Man liest das öfter in Magazinen und Betriebsprospekten: Winzer XY macht keine Kompromisse, ist Qualitätsfanatiker, vom Weinvirus befallen.
Viele Kollegen fühlen sich von solchen Beschreibungen wohl geehrt (sonst würden sie sie ja auch nicht selbst verwenden) und treffend charakterisiert. Ich nicht. Mir stellen sich bei sowas alle Haare auf, die ich noch habe.
Mein Weininteresse ist weder krankhaft, denn bei aller Liebe zum Wein ist es mir wichtig, ihn nicht über Familie, Freunde, andere Interessen und Lebensglück dominieren zu lassen.
Noch bin ich fanatisch, halte meine Vorstellung von Wein(qualität) nicht für die alleingültige Wahrheit, versuche anderen Meinungen gegenüber offen und tolerant zu bleiben und habe keinerlei Ambitionen, meine Weinansichten mit missionarischem Eifer in die Welt zu tragen.
Und schon gar nicht bin ich kompromisslos, denn für mich ist ein guter Wein geradezu die Summe vieler kleiner bestmöglicher Kompromisse. Die beginnen schon bei der Auspflanzung eines neuen Weingartens und ziehen sich bis zur Abfüllung des Weines.
Um ganz aktuell zu bleiben: Ernte ich meine Trauben spät, um so viel Zucker (=Alkohol, Kraft, Extrakt) wie möglich zu bekommen? Oder früher, um mehr Säure (=Feinheit, Frische, Eleganz) zu bewahren? Oder versuche ich den Kompromiss aus beidem, entweder durch einen mittleren Erntetermin oder durch das spätere Verschneiden von früh- und spätgelesenen Chargen?