Denkwürdige Jahrgänge: 1995

Botrytis beim Neuburger 2008

Das Weinjahr 1995 ist das beste Beispiel dafür, wie sinnlos Pauschalaussagen über die Qualität eines Jahrgangs sind. Obwohl dieses Jahr nämlich nach dem Witterungsverlauf und den trockenen Weiß- und Rotweinen allerhöchstens das Prädikat „mittelmäßig“ verdienen würde, zählt es auf seine Weise doch zu den bemerkenswertesten der letzten Jahrzehnte. Aber der Reihe nach:

Einem wenig auffälligen Frühjahr und Sommer folgten 1995 ab Mitte August einige recht feuchte Wochen, die dem Botrytispilz perfekte Bedingungen boten. Dank der richtigen Kombination von nassen und trockenen Phasen entwickelte sich die Edelfäule so sauber und ohne störende Schimmelarten und Bakterien wie selten.

Bereits vor Erntebeginn waren die allermeisten Trauben zumindest teilweise von Edelfäule befallen, die trotz bestmöglicher Auslese bei der Ernte ihre Spuren in den Weinen in Form von Honignoten und goldigen Farbtönen bei den Weißweinen und leicht braunen Reflexen bei den Roten hinterlassen hat.

Beim spätreifen Cabernet Sauvignon waren es schließlich sogar mehr als nur Reflexe, und wir haben den Wein später gar nicht gefüllt, weil wir mit dem Hinauszögern des Erntetermines für das letzte kleine Quentchen an Reife zu hoch gepokert hatten.

Auch beim Pinot blanc war es knapp, aber es gelang uns mit großer Erntemannschaft an einem ganzen Lesetag genügend nicht (!) edelfaule Beeren herauszuzupfen, um wenigstens rund 1000 Liter trockenen Pinot keltern zu können. Aus den Botrytisbeeren entstand mehr oder weniger nebenbei eine süße Auslese mit rund 24°KMW.

Beim Chardonnay war die Lage ähnlich, aber weil wir noch genügend Wein aus dem Jahr davor auf Lager hatten, beschlossen wir, uns die mühsame Selektion zu sparen und die Trauben noch nicht zu ernten. Wie beim restlichen Pinot blanc wollten wir daraus später aber keine mittelsüße Auslese, sondern wenn möglich einen hochgradigen Prädikatswein keltern.

Dass das funktionieren müßte, war absehbar, als sich die Wetterlage Ende September deutlich besserte. Schon Mitte Oktober waren die edelfaulen Beeren deutlich eingeschrumpft, und wir schritten zur Tat.

Sowohl in den verbliebenen Pinot blanc-Weingärten als auch beim Chardonnay konnten wir vom ersten bis zum letzten Rebstock, von der ersten bis zur letzten Traube ohne auch nur eine Beere wegen minderwertiger Fäulnis oder nicht ausreichendem Zuckergehalt aussortieren zu müssen alles mit einem Mostgewicht von rund 36°KMW ernten.

Dem traditionellen Ausbruch-Verfahren folgend wurden diese Trauben eingemaischt und kurz vor dem Pressen die zuvor gemeinsam mit dem trockenen Pinot blanc geerntete Auslese zum Auslaugen des Zuckers zugegeben. Das Endresultat war ein Ausbruch von enorm hoher Qualität und Konzentration in einer für unsere Dimensionen gewaltigen Menge.

Von beidem profitieren wir übrigens noch heute, denn ein paar Flaschen haben wir davon immer noch zu verkaufen, und dank der beinahe einzigartigen Süßweinqualität des Jahrgangs 1995 hat sich der Wein wunderbar entwickelt.

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