Blindverkoster sind auch nur Menschen (2)

Auch die geübtesten (Blind-)Verkoster sind nur Menschen. Und den besten von ihnen ist immer bewußt, dass irren zum Menschsein dazugehört und es in (Wein-)Geschmacksfragen niemals eine richtige, eine alleingültige Meinung geben kann.

Verkostungserlebnisse, die mich daran erinnern, zählen deshalb zu meinen wichtigsten Erfahrungen:

Zweigelt und Blaufränkisch

Mitte der 1990er saß ich ein paar Jahre in der Jury der burgenländischen Weinprämierung. Dort wurden vor den eigentlichen Bewertungen für die wichtigsten Weinarten sogenannte „Pegelweine“ definiert, die meist im Grenzbereich zwischen Gold- und Silbermedaille lagen. War ein Juror unsicher, wie er werten soll, konnte er ihn als eine Art Maßstab heranziehen und den zu beurteilenden Wein direkt mit dem exakt definierten Pegel vergleichen.

Um die Einstufung der Pegelweine breit abzusichern, erfolgte diese nicht von einer normalen Jury-Gruppe mit fünf bis sieben Verkostern, sondern von der Gesamtheit aller Verkoster. Im konkreten Fall waren das mehr als 30 sensorisch geschulte und in vielen Fällen auch eine jahrzehntelange Praxis aufweisende Winzer.

Für die Gruppe der Rotweine gab es damals sortenunabhängig nur einen Pegelwein. Nachdem dieser aus einer kleinen Vorauswahl des Veranstalters ermittelt war, stellte uns der Vorsitzende, ein alter, mittlerweile verstorbener Fuchs der burgenländischen Weinbauausbildung, zum Spaß folgende für die Prämierung völlig unerhebliche Frage:

Welche der fünf Pegelweinkandidaten sind Blaufränkische und welche Zweigelt?

Also wurde Wein für Wein abgestimmt, und das Ergebnis war für mich als sensorischen Jungspund damals einigermaßen ernüchternd: Bei vier der fünf Weine war es auch geübten Winzern nicht möglich, sie eindeutig einer der beiden burgenländischen Hauptsorten zuzuordnen.

Heute, mit ein paar Jahren mehr Erfahrung, sehe ich dieses damals als Blamage empfundene Ergebnis wesentlich entspannter. Schließlich habe ich ähnliches (z.B. mit den Sorten Grüner Veltliner und Welschriesling oder Pinot blanc und Chardonnay) schon des öfteren selbst erlebt und erzählt bekommen.

Möglicherweise würde ein solches Experiment heute zu einem besseren Ergebnis führen, weil sich manches in Vinifikation und Weinstilistik verändert hat. Wetten würde ich aber nicht darauf…

 

Hier gehts zu Teil 1 mit Links zu allen Folgen.

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