In dieser Serie stelle ich, wie im ersten Beitrag angekündigt, jene Weinbehandlungsmittel und -zusatzstoffe ausführlich vor, die in unserem Keller bei der Weinbereitung zum Einsatz kommen. Das Gesamtbild unserer „gläsernen“ Weine entsteht dabei nach und nach in der entsprechenden Beitragskategorie und in Form von Querverweisen zu den einzelnen Teilen dieser Serie unterhalb des ersten Beitrages.
Weinsäure und andere
Auch bei bester Arbeit im Weingarten, eingehenden Reifeanalysen vor der Ernte und hoher Flexibilität bei der Wahl des Lesetermines landen immer wieder Trauben im Presshaus, bei denen Aromareife, Zucker- und Säuregehalt nicht ganz im Einklang stehen.
In kühleren Jahren werden die Trauben zwar oft aromatisch reif, erreichen aber nicht immer einen Zuckergehalt, der später als Alkohol im Wein dem Potential und den Erwartungen an die Qualität der Trauben entspricht. Dafür nützen wir fallweise wie in Teil 7 beschrieben die Möglichkeit mit Saccharose geringfügig aufbessern zu dürfen.
Klimawandelbedingt gibt es immer seltener solche Jahrgänge, dafür werden die frühreifen, heißen und trockenen Jahre häufiger. Diese Wetterbedingungen führen zu niedrigen Säurewerten in den Trauben, denen man nicht immer durch eine vorgezogene Lese entgegenwirken kann. Zu frühes Ernten würde nämlich zwar mehr Säure, aber auch unreife, wenig attraktive und haltbare Aromen bedeuten.
Aus diesem Grund gibt es für unsere EU-Weinbauklimazone seit einigen Jahren die Möglichkeit, eine Säurezugabe zu Most und Wein, wie sie in den südlichen Ländern immer schon erlaubt war per Ausnahmegenehmigung zuzulassen. Erlaubt sind Weinsäure, Äpfelsäure und Milchsäure, die in Most und Wein auch von Natur aus vorkommen. Most und Jungwein darf maximal 1,5 g/l zugegeben werden, dem „fertigen“ Wein nochmal bis zu 2,5 g/l.
Die Säurezugabe dient nicht nur der geschmacklichen Harmonie der (in erster Linie) Weißweine, sondern sie beugt auch Weinfehlern vor. Je tiefer der pH-Wert (d.h. je höher die Säure) des Mostes umso eher setzt sich die säuretolerante echte Weinhefe gegen die empfindlicheren wilden Hefen und Bakterien durch. Außerdem wirkt der Zusatzstoff SO2 im sauren Milieu besser gegen unerwünschte Mikroorganismen und als Oxidationsschutz.
In der Praxis
Obwohl wir meistens mit der Lese recht früh dran sind, haben wir in extremen Jahren immer wieder Mostchargen mit weniger Säure, als wir für einen feingliedrigen, eleganten Weinstil für notwendig erachten. Anstatt rustikale, breite Weine zu riskieren, machen wir in solchen Fällen gerne von der jahrgangsspezifischen Ausnahmeregelung zur Säuerung Gebrauch.
Da wir von jeder Mostcharge den Säuregehalt messen, haben wir gute Vergleichswerte mit anderen Jahren und können mögliche Problemfälle früh erkennen. Diesen Mosten gebe ich schon vor der Gärung 0,5 bis 1 g/l Weinsäure zu, um etwa den Wert zu erreichen, den die Trauben in einem „normalen“ Jahr bei dieser Reife haben.
Viel davon kristallisiert während der anschließenden Gärung sofort wieder als Weinstein aus, dafür bleibt aber das traubeneigene Säurepotential weitgehend erhalten, weil es später kaum noch Weinstein gibt. Meist sind dann keine weiteren Säureanpassungen im Wein mehr notwendig, nicht zuletzt, weil die Weine solcher Jahrgänge oft schon bei niedrigeren analytischen Säurewerten harmonisch schmecken.
Hin und wieder halte ich aber auch noch eine Feinabstimmung im Jungwein für notwendig und gebe dafür 0,2 oder 0,3 g/l Äpfelsäure oder Milchsäure zu. Diese bleiben zur Gänze im Wein erhalten, da sie nicht wie die Weinsäure als Weinstein ausfallen.
Fazit
Wie alle Weinzusatzstoffe und -behandlungsmittel können auch Weinsäure und Co. keine Wunder wirken und aus überreifen Trauben von Reben mit Trockenstress grandiose Weine zaubern.
Nüchtern betrachtet und sinnvoll angewandt handelt es sich bei der Säuerung aber um ein Verfahren, dass vor allem beim Weißwein helfen kann, in Extremjahren mit der Ernte auf die Ausreifung der Aromastoffe in den Trauben warten und trotzdem harmonische, elegante Weine erzeugen zu können.
Damit stellt die Säurezugabe neben der Anpassung der Weingartenbewirtschaftung eine weitere Möglichkeit dar, mit dem Klimawandel umzugehen.