Wie Wein-Plus vermeldet, droht eine radikale Winzergruppe in Südfrankreich mit schweren Terroranschlägen, wenn der neu gewählte Präsident Nicolas Sarkozy nicht binnen eines Monats für höhere Weinpreise sorgt.
Die Winzergruppe hat bereits in der Vergangenheit zahlreiche Anschläge mit Sachschäden verübt und droht damit, künftig keine Rücksicht mehr auf Menschenleben zu nehmen.
Eigentlich machen mich solche Meldungen ziemlich sprachlos. Abgesehen davon, daß ich die Methoden dieser Gruppe verabscheue halte ich als Befürworter eines freieren Marktes auch in der Landwirtschaft solche agrarpolitischen Vorstellungen für völlig daneben.
Die Versuchung ist groß, undifferenziert mit dem Finger auf die gesamte französische Weinbauernschaft zu zeigen. Bevor aber das allgemeine Frankreich-Bashing so richtig losgeht (manche sinnieren ja schon darüber, französische Weine zu boykottieren), möchte ich mit einem kleinen Exkurs in die österreichische Weinbaugeschichte zeigen, daß radikale Tendenzen in der Winzerschaft in schwierigen Zeiten keine spezifisch französische Sache sind.
Der österreichische Weinskandal von 1985 bescherte (bei allen damals nicht im entferntesten absehbaren positiven Langzeitfolgen) der Weinwirtschaft eine gewaltige Krise. Der Weinexport brach zusammen, Konsumenten im In- und Ausland waren verunsichert, Falschmeldungen gingen durch die Medien, Winzer wurden zu unrecht medial verurteilt und nach Jahren des Aufschwungs erfasste eine große Zukunftsangst die Winzerschaft.
Die nicht gerade besonders bauernnahe Regierung (SPÖ/FPÖ) war damit völlig überfordert und beschloß im Eilverfahren ein Weingesetz, das geprägt war von Überbürokratisierung, grundsätzlichem Mißtrauen den Winzern gegenüber und völliger Ahnungslosigkeit in Sachen Durchführbarkeit.
Als besonders absurdes Beispiel sei die Absicht genannt, den für die Aufbesserung zugelassenen Rübenzucker radioaktiv zu „markieren“, um die Einhaltung der gesetzlichen Grenzwerte im fertigen Wein kontrollieren zu können, in dem der Zucker ja zu Alkohol vergoren ist.
Nachdem alle sachlichen Einwände im Begutachtungsverfahren keine Änderungen bewirkten, verlagerte sich der Protest der verunsicherten Weinbauern in den Jahren 1985/86 zunehmend auf die Straße. Grenzübergänge wurden blockiert und in der aufgeheizten Stimmung kam es auch zu kleineren Handgreiflichkeiten, unter anderem gegen den zuständigen Landwirtschaftsminister Haiden.
In dieser Zeit hatte die sogenannte „Notwehrgemeinschaft der Bauern“ mit ihren radikalen Forderungen an die Weinbaupolitik regen Zulauf. Viele Winzer sympathisierten mit den radikalen Thesen dieser Gruppe und noch mehr hatten zumindest Verständnis dafür. Auf einer Website, die ich wegen des dort vertretenen Gedankengutes nicht verlinken möchte, findet sich über einen der NWG-Führer folgende (Selbst-)Darstellung:
Er war Mitte der 80er Jahre Mitgründer der „Notwehr-gemeinschaft der Bauern“, einer freien und unabhängigen Bauerninitiative. Diese machte durch spektakuläre Aktionen auf sich aufmerksam indem sie eine Vielzahl von Grenzübergängen aus Protest gegen die linke Bauernpolitik durch Traktorblockaden sperrte. Dies führte dazu, daß Ostösterreich einige Tage lang nicht mit LKW´s angefahren werden konnte.
Die Zeitungen waren voll des Lobes und der Anerkennung für ihn und seine Mitstreiter, die nicht nur durch Aktion, sondern auch durch brilliante Argumentation und Rhetorik glänzten. Die Folge war, daß es zu massiven Verbesserungen in der „Behandlung“ der Bauern kam.
Er aber hatte erkannt, daß nicht nur die Landwirtschaftspolitik eines Landes am Bauernsterben schuld war, sondern das es ein globales System gibt, welches den Niedergang des Bauerntumes verursacht und wandte sich daher folgerichtig auch allgemeinen politischen Fragen zu, die er allerdings bis heute unter der besonderen Beachtung des Bauernstandes sieht.
Diese (zumindest verbalradikale) Hinwendung zu allgemeinen politischen Fragen hat eine eindeutige Schlagseite nach rechts, wie diese Kurzdarstellung des Dokumentationsarchivs des österreichischen Widerstandes zeigt. Die Spitzenleute der NWG waren gut in der nicht gerade als gewaltablehnend bekannten rechtsextremen Szene verankert. Im Jahr 2000 wurde schließlich einer der Mitbegründer rechtskräftig wegen nationalsozialistischer Widerbetätigung verurteilt.
Das im Nationalrat im August 1985 von der SPÖ/FPÖ-Mehrheit beschlossene Weingesetz wurde im Bundesrat (der Länderkammer des Parlaments) von der ÖVP-Mehrheit beeeinsprucht. Die allgemeine Abkühlung der Atmosphäre und die geänderte politische Großwetterlage führte dann dazu, daß es nicht mittels Beharrungsbeschluß unverändert in Kraft trat, sondern erst nach einer Überarbeitung, die die allergröbsten Dummheiten beseitigte.
Diese, bis heute als strengstes Weingesetz der Welt bezeichnete Version mußte in Folge beinahe jährlich novelliert werden, um sie überhaupt vollziehbar zu machen. Nach jahrelangen Änderungen war das Weingesetz von 1986 schließlich auch für versierte Juristen kaum noch lesbar, weshalb es schließlich 1999 völlig neu geschrieben und beschlossen werden mußte.
Die politischen Entwicklungen zwischen Herbst 1985 und Frühjahr 1986 und das zurückgewonnene Vertrauen der Weinkonsumenten im Inland führten zu einer merklichen Entspannung der Situation. Spätestens nach dem Reaktorunfall in Tschernobyl im April 1986 verschwand der Weinskandal auch aus der medialen Berichterstattung und die überwiegende Mehrheit der Winzerschaft arrangierte sich mit der neuen Bedingungen und startete das „österreichische Weinwunder“.
Die sogenannte „Notwehrgemeinschaft der Bauern“ verlor deutlich an Zulauf, schaffte es aber noch mehr als ein Jahrzehnt, genügend Wählerstimmen für einen Einzug in den Kammerrat der burgenländischen Landwirtschaftskammer zu erzielen, ohne sich je von den rechtsradikalen Kontakten zu distanzieren. Erst bei den Wahlen im Jahr 2003 kandidierte die NWG nicht mehr.
Der glücklose Landwirtschaftsminister Haiden verließ gemeinsam mit „seinem“ (burgenländischen) Bundeskanzler Sinowatz noch im Jahr 1986 die Regierung. Das Sinowatz damals öffentlich die gesamte Winzerschaft pauschal als „faschistoide Weinbauern“ bezeichnet hat, spielte dabei zwar keine Rolle, wird ihm aber vor allem im Burgenland bis heute übel genommen.
Gratulation zu diesem pointierten Beitrag, der eine breitere Veröffentlichung verdient. Denn jede Art der undemokratischen, menschenrechtsverachtenden und die Werte des Humanismus ablehnende Begegnung mit wirtschaftlichen Problemen – wie gravierend sie sein können – ist ohne Einschränkung abzulehnen.
Ich lade sie ein, den Text dem Falstaff-Magazin zur Verfügung zu stellen.
mfg
Peter Moser