauer eines WC-Besuches oder eines kurzen Imbisses unbesetzt ist.
Der Frustrierte
Der Frustrierte nimmt vor allem deswegen an Präsentationen Teil, um seine Vorurteile bestätigt zu bekommen. Seiner Meinung nach sind immer alle anderen Messestände immer besser besucht, als sein eigener. Die Ursache dafür ist natürlich der schlechte Standplatz, den er vom Veranstalter zugeteilt bekommen hat.
Außerdem ist es in dem Raum, der ihm zugeteilt wurde immer viel zu warm im Vergleich zu den anderen Räumen (wahlweise auch viel zu kalt) und der vermeintlich größere Besucherandrang bei den anderen Messeständen ist (was die Weinqualität betrifft) seiner Meinung nach sowieso völlig ungerechtfertigt.
Der Erfahrene
Dieser Typ stellt das Gros der Messeteilnehmer. Die häufige Teilnahme an Präsentationen hat ihm gelehrt, solche Anlässe zwar ernst, aber nicht zu ernst zu nehmen. Er erledigt die Vorbereitungen sorgfältig, aber nicht übertrieben und nützt die Zeit ohne Besucher an seinem Stand zum Smalltalk mit dem Standnachbarn, zu einem Blick in die Zeitung oder zu einer kurzen Verkostungstour in der näheren Umgebung.
Ohne schlechtes Gewissen gönnt er sich auch einen Imbiß, wenn er ihm notwendig erscheint. Schließlich weiß er, daß eine lockere Auslegung seiner Messepräsenz hilft, Frustrationen vorzubeugen. Und er hat gelernt, daß es nicht auf die Anzahl an Besuchern am Messestand ankommt, sondern (auch) auf das Glück, einige wenige längerfristig interessante Kontakte geknüpft zu haben.
Die Besucher:
Der Profi
Der Profi kommt meist früher als viele Aussteller. Er nützt die ruhige Atmosphäre zu Messebeginn und hat meist einen ausgeklügelten Schlachtplan erarbeitet, um zielgerichten jene Weine zu verkosten, die ihn besonders interessieren. Wenn er sich wirklich Zeit nimmt, ist der Profi für den Winzer ein sehr spannender Gast. Nicht nur, weil sein Besuch die Hoffnung auf künftige Geschäfte oder Presseartikel weckt, sondern auch, weil der Profi in der Regel ein sehr fundiertes Feedback gibt und sich mit ihm anregende Weindiskussionen führen lassen.
Nicht alle Profis haben tatsächlich beruflich mit Wein zu tun. Neben Journalisten, Weinhändlern und Gastronomen gibt es auch gar nicht so wenige private Weinliebhaber, die die Kriterien erfüllen.
Der Möchtegern-Profi
Der Möchtegern-Profi nützt Weinmessen vor allem zur Bestätigung seines Egos. Er verwickelt die Aussteller gerne in langwierige Diskussionen, mit denen er vor allem seine Kompetenz demonstrieren möchte. Für die Winzer ist er ein äußerst mühsamer Gast, der mit allen Mitteln versucht, ihre Aufmerksamkeit zu erregen und sie damit vom Dialog mit anderen (vielversprechenderen) Standbesuchern abhält.
Vom Profi ist der Möchtegern-Profi relativ leicht zu unterscheiden. Abseits des Mainstreams ist es mit seiner Kompetenz nämlich nicht sehr weit her. Und mit zunehmender Messedauer kommt ihm die Konsequenz beim Zurückleeren von Weinresten bzw. dem Ausspucken von Wein abhanden…
Der Genießer
Der Genießer ist während der ersten Messestunden ein recht angenehmer, interessierter Besucher. Das sein Schwerpunkt auch auf Weinmessen beim Genießen liegt, merkt man aber spätestens zu fortgeschrittener Messestunde an seinem Verhalten.
Der erfahrene Aussteller kennt die meisten Genießer schon vom sehen, weil sie praktisch keine Weinverkostung in ihrer Umgebung auslassen (und dementsprechend häufig auf die Winzer treffen). Böse Zungen behaupten, daß für den Genießer keinerlei Notwendigkeit besteht, jemals bei einem der Aussteller auch tatsächlich Wein zu kaufen. Schließlich hat er (im Großstadtbereich) das ganze Jahr über mehrmals pro Woche die Möglichkeit Weinmessen oder -präsentationen zu besuchen und dort jede Menge Wein zu konsumieren.
Der Überforderte
Die Vertreter dieser Gattung sind Neulinge auf dem Gebiet der Weinmessen. Sie interessieren sich ein wenig für Wein und besuchen aus diesem Grund (oder weil sie von einem Bekannten, der der Gattung Möchtegern-Profi angehört, überredet wurden) erstmals eine Präsentation.
Dementsprechend überfordert sind sie von der Fülle an Ausstellern aber auch Besuchern. Ziemlich planlos kosten die Überforderten kreuz und quer und sind dabei für die Aussteller durchaus vielversprechende Besucher. Leider neigen sie dazu, sich keinerlei Notizen zu machen und ihre Eindrücke relativ schnell wieder zu vergessen. Vage Bestellabsichten der Überforderten auf der Messe sind daher für die Winzer nur Schall und Rauch.
Der Prospektsammler
Diesen Klassiker gibt es auf jeder Messe. Der Prospektsammler, der seinen urzeitlichen Sammlerinstinkt nicht zähmen kann, greift wahllos nach allem, was an Info-Material auf den Messeständen aufliegt. Gelegentlich verkostet er nebenbei auch Wein, wirkliches Interesse scheint er daran aber nicht zu haben.
Warum sonst würde er die Zeit auf der Messe mit dem Sammeln von Prospekten vergeuden, anstatt den Kontakt mit den Winzern zu suchen. Werbematerial erhält er jederzeit auf dem Postweg, den Kontakt mit dem Winzer gibt es nur auf Messen oder vor Ort.
Der Mainstream-Besucher
Der Mainstram-Besucher interessiert sich für Wein, ohne die Energie eines Profis oder Möchtegern-Profis aufzubringen. Er besucht Präsentationen, wenn sie in seiner Nähe stattfinden, gut beworben werden, eine Gruppe von Freunden dorthin geht oder sein Stammwinzer ihn dazu einlädt.
Er sieht Weinmessen als geselligen Anlaß und läßt sich ohne Hast durch das Messegeschehen treiben. Dort wo er landet, ist er ein sehr interessanter Gesprächspartner für den Winzer, der auch schon mal eine kleine Bestellung auf der Messe abgibt, wenn ihm ein Wein besonders gut schmeckt.
Häufig bleibt es dabei, und bei der nächsten Messe bestellt er bei einem anderen Aussteller. Manchmal aber wird eine langjährige Kundenbeziehung daraus, die für beide Seiten sehr befriedigend sein kann.
Der Zweckentfremder
Die Vertreter dieser leider wachsenden Gattung mißbrauchen Weinmessen, um möglichst viele Winzer einfach und an einem Ort kontaktieren zu können. Ihr Angebot reicht von Übersetzungsdienstleistungen und Werbeinseraten bis zu Kellereiartikeln, Barriques und Korken.
Die Zweckentfremder sind zwar meist zurückhaltend, wenn am Stand reger Betrieb herrscht. Aber auch wenn sie nur dann aktiv werden, wenn keine potentiellen Weinkunden am Stand sind, stehlen sie dem Winzer die Zeit. Auf einer Veranstaltung in die der Winzer Zeit und Geld investiert hat, um seinen Wein zu präsentieren (und natürlich zu verkaufen), wollen sie praktisch kostenlos (nur um die Eintrittsgebühr) dem Winzer ihre Produkte andrehen.
Naja Bernhard,
wenn den Profi und den Möchtegern das Spucken trennt, dann sei hier vielleicht auch erwähnt, das es noch einen Besuchertypus gibt: Den nichtspuckenden Profi, auch ‚Winzer auf Kollegenbesuch‘ genannt. Ich habe selten erlebt, dass ein Winzer, der in einer Pause beim Kollegen verkostet, nicht genüsslich schluckt 😉
cheers
Felix
Sehr treffend, sehr launig geschrieben. Das ist einer der Gründe, warum ich solche Massenansammlungen mehr und mehr vermeide. Die meisten Besucher kenne ich, leider sie mich oft auch, was dann immer zu: „Was soll ich denn kosten“ – und „gell, der hat Kork“ oder ähnlichem führt.
Dazu das Gedränge, wo einem dann schon mal ein ordentlicher Schuss Rotwein über das Gewand geleert wird. Die Weine sind kleschkalt oder viel zu warm. Und neben den diversen Rasierwässern und Axe (meist sinds die Männer – weniger die Frauen, die aufdringlichst duften), kann man eh kaum mehr erkennen, was für zarte Aromen da aus dem Glas duften.
Das einzig nette ist, dass man mit dem einen oder anderen Winzer nachher auf ein Bier und einen anregenden Plausch gehen kann 😉
Wenn s dir Recht ist, mache ich einen Link daher.
Lieben Gruss
Knalli
Gerne!