Die Gärung: Zügig…
Die ideale Gärung beginnt rasch und verläuft zügig. Schleppende Gärungen sind eine Quelle für die Entstehung von Weinfehlern und bergen das Risiko eines Steckenbleibens in sich. Stellt die Hefe ihre Tätigkeit vorzeitig ein, bedeutet der unerwünschte Restzucker im Wein nicht nur ein qualitatives Risiko (trockene Weine sind bei nicht-steriler Lagerung stabiler und benötigen weniger SO2 zur Stabilisierung bzw. als Oxidationsschutz), sondern oft auch einen wirtschaftlichen Schaden, wenn der Wein nicht dem gewünschten trockenen Ausbaustil entspricht.
Steckengebliebene Gärungen sind nur mehr sehr schwer oder gar nicht wieder in Gang zu bekommen. Nachträgliche Reinzuchthefe-Beimpfungen, Hefenährsalze und höhere Gärtemperaturen haben sehr oft nachteilige Auswirkungen auf die Weinqualität. Um den Verlauf der Gärung zu kontrollieren, werden heutzutage vom Kellermeister für jeden Gärbehälter sogenannte Gärkurven gezeichnet. Dafür wird während der Gärung täglich die Dichte des Mostes/Weines gemessen, die die Zuckerabnahme und Alkoholzunahme widerspiegelt. Gemeinsam mit der Messung der Temperatur liefert dieses Gärdiagramm wertvolle Hinweise auf eine „verdächtige“ Entwicklung der Gärgeschwindigkeit.
Während Reinzuchthefen unter anderem auf eine sichere Endvergärung hin ausgewählt werden, läßt sich bei der Spontangärung nicht immer sagen, ob der dominierende Hefestamm auch wirklich ausdauernd genug ist, um die Gärung vollständig zu beenden. Spontan vergorene Weine weisen daher nicht selten einige Gramm Restzucker auf, was von vielen als positive Abrundung, von anderen aber als uniformierende und Fehler kaschierende Süße empfunden wird.
…aber nicht stürmisch
Verläuft die Gärung zu rasch, tritt häufig folgendes Phänomen ein: Im ganzen Keller sind die Aromastoffe des Weines riechbar, nur im Wein selbst sind sie nicht mehr zu finden.
Bei zu stürmischen Gärungen werden die 50 Liter CO2 pro Liter Most innerhalb von drei bis vier Tagen fast explosionsartig freigesetzt und treiben Aroma, Feinheit und Eleganz aus dem Wein. Solche Weine wirken of ausdruckslos und breit. Steigt die Gärtemperatur als Folge einer zu schnellen Vergärung auf 34°C oder mehr, nimmt die Hefe an der von ihr selbst freigesetzten Hitze Schaden und stellt ihre Gärtätigkeit ein.
Eine solcherart steckengebliebene Gärung ist der ideale Nährboden für unerwünschte Mikroorganismen aller Art: warm, nicht zu alkoholhältig, sehr trüb und nicht mehr von Hefen dominiert.
Steuerungsmöglichkeit Gärtemperatur…
Eines der wirksamsten Instrumente zur qualitätsorientierten Steuerung der Gärung ist die Temperaturregelung. Niedrigere Gärtemperaturen verlangsamen die Gärung, höhere beschleunigen sie. Während in kühlen Erdkellern und relativ kleinen Behältern eine Temperatursteuerung wegen der hohen Wärmeabstrahlung des Weines kaum notwendig (und meist auch gar nicht möglich) war bzw. ist, erfordern größere Behälter, höhere Temperaturen bei der Ernte (durch frühere Lesetermine) und gestiegene Qualitätserwartungen heute fast immer eine Kühlung der Weißweinmoste um die Gärung zu bremsen.
Die meisten Weißweine werden heute zwischen 16 und 20°C vergoren. Höhere Temperaturen fördern die Komplexität und sichern eher ein vollständiges Durchgären, niedrigere begünstigen die Fruchtigkeit und Spitzigkeit. Je kühler ein Wein vergoren wird, umso stärker gerät die Hefe dabei in eine Streßsituation, die zu Gärproblemen und geschmacklichen Auswirkungen führen kann. Unter Streß entstehen bei jedem Hefestamm (und nicht nur bei den sogenannten „Aromahefen“) Fruchtaromen, die in einem gewissen Ausmaß in ihrer Jugend einen Wein durchaus interessant machen können. Aus diesem Grund werden gerade eher „neutrale“ Rebsorten heute oft sehr kalt vergoren und riechen deshalb ungewohnt intensiv nach sauren Drops („Fruchtzuckerl“), Pfirsich und Banane.
Diese Aromastoffe sind allerdings nicht besonders haltbar, weshalb gerade bei besonders reduktiv (unter weitgehendem Sauerstoffabschluß) verarbeiteten und kalt vergorenen Weinen der Alterungsprozeß in der Flasche sehr rasch einsetzt. Auch neigen die Kaltgäraromen dazu, die sorten- und gebietstypischen Aromen zu überdecken, sodaß im schlimmsten Fall alle Weine eines Kellers aromatisch weitgehend uniform sind, wenn sie alle (zu) kalt vergoren wurden.
…und die Rolle der Trubstoffe
Je trüber ein Most bei Gärbeginn, umso rascher setzt die Gärung ein, da mit dem Trub auch viele Hefezellen vorhanden sind. In trüben Mosten verläuft die Gärung allerdings auch sehr stürmisch, da die Hefezellen nicht nur viel mehr Nährstoffe sondern mit den Trubteilchen auch jede Menge Ansiedlungspunkte im Most vorfinden.
Die Vorklärung des Mostes (das „Entschleimen“) ist also ein wesentlicher Punkt, um die Gärung zu bremsen. Da beim Abtrennen der Trubstoffe auch Erdteilchen, ein großer Teil der natürlich auf den Trauben vorkommenden Mikroorganismen und eventuelle Pflanzenschutzmittelreste weitgehend entfernt werden, ist das „Entschleimen“ eine der wichtigsten Maßnahmen um Weinfehlern vorzubeugen und die Qualität des späteren Weines zu fördern. Nach einer Studie des Oenologen Volker Schneider (Seite 7 unten) reduziert das Entschleimen (gemeinsam mit einer oxidativen Traubenverarbeitung) auch bestimmte Gerbstoffe im Wein, die die Alterungsprozesse des Weißweines beschleunigen.
Auch wenn es aus dieser Sicht so aussieht, als ob es das Beste wäre, völlig blanke Moste zu vergären, ein gewisses Maß an Trubstoffen ist notwendig, um ausreichend Nährstoffe und Ansatzpunkte die Hefe für eine nicht stockende Gärung zu haben. Ähnlich wie bei der Gärtemperatur fördert ein im akzeptablen Bereich eher höherer Trubstoffgehalt die Komplexität zu lasten der Frucht, während ein niedrigerer Trubstoffgehalt tendenziell Fruchtigkeit bei geringerer Komplexität begünstigt.
Moderne Betriebe messen den Trubstoffgehalt mit speziellen Geräten und geben ihn mit der Einheit NTU an. Sehr viele Winzer vertrauen aber auf ihr Auge und ihr Gefühl, um die Trubstoffmenge und deren Auswirkungen einzuschätzen.
Hefenährstoffe und Sauerstoff
Die Gärung ist ein anaerober Prozeß, das heißt, sie läuft auch unter Luftabschluß. Zu ihrer Vermehrung benötigt die Hefe allerdings ein gewisses Maß an Sauerstoff. Diesen Bedarf deckt sie am Beginn der Gärung aus dem Sauerstoff, der in geringer Menge im Most gasförmg gelöst ist. Sobald aber die Gärung richtig einsetzt, treibt das entstehende CO2 auch das letzte Sauerstoffmolekül aus dem Most.
Um die Hefevermehrung zu fördern (im Interesse eines sicheren Durchgärens) kann man den Most während der Gärung belüften. Dabei wird er in einen anderen Tank oder Bottich geplätschert, damit er Sauerstoff aufnehmen kann, der der Hefe für kurze Zeit zur Verfügung steht, bis das laufend entstehende CO2 ihn wieder austreibt.
Gibt es Grund zur Annahme, daß es der Hefe an Nährstoffen mangeln könnte, kann man dem Most Stickstoffverbindungen und Vitamine zugeben, damit diese der Hefe in ausreichendem Maß zur Verfügung stehen. Wenn die Trauben nicht gerade aus Weingärten mit Wasser- oder Nährstoffmangel oder zu hohem Ertrag stammen und der Most nicht zu extrem vorgeklärt wurde, gibt es allerdings in den wenigsten Fällen einen echten Bedarf dafür.
Das Gärende
Irgendwann endet jede Gärung. Im Normalfall dann, wenn kein Zucker mehr vorhanden ist, den die Hefe noch vergären könnte. Da jeder Most auch unvergärbare Zucker enthält, weisen selbst „staubtrockene“ Weine einen Restzuckergehalt von 0,7 bis 1,5 g/l auf.
Wenn am Ende der Gärung kein trockener Wein stehen soll und die Gärung nicht zufällig beim passenden Restzuckergehalt von selbst steckenbleibt, wird die Gärung unterbrochen. Die sicherste Methode dafür ist das Abtrennen der Hefe mittels Filtration oder Zentrifuge, was aus dem gärenden Sturm in einem Arbeitsgang einen klaren, sterilen Wein macht, der bis in die Flasche steril gelagert und behandelt werden muß, um Nachgärungen vorzubeugen. Auch wenn der Wein einige Zeit braucht, um diesen Vorgang zu verdauen, ist diese Methode meist qualitativ zu bevorzugen.
Ein Abstoppen der Gärung mittels Kühlung, um die Gärung zu bremsen und einer anschließenden relativ hohen SO2-Gabe erspart die Filtration letztlich nicht und birgt das Risiko in sich, einen recht unbekömmlichen Wein zu ergeben, der deutlich mehr Schwefel zu seiner Stabilisierung braucht.
Während in Deutschland die Methode der „Süßreserve“ auch für Prädikatsweine zugelassen ist, dürfen in Österreich damit nur Qualitätsweine maximal halbtrocken oder beginnend lieblich gemacht werden. Bei diesem Verfahren werden die Weine nicht in der Gärung unterbrochen, sondern bis zum natürlichen Gärende vergoren und im nachhinein mit Traubensaft oder Saftkonzentrat auf den gewünschten Restzuckergehalt eingestellt. Wenn es nur um die Bekömmlichkeit der Weine ginge, wäre die Süßreserve der Gärungsunterbrechung auf jeden Fall vorzuziehen, da diese Weine meist weniger SO2 zur Stabilisierung benötigen als vergleichbare gärungsunterbrochene. Gerade bei hohen Restzuckergehalten ist die Gärungsunterbrechung der Süßreserve geschmacklich allerdings fast immer deutlich vorzuziehen, weil die Süße besser in das Gesamtgefüge des Weines integriert ist.
Moste aus überreifen Trauben mit dementsprechend hohen Zuckergraden machen der Hefe das Leben schwer. Stoffwechselprodukte der Botrytis (Edelfäule) hemmen ihre Vermehrung und zerstören wichtige Hefenährstoffe und der hohe osmotische Druck (durch den hohen Zuckergehalt, der das Wasser im Most stark an sich bindet) verlangsamt die Gärung. Kommt dann noch der langsam steigende Alkoholgehalt dazu, bleibt bei höheren Prädikatsweinen ein gewisses Maß an Restzucker von allein erhalten. Je nach Hefestamm, Temperatur und Most endet die Gärung manchmal schon bei sehr niedrigen Alkoholgehalten (und dementsprechend hohem Restzucker), manchmal aber auch erst bei 17% Alkohol (und deutlich weniger Restzucker) die alleine schon für die Hefe tödlich sind.
Hi!
Ich verfolge den Weblog schon seit einiger Zeit mit großem Interesse. Danke für die lehrreichen Geschichten! Etwas ist mir noch sehr Unklar: die Rolle vom Schwefeldioxid. Zerstört es nicht den Geschmack des Weines? Ist das für den Kater am nächsten Tag verantwortlich oder das durch den Wasserentzug geschrumpfte Gehirn?
liebe Grüße aus Triest,
Florian
Hallo Bernhard, aber die Filtration erspart nicht vollumfänglich das Schwefeln, oder doch?
cheers
Felix
Hallo Felix!
Eine Filtration zur Gärungsunterbrechung erspart das Schwefeln nicht. Aber sie verhindert, daß die Gärung trotz Schwefelung langsam weitergeht (die erlaubten SO2-Mengen hemmen die Hefe ja nur und töten sie nicht ab).
Eine schleichende Gärung produziert wie jede Gärung SO2-abbindende Substanzen, die das freie (sprich wirksame) SO2 abbinden und so ein ständiges Nachdosieren notwendig machen. Solche Weine kommen recht schnell an die gesetzlichen SO2-Obergrenzen und sind auch nicht sonderlich bekömmlich.
Bei der Süßreserve gibt es am wenigsten schwefelabbindende Substanzen. Die werden am Ende einer Gärung (wenn der Wein trocken ist) weitgehend abgebaut, da es sich um Zwischenprodukte auf dem chemischen Weg vom Zucker zum Alkohol handelt. Die Süßreserve enthält gar keine solchen Substanzen, da sie ja nie gegoren hat und somit gibt es in Süßreserve-Weinen am wenigsten gebundenes SO2.
Grüße
Bernhard
Hallo Florian!
Schwefeldioxid zerstört den Geschmack des Weines nicht. Ein gewisses Maß an SO2 ist sogar notwendig, um den Geschmack des Weines so wie wir ihn kennen zu erhalten. Aber wie bei so vielem kommt es auf die Dosis und den Zeitpunkt an. Mehr dazu folgt in Teil 6 und später.
Für das Kopfweh ist heutzutage (sprich: bei den heute erlaubten Höchstmengen) nur sehr selten das SO2 (allein) verantwortlich. Eher sind es zum Teil nicht sensorisch als eindeutige Fehler erkennbare Substanzen wie Histamin und andere biogene Amine, die bei unsauberer Verarbeitung oder schlechtem Traubenmaterial entstehen können. Wird die unsaubere Verarbeitung mit einer höheren SO2-Dosis „kompensiert“, ist es oft besonders schlimm.
Und natürlich spielt der Wasserentzug durch den Alkoholabbau neben der getrunkenen Menge 😉 eine Rolle.
Grüße
Bernhard