Auf der Feinhefe
Auch nach dem Abzug verbleibt noch genug Hefe im Wein um ihn reduktiv und frisch zu halten (wie der Oenologe Volker Schneider in einer Publikation eindrucksvoll dargelegt hat). In diesem Stadium, auf der nur langsam zu Boden sinkenden „Feinhefe“, reift der Wein deutlich langsamer heran als während der Endgärung und kurz danach.
Viele Winzer sehen heutzutage in der Feinhefe eine Gefahr und Beeinträchtigung für den Weißwein. Trübe, qualitativ eher mäßige Weine werden gelegenlich mit dem Argument „na wenn er erst einmal klar ist, wird er schon gut werden“ schöngeredet. Dementsprechend wird die Reifephase auf der Feinhefe oft sehr kurz gehalten und die Weine schon wenige Tage oder Wochen nach dem (meist sehr frühen) Abziehen vom Geläger blank filtriert. Nicht selten landen diese Weine dann auch noch im Erntejahr in der Flasche.
Dabei legt eine gewisse Reifephase auf der Feinhefe den Grundstein für langlebigere Weine. Auch wenn es paradox klingen mag: Weine sehr jung in die Flasche kommen werden dort schneller alt, als Weine, die im Tank oder im Faß „altern“ dürfen, bevor sie abgefüllt werden.
Das Spiel mit dem Sauerstoff
Ein positiver Refeprozeß wird aber nicht nur von der Feinhefe begünstigt, sondern auch von einem gewissen, geringen Maß an Sauerstoff. Da Weißweine mit ihren zarten Aromen deutlich sensibler auf Oxidation reagieren als Rotweine, ist es besonders wichtig, das richtige Mittelmaß im Umgang mit dem Sauerstoff zu finden: Sehr reduktiv gelagerte Weine (Stahltank, hoher Gehalt an freiem, wirksamem SO2) sind in ihrer Entwicklung gehemmt, verschlossen und neigen dazu, bei der Reife in der Flasche und in offenen Flaschen sehr empfindlich auf Oxidation zu reagieren. Im positiven Fall sind sie jugendlich-fruchtig und erfrischend, wenn auch meist eindimensional und jung zu trinken.
Relativ „oxidativ“ (besser gesagt „zu wenig reduktiv“, denn es geht ja nicht um Oxidation im Sinne von Oloroso-Sherry) ausgebaute Weine (Holzfaß, niedriger SO2-Spiegel, eventuell einige Zeit nicht voll) verlieren durch die Oxidation an aromatischer Vielfalt und altern vorschnell.
Die verschieden Wege dazwischen (Holzfaß mit mittlerem SO2-Spiegel, Stahltank mit niedrigem SO2-Spiegel und Oxidationsschutz durch Feinhefe, Stahltank oder Faß mit höherem SO2-Spiegel aber unvermeidlicher Belüftung bei einem zweiten Abstich von Trubstoffen,…) können zu gut entwickelten, komplexen und äußerst langlebigen Weinen führen, die langsam altern und Luft gut vertragen oder sogar brauchen.
Stabil oder nicht stabil, das ist hier die Frage
Während der Reifezeit in Faß oder Tank werden die trüben jungen Weißweine auch von selbst stabiler, da Weinsteinkristalle und Eiweiß ausfallen. Spätere Schönungen und Behandlungen zur Stabilisierung können so eingespart oder zumindest geringer (und damit schonender) dosiert werden.
Die abgestorbenen Hefezellen geben bestimmte Inhaltsstoffe an den Wein ab, die den Wein vollmundiger und „cremiger“ machen und auch zur Stabilität beitragen, weil sie Weinstein und Eiweißtrübungen „bremsen“.
Trotzdem ist es notwendig, die Weine spätestens vor der Abfüllung auf ihre Stabilität zu prüfen. Auch wenn Eiweißtrübungen und Weinsteinkristalle in der Flasche die Qualität des Weines nicht vermindern, so sind sie doch zumindest ein Schönheitsfehler, der von der Überwiegenden Mehrzahl der Konsumenten heutzutage nicht (mehr) toleriert wird.
Früh abgefüllte Weißweine werden häufig durch den Zusatz von Metaweinsäure weinsteinstabil gemacht. Diese besondere Form der Weinsäure kann das Ausfallen von Weinsteinkristallen ein- bis eineinhalb Jahre lang verhindern. Die sicherere Variante um Weinsteinstabilität zu erreichen ist eine kühle Lagerung (oder, wie in unserem Fall, ein zumindest im Winter sehr kalter Keller) vor der Abfüllung. Lagert der Weißwein einige Tage oder Wochen bei 4°C fällt auch der Weinstein aus, der instabil, aber noch unsichtbar im Wein gelöst ist.
Eiweißtrübungen werden durch ein Entfernen des instabilen Eiweißes mittels Bentonitschönung verhindert. Wie hier beschrieben kann die Schönung bereits im Most erfolgen und/oder auch im Wein. Im Wein wird der genaue Schönungsbedarf mit Vortests ermittelt, um die geringstmögliche und damit schonendste Dosis anwenden zu können. Anders als die Metaweinsäure (die ein Zusatzstoff ist) wird das Bentonit (ein Schönungsmittel) wieder vollständig aus dem Wein entfernt, nachdem es das instabile Eiweiß an sich gebunden hat.
Weiter Stabilisierungsmaßnahmen (z.B. gegen spätere Metalltrübungen) und Behandlungen (z.B. gegen leichte Weinfehler) sollten bei hochwertigem Traubenmaterial und umsichtiger Verarbeitung eigentlich nicht notwendig sein. Da in allen Weinkellern wie auch in allen Küchen gelegentlich nicht alles so läuft, wie geplant, werden solche Maßnahmen auch von Qualitätswinzern in seltenen Fällen eingesetzt, um zu retten, was zu retten ist.
Wenn du es eilig hast, gehe langsam
Wenn Jungweine sehr früh blank filtriert werden, ist das meist eine ziemlich mühsame und für den Wein strapaziöse Angelegenheit. Nicht selten sind mehrere Durchgänge notwendig, um den milchig-trüben Wein strahlend klar zu bekommen. Jedes Mal muß der Wein gepumpt und gegen den Widerstand der Filterstoffe gepreßt werden, was dem Wein Substanz und viel gelöste Gärungskohlensäure kostet. Ist es dabei auch noch relativ warm im Keller geht einiges an Frische und Aroma verloren. Und manchmal muß man den Wein einige Wochen danach noch einmal filtrieren, weil er z.B. nicht eiweißstabil war und mit Bentonit geschönt werden mußte.
Läßt man den Weinen hingegen einige Wochen oder Monate Zeit, sinkt der größte Teil der Feinhefe von selbst zu Boden. Vor allem in Holzfässern wird der größte Teil des Weines von selbst fast strahlend klar. Stahltanks zeigen eine langsamere Selbstklärung, weil sie eine glattere Oberfläche haben und keinen Sauerstoff durchlassen. Aber selbst aus Stahltanks sind die Weine nach einiger Zeit sehr leicht und schonend zu filtrieren. Oft ist es nach einigen Monaten Reife auf der Feinhefe auch deutlich kühler im Keller als unmittelbar nach der Gärung, was den Vorgang der Filtration noch schonender macht. Und wenn man kurz vor der Filtration eine eventuell notwendige Bentonitschönung durchführt erhält man mit einer einzigen, leicht durchzuführenden und deshalb äußerst schonenden Filtration einen blanken, stabilen und damit praktisch füllfertigen Jungwein.
Manchmal kommt es anders…
…als der Kellermeister denkt oder plant. Auch die Feinhefe (und nicht nur die „Vollhefe“) kann Fehlentwicklungen im Wein auslösen oder begünstigen. Wirkt ein Wein in seiner Entwicklung gehemmt, zeigt er leicht gemüsige Aromen oder sogar erste Böckser-Symptome (Geruch nach Knoblauch oder faulen Eiern) ist es Zeit, die noch vorhandenen Hefezellen aus dem Wein zu entfernen. Auch wenn gerade für diesen Wein ein besonders langes Hefelager „geplant“ war. Wenn die Hefelagerung aber für den gewünschten Weintyp unverzichtbar erscheint, kann man dem Wein die „gesunde“ Hefe eines anderen, frisch abgezogenen Weines zugeben.
1 Gedanke zu „Von der Traube zum Weißwein, Teil 8“