Weinrallye Nr. 19 – Aufgespritete Weine

Heute geht die 19. Etappe der von Winzerblogger Thomas Lippert initierten Wein(blog)rallye über die Bühne, bei monatlich an einem bestimmten Tag zahlreiche deutschsprachige Genussblogger mit völlig unterschiedlichen Zugängen über ein gemeinsames Thema schreiben. Betreut wird diese Etappe von Vinissimus, einem der seltenen Landsmänner und -frauen in der Weinbloggerszene und auf sein Geheiß sind diesmal aufgespritete Weine aus aller Welt das Thema.

Passenderweise habe ich erst vorige Woche wieder einmal bei einem Aufbauseminar II über diesen besonderen Weintyp referiert. Da ich mich aber als Lektor im Seminar auch auf die Teilnehmer und nicht nur auf die Weine konzentrieren muß, gibt es leider keine Verkostungsnotizen von Sherry, Port, Madeira und Co.

Dafür kann ich aber – in etwas großzügiger Interpretation des Themas – mit ein paar Informationen zur Herstellung dienen:

Sherry

Sherry ist ein aufgespriteter Wein aus dem Weinbaugebiet rund um Jerez de la Frontera im äußersten Südwesten Spaniens. Die besten Weingärten stehen in diesem trockenen, heißen Gebiet auf gut wasserspeichernder Kreideböden, der sogenannten Albariza. Fast alle Weingärten sind mit der Traubensorte Palomino fino bepflanzt.

Die Grundweinbereitung für Sherry ist relativ unspektakulär. Die Palomino-Trauben werden bei relativ hohen Temperaturen in Tanks, Zisternen oder gelegentlich auch in Fässern zu einem trockenen Weißwein mit 12 bis 13 Prozent Alkohol vergoren. Um den klimabedingt niedrigen Säuregehalt zu erhöhen, wird dem Most oder Wein sehr oft Weinsäure zugesetzt. Früher wurde den Weinen zum gleichen Zweck Gips zugegeben, der im Wein Schwefelsäure freisetzt (die nicht zu verwechseln ist, mit dem auch bei der normalen Weinbereitung verwendeten SO2).

Erst im Jungweinstadium legt der Kellermeister nach eingehenden Verkostungen fest, welcher Grundwein sich für welchen Sherry-Stil eignet. Die feinsten Weine werden mit praktisch reinem Alkohol (der in der Regel aus spanischen Weinen destilliert wurde) auf rund 15 Prozent aufgespritet und ergeben später meist FINO-Sherries.

Ihre Reifung erfolgt in einem ausgeklügelten System von Faßreihen, der sogenannten Solera. Dabei werden immer wieder jüngere zu älteren Weinen gemischt und die Fässer über Jahrzehnte nie vollständig entleert. Diese Jahrgangsverschnitte führen nicht nur zu einem gleichmäßigen Weinstil sondern sorgen auch für eine gute Versorgung der sogenannten Florhefe. Diese liegt zentimeterdick wie eine Schutzschicht über dem Wein und sorgt dafür, dass die Weine nicht oxidieren, obwohl die Fässer bewußt nur zu zwei Drittel befüllt werden.

FINO-Sherries werden nach einer durchschnittlichen Lagerdauer von drei bis fünf Jahren abgefüllt. Sie riechen zwar anders als herkömmliche Weißweine, da ihnen ihr Flor hefig-salzige Aromen verleiht, sind aber nicht oxidativ, wie das die meisten Konsumenten generell von Sherry annehmen. Außerdem sind sie trocken und werden wie normale Weißweine am besten gekühlt und recht bald nach dem Öffnen der Flasche getrunken.

Einige Sherry-Bodegas besitzen Lagerräume in der kühleren Küstenstadt Sanlucar de Barrameda. Die dort gereiften Finos gelten als besonders hochwertig, weil sich im Meeresklima eine dickere und ausdauerndere Florhefeschicht bilden kann. Um diese Besonderheit herauszustreichen werden sie nicht Fino sondern MANZANILLA genannt.

Die weniger eleganten Grundweine werden im Jungweinstadium auf über 16,5 Prozent Alkohol aufgespritet. Dieser Wert verhindert die Bildung von Florhefe, damit diese Weine im Solera-System über Jahrzehnte zu oxidativen OLOROSO-Sherries heranreifen können.

Olorosos riechen so, wie man sich als Laie Sherry vorstellt. Aber sie sind nicht notwendigerweise süß, sondern ursprünglich genau so trocken wie Finos. Während Sherry-Kenner und die Spanier generell den sicherlich „schwierigeren“ trockenen Stil bevorzugen, werden einfachere Olorosos speziell für viele Exportmärkte vor der Abfüllung mehr oder weniger stark gesüßt. Dafür wird eine Art Traubensaftkonzentrat-Alkohol-Mischung aus der Pedro-Ximenes-Traube verwendet, die sehr hohe Zuckergehalte erreichen kann.

Auch AMONTILLADO-Sherries gibt es sowohl trocken als auch gesüßt. Sie starten ihre Reife meist wie Finos mit Florhefe, reifen aber länger bis die Florhefe abstirbt und eine oxidative Phase folgt. So sind sie eine Art Zwischenstufe zwischen Fino und Oloroso.

Port

Portwein ist im Unterschied zu Sherry fast immer rot und immer (mehr oder weniger) süß. Er stammt aus dem Douro-Tal im Landesinneren von Nordportugal. Dort wachsen auf steilen Terrassen mit Schieferböden mehr als zehn verschiedene alte Rotweinsorten, oft noch im gemischten Satz. Die einzige davon, die Portwein-Laien ein Begriff sein könnte ist, Tinta Roriz, besser bekannt als Tempranillo.

Wie beim Sherry läuft auch beim Portwein am Beginn der Weinbereitung alles ganz normal. Die Trauben werden eingemaischt und während der Gärung gründlich durchmischt, um Farbstoffe und Tannine aus den Schalen auszulaugen. Nach einigen Tagen aber, wenn der gewünschte Restzuckergehalt erreicht ist, wird der Alkoholgehalt mit beinahe reinem Alkohol auf über 18 Prozent erhöht, die Hefen damit abgetötet und die Gärung so beendet. Anschließend wird der Wein von den Schalen getrennt, um eine Extraktion von bitteren Tanninen durch den hohen Alkoholgehalt zu vermeiden.

Wegen der kurzen Kontaktzeit des Saftes mit den Schalen braucht es eine besonders gute, zugleich aber schonende Durchmischung der Maische. Besonders bewährt hat sich dafür das Treten mit Füßen in großen flachen Betonwannen, weshalb diese altertümlich erscheinende Methode von einigen Produzenten nach wie vor zumindest bei ihren Spitzenprodukten eingesetzt wird.

Da es im Dourotal im Sommer sehr heiß ist, werden die jungen Portweine im Frühling für die weitere Reifung von den kleineren Quintas mitten in den Weingärten flußabwärts in das an der Mündung des Douro in den Atlantik gelegene Städtchen Vila Nova de Gaia gebracht. Gegenüber der namensgebenden Stadt Porto reifen die Weine dort in den großen Lagern der Portweinhäuser je nach Stil unterschiedlich weiter.

RUBY-Ports lagern vergleichsweise kurz in großen Fässern oder Tanks. Je nach Qualität kommen sie nach zwei bis fünf Jahren als trinkreifer, kirschfruchtiger, süßer und alkoholkräftiger Rotwein in die Flasche. Wie bei fast allen Portweinen werden verschiedene Jahrgänge miteinander verschnitten.

Nur in den besten Jahrgängen füllen die Portweinhäuser ihre allerbesten Ruby-Qualitäten nach etwa zwei Jahren Faßlagerung jahrgangsrein als sogenannten VINTAGE-Port. Diese Weine sind das Aushängeschild der ganzen Region und gelten als ausgesprochen lagerfähig. Anders als normale Rubies sind sie bei der Abfüllung weit von jeglicher Trinkreife entfernt und bedürfen jahrelanger Flaschenreife. Dabei sondern sie in der Regel ein kräftiges Depot ab, und müssen dekantiert werden.

Ein Teil der Portweine wird deutlich oxidativer gereift. Auch wenn die Fässer für TAWNY-Ports anders als beim Oloroso-Sherry vollgefüllt werden, merkt man den Weinen nach Jahrzehnten der Reifung in kleineren Fässern den Sauerstoffeinfluß an. Tawnies kommen (nicht jahrgangsrein, sondern als durchschnittlich) 10-, 20-, 30- oder 40-jährig auf den Markt und sind weniger von frischen (über)reifen Fruchtaromen als von Karamel, Nüssen und Dörrobst geprägt. Ganz selten gibt es auch jahrgangsreine Tawnies, sogenannte COLHEITAs.

Der in den letzten Jahren besonders in der Gastronomie populär gewordene Stil des LATE BOTTLED VINTAGE verbindet Ruby und Tawny. Er ist jahrgangsrein, aber nicht ganz so hochwertig (und teuer) wie ein echter Vintage. Da er länger im Faß bleibt, kommt er bereits trinkreif in die Flasche und sondert auch kein Depot mehr ab.

Madeira

Madeira stammt von der gleichnamigen, zu Portugal gehörenden Insel und gilt als der robusteste Wein überhaupt. Ihn kann man auch in geöffnetem Zustand über einen längeren Zeitraum ohne Qualitätsverluste genießen. Kein Wunder, denn was soll einem Wein noch passieren, nachdem man ihn aufgespritet hat und ihm schon vor der Füllung alles „angetan“ wurde, was man Wein nur „antun“ kann.

Die besten Madeiras (von denen es u.a. wegen der nach der Reblauskatastrophe bevorzugten minderwertigen Rebsorten nur sehr wenige gibt) reifen jahrzehntelang in Fässern auf Dachböden und werden so der Sonnenwärme mit ihren jahres- und tageszeitlichen Schwankungen ausgesetzt. Dieses Verfahren imitiert die Reifung auf den Schiffen der portugiesischen Entdecker. Damals galt Madeira als umso hochwertiger, je öfter er den Äquator überquert hatte.

Die meisten modernen Madeiras werden weit weniger aufwändig gelagert. Sie verbringen meist einige Monate in beheizten Tanks, die zwar den Kochton in den Madeira bringen, nicht aber die Feinheiten der traditionellen Verfahren. Nicht umsonst gilt Madeira heute eher als Kochzutat, denn als Wein.

Vin Doux Naturel, Liqueur Muscat, Malaga, Marsala und Co.

Sherry und Port sind die mit großem Abstand wichtigsten aufgespriteten Weine der Welt. Es gibt aber auch andere Regionen, die diesen Weinstil in ganz unterschiedlicher Ausprägung pflegen.

In Südfrankreich und an der Rhone werden aus der Rotweinsorte Grenache und dem weißen Muskat sogenannte Vin Doux Naturel hergestellt, von denen manche auch bewußt in der Sonne lagern, um ihnen einen sogenannten Rancio-Geschmack zu geben.

Auch in Australien spielt man beim aufgespriteten Liqueur-Muscat mit dieser Art von Reife. Spanien hat neben Sherry auch noch Montilla Moriles und Malaga zu bieten, Italien den fast vergessenen Marsala, Zypern den Commandaria und und und…

4 Gedanken zu „Weinrallye Nr. 19 – Aufgespritete Weine“

  1. Lieber Bernhard,

    einige kleine Korrekturen zu Deinem sonst gutverständlichen Beitrag über Sherry:
    – es stimmt, die Grundweinbereitung ist unspektakulär, geschieht aber heute durchwegs (mit ganz wenigen Ausnahemen) im Stahltank bei relativ niedrigen Temperaturen.
    – durch die relativ frühe Lese (~3. Augustwoche) wird auch auf ausreichende Säurewerte geachtet, biologischer Säureabbau ist Standard.
    – es wird immer vom „Solera-System“ gesprochen, richtigerweise würde es „Solera und Criadera-System“ heißen (nur der Vollständigkeit halber erwähnt)
    – die Florhefeschicht in den 4/5 gefüllten Fässern ist nicht Zentimeterdick, bestenfalls wenige Millimeter stark. Diese ist auch in Sanlucar de Barrameda und in El Puerto de Santa Maria nicht dicker, Sanlucar wird nur besser von kühleren Atlantikwinden erreicht, was ein gleichmässigeres Klima bedingt.
    – ich würd nicht sagen, „…die weniger eleganten Grundweine…“, sondern (wir sprechen von hochwertigen Oloroso-Basisweinen) die gehaltvolleren, extraktreicheren Grundweine. Die wirklich weniger eleganten Weine werden zu billigen Markenweinen verarbeitet, fast ausschließlich für den nordeuropäischen Markt, die sogenannten „gesüssten“, wie Medium, Cream etc. In diesen Fällen wird auch nicht mit Pedro Ximenes Süßwein „verbessert, sondern mit RTK, also eingedickten Traubensyrup.
    Im Gegenteil dazu gibt es auch einige wenige Creams und Mediums, welche mit PX gesüsst werden, die machen dann auch schon einen nobleren Eindruck.
    – zuletzt noch zum Amontillado: in der Regel werden die Weine nach 3-7 Jahren von der Florhefe genommen und auf ~17° aufgespritet, wo sie dann über einige Jahre (bis Jahrzehnte) unter Luftkontakt weiterreifen.
    Florhefe kann sich, wenn sie stets gut aufgefrischt wird, bis zu 8 oder 9 Jahre halten, dann sind die Nährstoffe restlos aufgebraucht. Bleibt der Wein weiterhin in diesem System, dann spricht man von einem „Fino-Amontillado“ bzw. „Manzanilla-Pasada“, leider stirbt diese Kategorie bald aus (keine Nachfrage).

    Liebe Grüße aus der Nachbarschaft,

    Gerhard

  2. Hallo Gerhard,

    herzlichen Dank für deine Ergänzungen, Korrekturen und Präzisierungen. Ich zehre diesbezüglich noch immer von meinem Diploma-Wissen und das ist doch schon ein paar Jahre her.

    Liebe Grüße

    Bernhard

Schreibe einen Kommentar

Time limit is exhausted. Please reload the CAPTCHA.