Die Macht von Medien und Zahlen, Teil 2

„Die Preise für Rotwein sind im Augenblick überhöht“

So lautet die Schlagzeile eines Berichtes der Tageszeitung „Die Presse“ vom 11. November 2006 über eine Diplomarbeit, die als eine der fünf besten an der Wirtschaftsuniversität ausgezeichnet wurde.

In einem spannenden statistischen Experiment hat der Autor der Arbeit die Ab-Hof-Preise von hunderten österreichischen Winzern erfaßt und diese in einen Bezug zu Rebsorte, Gebiet und Punktebewertung in den wichtigsten heimischen Weinmedien gesetzt.

So konnte er ermitteln, welche Preisunterschiede es zwischen den Weinbaugebieten bei den gleichen Rebsorten gibt. Aber auch, daß z.B. Weine aus der Sorte Zweigelt im Schnitt um 38,2 Prozent teurer sind als Grüne Veltliner.

Solche Analysen sind nicht nur nett zu lesen, sondern bieten dem Winzer durchaus eine Entscheidungshilfe bei Fragen der Preisgestaltung und im Vergleich mit den Mitbewerbern.

Wenig hilfreich und irreführend ist es allerdings, wenn daraus Wertungen abgeleitet werden, die jeglicher wissenschaftlicher Grundlage entbehren. Besonders problematisch ist dabei die Gleichsetzung von Rebsorten und die Ansicht, daß Punktebewertungen eine objektive Meßskala für die Weinqualität sind. Aufmerksamkeitsheischend zugespitzt entstehen daraus Sätze wie diese:

Dabei kommt heraus, daß eine einmalig bessere Beurteilung um einen Punkt – etwa von 89 auf 90 Punkte bei einer 100-Punkte-Skala – einen um 8,5 Prozent höheren Preis nach sich zieht.

In vielen (wenn nicht sogar den meisten) Fällen sind Ursache und Wirkung genau umgekehrt. Der Aufwand in Produktion und Vermarktung wird gesteigert, was natürlich einen höheren Preis bedingt und oft (aber nicht immer) zu besserer Qualität und/oder mehr Punkten führt. Sprich: Der Wein wird nicht immer teurer, weil er mehr Punkte bekommt, sondern er bekommt oft mehr Punkte, weil er besser (und damit teurer) produziert und vermarktet wird.

Bemerkenswert ist, daß alle Rotweine Preisaufschläge im Vergleich zum Grünen Veltliner aufweisen….Zwar ist ein Teil der Aufschläge verschiedener Rebsorten auch auf höhere Produktionskosten zurückzuführen. „Eine so extreme Ausprägung der Preisaufschläge von Rotweinen gegenüber Weißweinen konnte jedoch in keiner anderen Studie festgestellt werden“, sagt der Autor. Seiner Ansicht sind die Aufschläge ein Zeichen dafür, daß der Markt nicht im Gleichgewicht ist und daß die Preise teilweise überhöht sind.

Da drängt sich die Frage auf, wer nach welchen Kriterien entscheidet, ob Preise überhöht sind. In der freien Marktwirtschaft sind das keine wissenschaftlichen Studien, die via Produktionskosten, Punktebewertungen und Vergleichen mit anderen Studien ermitteln, wie teuer etwas sein darf. Sondern es ist einzig und allein der Konsument, der entscheidet, was er zu welchem Preis kauft, und was nicht.

Diese Entscheidung läßt sich mit ein paar Rechenübungen nicht vorhersagen. Zumal es sich bei Wein um ein nicht objektiv vergleichbares Produkt handelt und nette Alltagsveltliner in Österreich recht schnell mit Punktewerten geadelt werden, die bei Rotwein nur für die Spitzenklasse gezückt werden.

4 Gedanken zu „Die Macht von Medien und Zahlen, Teil 2“

  1. Hallo Bernhard,

    natürlich fällt es einem Winzer (und auch einem privaten Weinliebhaber) sofort auf, dass die Auswertung Preis in Abhängigkeit von Rebsorte und Punkten etwas einfach gestrickt ist. Nur – und da muss ich meinem „Kollegen“ (ich habe auch auf der WU studiert) verteidigen:

    Man sollte nicht vergesen, dass eine Diplomarbeit vom Aufwand nicht vergleichbar sein kann mit einer großen, internationalen Marktstudie, an der vielleicht 50 Personen ein halbes Jahr lang arbeiten. Daher muss sich Huber natürlich auf solche Einflussfaktoren (bzw. Attribute) von Weinen konzentrieren, die leicht erfassbar sind. Und das sind – neben dem Preis – nun mal vor allem die Rebsorte, die Herkunft (Weinbaugebiet) und die Punkte im Falstaff oder ähnlichen Publikationen.

    Zweifellos wäre es viel aufschlussreicher, auch beispielsweise den Aufwand des Winzers (z.B. in Arbeitsstunden pro Hektar), den Hektarertrag der Lage, die Grundstückspreise der Lage und viele andere Parameter zu erfassen. Ich kann mir nur eben schwer vorstellen, dass dies einerseits mit vertretbarem Aufwand möglich ist und andererseits wie man die Angaben des Winzers verifizieren kann. Denn natürlich wird jeder Winzer Interesse haben, die Kosten für seinen Wein möglichst hoch darzustellen, um den Preis zu rechtfertigen.

    Und jede wissenschaftliche Arbeit sollte eine Conclusio enthalten, daher auch diese vielleicht etwas zu prägnante Aussage mit den „überhöhten Preisen“. Natürlich ist es – wie du ja schon angemerkt hast – der Konsument, der zu einem bestimmten Preis kauft oder nicht kauft. Allerdings hört man doch öfters, dass nach den Jahren des „Rotweinwunders“ jetzt die Konsumenten sich doch – besonders bei den höherpreisigen Rotweinen – deutlich stärker zurückhalten. Während die Weine vor einigen Jahren oft schon Wochen nach Verfügbarkeit ausverkauft waren, kann man sie jetzt oft noch dann kaufen, wenn schon der nächste Jahrgang in die Regale kommt. Diese Angaben stammen von der Geschäftsführerin einer auf burgenländische Rotweine spezialisierten Vinothek und passen gut ins Bild, das man von anderen Weinhändlern bzw. auch Winzern bekommt.

    Meiner Ansicht nach haben die Konsumenten festgestellt, dass der 30-Euro-Wein doch nicht soviel Genuss bietet wie man anhand der 95 Falstaff-Punkte erwartet hätte. Dabei hat Peter Moser ja selbst zugegeben, mit zweierlei Maß zu messen (wenn er z.B. Bordeaux oder Super-Toskaner bewertet, vergibt er gleich 5 Punkte weniger oder so, um mit seinen ausländischen Kollegen kompatibel zu bleiben). Ob der fehlende Genuss vielleicht daran liegt, dass die Weine zu früh geöffnet werden, ist eine andere Sache. Es ändert aber nichts daran, dass aus Konsumentensicht das Verhältnis zwischen Preis und Leistung nicht optimal ist bzw. dass Rotweine aus anderen Regionen (Süditalien, Spanien etc.) hier attraktiver erscheinen. Vielleicht ist es hier notwendig, den Konsumenten mehr über die Vorzüge der österreichischen Roten aufzuklären, also z.B. den optimalen Trinkzeitpunkt, den herkunftstypischen, nicht austauschbaren Charakter etc.

    Grüße,
    Gerald

  2. Hallo Gerald!

    Ich halte die Studie an sich durchaus für interessant. Sie wurde schon vor einiger Zeit in der Zeitschrift der Winzer vorgestellt.

    Was mich stört, ist die sensationsgeile Zuspitzung auf Aussagen, die das Zahlenmaterial und die Methode schlicht und einfach nicht hergeben. Das der Autor der Arbeit daran maßgeblich beteiligt ist, hat nichts mit einer etwas zu prägnanten Conclusio zu tun. Sondern das ist die Vermischung von subjektiver persönlicher Meinung mit objektiver wissenschaftlicher und journalistischer Arbeit. Und damit kein Zeichen von besonderer Qualität. Eine etwas kleinformatigere Zeitung als die Presse hätte wohl folgendermaßen getitelt: „Wissenschaftlich erwiesen: Österreichs Rotweine sind zu teuer.“

    Dieser Nachweis läßt sich aber erstens nicht führen, weil…

    …keine objektive Qualitätsskala für Wein existiert, die eine exakte Umrechnung von Punkten einer Weinart oder -sorte auf die andere erlauben würde. (So erhalten in Österreich jede Menge solide Mittelklasseveltliner 90 und mehr Punkte, während es viele Rote der Oberliga nur auf 88 bringen.

    Wein ist als Getränk zu komplex und als „Handelsware“ mit viel zu vielen unquantifizierbaren Dingen überfrachtet, als das er sich berechnen ließe. Wie viele Euro oder Punkte ist Terroir wert? Was ist das überhaupt? Welchen Aufschlag rechtfertigt ein besoners schlagfertiger Winzer? Oder eine besonders hübsche Winzerin? Oder ein besonders aufregendes Etikett? Eine besondere Modeströmung (Rotwein!)? Eine besondere Modesorte (Syrah!)?

    Eine reine wissenschaftliche Aufarbeitung der Produktionsdaten hilft da nicht weiter, selbst wenn sie Hektarerträge, Grundstückspreis und was auch immer berücksichtigt.

    Und zweitens läßt sich der wissenschaftliche Nachweis, daß Rotweine zu teuer sind sich nicht führen…

    …weil es keinen objektiven, allgemeingültigen Maßstab dafür gibt, was ZU teuer denn überhaupt ist. Dem einen sind drei Euro für eine Flasche Wein zu teuer, aber er fährt einen Porsche. Der andere empfindet 200 Euro als akzeptables Preis-Genuß-Verhältnis.

    Man kann durchaus über die Preisentwicklung von Weinen diskutieren, sie kritisieren und hinterfragen. Damit habe ich kein Problem und ich bin gerne dabei.

    Seine Argumente pseudowissenschaftlich zu verbrämen halte ich aber in diesem Zusammenhang für keinen guten Stil.

    Und genau das habe ich in meinem Beitrag kritisiert.

    Grüße

    Bernhard

  3. Hallo Bernhard,

    ich kenne die Diplomarbeit nur aus dem Presse-Artikel, daher lässt sich auch nicht beurteilen, ob dieser Schluss mit den „überhöhten Preisen“ bzw. dem Marktungleichgewicht tatsächlich so in dieser Form in der Originalarbeit enthalten ist oder aber nur vom Redakteur so – unter Sinnveränderung – zusammengekürzt wurde. Siehe die aktuelle Diskussion über die SWR-Dokumentation.

    Es geht aus dem Link leider nicht hervor, ob die „Preisaufschläge“ für Rotwein jetzt den Mittelwert der Preise aller Weine betreffen, oder aber in Bezug auf die Punkte im Falstaff etc. gesetzt sind. Falls ersteres zutrifft, dann wäre die Schlussfolgerung mit den „überhöhten Preisen“ natürlich Unsinn, da es ja um komplett andere Produkte geht, die man nicht so miteinander vergleichen kann. Wenn aber Weine verschiedener Rebsorten mit gleichen Punkten verglichen werden, dann wäre der Schluss – wenn man Punkte als Qualitäts- und damit Wertkriterium akzeptiert – durchaus nachvollziehbar.

    Dass Punkte – noch dazu von einem einzigen Verkoster mit all seinen persönlichen Vorlieben und Antipathien – natürlich dieses Kriterium nicht erfüllen, darüber sind wir uns bestimmt einig. Nur der Gesamtmarkt scheint sich doch relativ stark danach auszurichten, denn leider vertrauen viele Konsumenten mehr seltsamen zweistelligen Zahlen eines ihnen unbekannten Menschen als ihrem eigenen Gaumen. Man muss nur betrachten wie dramatisch z.B. bei Bordeaux ein oder zwei Parker-Punkte mehr oder weniger den Preis im Sekundärmarkt beeinflussen können. Oder dass die Falstaff-Sieger oft innerhab von Wochen ausverkauft sind, während andere – für mich gleichwertige – Weine ein ganzes Jahr im Regal liegen, bis der neue Jahrgang kommt und die Flaschen in die Wühlkiste wandern …

    Der Begriff der „Überhöhten Preise“ bzw. dem Marktungleichgewicht stellt meiner Meinung nach darauf ab, ob Angebot und Nachfrage sich die Waage halten. Ich habe keine Zahlen verfügbar (ich weiß nicht einmal, ob sie überhaupt erfasst sind), wieviel Prozent der produzierten Weine innerhalb – sagen wir – eines Jahres ab Erscheinen tatsächlich verkauft sind. Und das differenziert nach Rot- und Weißwein. Nur nach den mir bekannten Aussagen von Händlern (und der subjektiv empfundenen Zeit wielange die Weine im Regal sind) scheint sich die Nachfrage doch in den letzten Jahren etwas verringert zu haben, zumindest für die höherpreisigen Rotweine. Vielleicht ist das aber auch ein Zeichen dafür, dass sich der österreichische Konsument langsam ein wenig „emanzipiert“ und sich nicht mehr ausschließlich nach Falstaff-Punkten orientiert, sondern auch ein bisschen an seinen eigenen Gaumen glaubt. Oder aber das postulierte (tatsächliche ?) Marktungleichgewicht hängt mit anderen Faktoren zusammen, z.B. dass die Konsumenten inzwischen mehr auf den Preis achten, z.B. aufgrund der Konjunkturlage oder auch aufgrund der erheblichen Preiserhöhungen in der Gastronomie während der Euro-Einführung.

    Aber – so denke ich – um das ging es bei der Diplomarbeit gar nicht. Solche Schlüsse zu ziehen würde eigentlich eher in eine Dissertation passen, eine Diplomarbeit wird zumeist mehr als „handwerkliche“ Arbeit verstanden, also vor allem um Datensammeln in wissenschaftlicher Methodik.

    Grüße,
    Gerald

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