Traue keiner Statistik…

…die du nicht selbst interpretiert hast!

Wie ich schon vor einiger Zeit unter „Die Macht von Medien und Zahlen 1, 2 und 3“ berichtet habe, ist der Umgang mit Statistiken und Zahlen nicht unproblematisch. In seinem heutigen Kommentar in der Wiener Zeitung bringt es Andreas Unterberger auf den Punkt: Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser.

Bei aller gebotenen Vorsicht erscheinen mir aber zwei Statistiken im Jahresbericht der ÖWM doch sehr aussagekräftig:

Der Durchschnittspreis (pro Liter) der heimischen Flaschenweinexporte beträgt

nach Großbritannien € 17,6

nach Japan € 9,7

in die Schweiz € 7,3

in die USA € 5,3

nach Norwegen € 4,7

in die Niederlande € 3,9

nach Italien € 3,4

und nach Deutschland € 1,7.

Nicht das dieses Phänomen neu wäre. Die geringe Bereitschaft der Deutschen, für Lebens- und Genußmittel mehr Geld als unbedingt zum Überleben notwendig auszugeben ist ja bekannt und wird auch in Deutschland selbst immer wieder beklagt. Aber bemerkenswert ist diese plakative statistische Darstellung allemal.

Der Durchschnittsertrag (pro Hektar) beträgt laut Erntevorschätzung (pdf) 2006

in Österreich insgesamt 49,8 hl

in Österreich beim Weißwein 47,0 hl

in Österreich beim Rotwein 55,5 hl

in Niederösterreich insgesamt 46,5 hl

im Weinbaugebiet Neusiedlersee 51,8 hl

in Neusiedlersee-Hügelland 52,0 hl

und im Mittelburgenland 88,7 hl (81,2 weiß, 89,6 rot).

Selbst bei Berücksichtigung der im Vergleich zu Niederösterreich deutlich höheren Pflanzdichte und dem im Vergleich zum Nordburgenland nicht vorhandenen ertragsmindernden Prädikatswein erscheint dieser Wert doch sehr hoch. Der gesetzliche Höchstertrag für Qualitätswein beträgt 67,5 hl/ha.

9 Gedanken zu „Traue keiner Statistik…“

  1. Hallo Bernhard,

    die 89 hl/ha im Mittelburgenland klingen in der Tat ziemlich seltsam, besonders da sowohl Weiß- als auch Rotwein einen ähnlichen Faktor über dem sonstigen burgenländischen Schnitt liegen. Übrigens waren die Zahlen in der Schätzung vom August (siehe http://www.weinausoesterreich.at/daten/doku2006/doku2006_kap2.pdf, Seite 5) noch plausibel (56 bzw. 58 hl/ha). Ich könnte mir vorstellen, dass bei dem von dir zitierten Dokument einfach ein Rechenfehler passiert ist, z.B. dass statt der Weinmenge in Liter die Traubenmenge in kg eingesetzt wurde. Dass ein solcher Fehler aber unentdeckt auf der Website der ÖWM landet, spricht allerdings nicht unbedingt für die vielgerühmte Professionalität dort …

    Ansonsten wünsche ich dir, deiner Familie und natürlich deinen Weinen einen guten Rutsch ins neue Jahr und hoffe auf für 2007 auf viele interessante Beiträge in deinem BLOG.

    Grüße,
    Gerald

  2. Hallo Gerald!

    Danke für die Wünsche. Was die Statistik betrifft, so gehe ich nicht von einem Fehler aus. Und wenn, dann liegt er wohl beim statistischen Zentralamt.

    Die Ernteschätzungen sind meist relativ genau, hört man zumindest immer wieder. Sie beruhen auf Schätzungen vieler Winzer vor Ort, die von der Östat ausgewertet werden. Wie das erfolgt kann man in diesem pdf ganz genau nachlesen (Seiten 14-15 und 17-27).

    Über die Mitte Dezember abzugebende verpflichtende Erntemeldung hat Östat jedes Jahr die Möglichkeit, die Genauigkeit der Schätzungen im nachhinein zu überprüfen und für das nächste Jahr entsprechende Maßnahmen zu setzen (mehr oder andere Schätzer, adaptierte Berechnungsverfahren,…).

    Die Abweichung zwischen der August-Schätzung und den Oktober-Zahlen muß nicht auf einem Fehler beruhen. Auch wir (mein Vater ist einer der „Schätzer“) haben unsere Schätzungen von Anfang August bis Oktober deutlich nach oben revidiert.

    Während wir Anfang August noch von größeren Verrieselungsschäden und trockenheitsbedingten (Juli!) kleinbeerigen Trauben ausgegangen sind, hat der feuchte August ein deutliches Beerenwachstum bewirkt. Wie sich erst bei der Ernte gezeigt hat, waren die Verrieselungsschäden beim Blaufränkisch (und auch bei anderen Sorten) relativ harmlos, was zumindest zum Teil bei der Oktober-Schätzung (Abgabetermin 15.10.) berücksichtigt werden konnte.

  3. Hallo Bernhard,

    mag ja sein, aber dass die Schätzung von August aus Oktober im Mittelburgenland um beinahe 60 % nach oben revidiert wird, klingt für mich als Laie zumindest etwas erstaunlich. Und nicht bei einem einzigen Winzer, sondern für das gesamte Weinbaugebiet ?! Und das, während in allen anderen burgenländischen Regionen August- und Oktoberschätzung nur gering abweichen ?

    Ich denke, ich werde einmal bei der ÖWM nachfragen, wie es zu diesen ungewöhnlichen Zahlen kommt …

    Grüße,
    Gerald

  4. So, vor kurzem hat die ÖWM geantwortet. Sie haben bei der Statistik Austria rückgefragt und konnten keinen Fehler finden. Die Daten werden daher vermutlich stimmen.

    Hat das eigentlich Konsequenzen, wenn der erlaubte Höchstertrag in der Praxis dann weit überschritten wird ? Darf der Winzer die gesamte Erntemenge als Qualitätswein verkaufen ?

    Grüße,
    Gerald

  5. Auch wenn mir die Zahl sehr hoch erschien, habe ich zumindest an der Tendenz nie gezweifelt. Man kennt ja schließlich seine Pappenheimer, hört allerhand und ist beim Vorbeifahren an Weingärten nicht blind. Und auch wenn es daran allein sicherlich nicht liegen kann, ist der relativ hohe Genossenschaftsanteil im Gebiet und die Mentalität von Genossenschaftsmitgliedern generell nicht neu.

    2005:
    Österreich 49,5 hl/ha
    Neusiedlersee 50,1 hl/ha
    Hügelland 41,0 hl/ha
    Mittelburgenland 69,8 hl/ha

    2004:
    Österreich 62,8 hl/ha
    Neusiedlersee 67,7 hl/ha
    Hügelland 53,6 hl/ha
    Mittelburgenland 72,7 hl/ha

    Ältere Zahlen konnte ich leider nicht ergoogeln.

    Natürlich hat das Konsequenzen. Was über dem gesetzlichen Höchstertrag von 67,5 hl/ha liegt, darf ausschließlich als Tafelwein vermarktet werden (unabhängig von der Zuckergradation und der tatsächlichen Qualität). Denn auch für Landwein gilt die Höchstmenge. Tafelwein darf aber keine Sorten-, Jahrgangs- oder Herzkunftsangabe tragen, was den Wein einigermaßen entwertet.

    Konkret läuft das so ab, daß bei einem Ertrag von 88,7 hl/ha (im Durchschnitt über den gesamten Betrieb inklusive nicht ertragsfähiger Junganlagen) bei der Erntemeldung die Fläche in eine Tafelweinfläche (mit nicht limitiertem, aber realistisch möglichem Ertrag) und eine Qualitätsweinfläche (mit max. 67,5 hl/ha) gesplittet wird. Der Rest ist eine relativ simple Rechenübung:

    0,84 ha erbringen demnach 56,7 hl Qualitätswein
    0,16 ha ergeben 32 hl Tafelwein
    1,00 ha liegt damit gesamt bei 88,7 hl Gesamtmenge

  6. Hallo Bernhard,
    man kann bei solchen Statistiken nicht vorsichtig genug sein, wobei sicherlich ein Trend erkennbar ist. Auch diese deutsche Statistik ist interessant:
    http://www.destatis.de/presse/deutsch/pm2006/p4840181.htm

    Import österreichischer Wein nach Deutschland 2005:
    32 Mio. Liter zu 31 Mio Euro (ca. 1 Euro pro Liter)

    Export deutscher Wein nach Großbritannien:
    92 Mio. Liter zu 133 Mio. Euro (ca. 1,45 Euro pro Liter)

    Daraus lässt sich schließen, dass 1.) auch in GB günstiger Wein getrunken wird. 2.) Erstaunt doch die Abweichung in der Statistik des österreichischen Exports von der deutschen Importstatistik. Diese liegt bei ca. 25% bezüglich des Importvolumens (jeweils gemessen in Wert und Menge). Dies zeigt doch, wie vorsichtig solche Statistiken zu bewerten sind.

    Viele Grüße
    Thomas

  7. Hallo Thomas!

    Herzlichen Dank für deine Recherchen. Mit deiner Mahnung zur Vorsicht im Detail bei allen erkennbaren Trends hast du natürlich recht.

    Wie die deutsche Statistik zeigt, gibt es bei jedem Geschäft immer zwei Seiten. Und so liegt es sicherlich nicht nur an der deutschen Geiz-ist-geil-Mentalität, wenn Österreich billige Weine dorthin exportiert. Sondern auch an der mangelnden Fähigkeit eines Teils der österreichischen Weinwirtschaft bessere Weine, die mehr Geld wert sind zu produzieren und/oder die Weine besser auf dem Markt zu etablieren. (Raus aus der Billigschiene!).

    Wenn man einfache Weinqualitäten, die es in jedem Land gibt und geben muß exportiert, geht das nur über den Preis. Und es geht am ehesten in einem gut vertrauten Exportmarkt mit der gleichen Sprache, zum Teil ähnlichen Vorlieben und Strukturen etc.

    Auffallend und plakativ sind die Zahlen aber trotzdem.

    Grüße

    Bernhard

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