Nüchtern betrachtet

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Natürlich enthält mein Bericht über eine Studie, die festgestellt hat, dass Weininteressierte weniger mit alkoholärmeren Weinen anfangen können ein wenig Polemik und ein gehöriges Maß an Provokation.

Wie durchaus zurecht in den Kommentaren kritisiert, ist die Untersuchung nicht wirklich repräsentativ und steht wohl auch methodisch auf schwachen Beinen.

Völlig von der Hand zu weisen ist der Gedanke, dass Weinfreaks sich mit leichten Weinen schwerer tun meiner Meinung nach aber trotzdem nicht. Auch wenn manche Weinprofis sogar behaupten, niemand wolle die dicken Brummer wirklich.

Mehrere Alltagsbeobachtungen legen nämlich eher das Gegenteil nahe:

So passiert es immer wieder, dass Leitartikel und Kommentare zwar weniger Alkohol einmahnen, in den gleichen Publikationen aber bei den Verkostungen dann doch die 14- und 15-Prozenter auf dem Siegertreppchen landen.

Aber nicht nur in den Medien, auch in Weinbauernkreisen haben es leichtere Weine im direkten Wettbewerb meist schwer, sich die verdiente Aufmerksamkeit zu verschaffen. Immer wieder schwingt im Urteil das „schön, aber ein wenig dichter/voller/kräftiger/länger/… sollte er noch sein“ mit.

Interessierte Weinlaien vollziehen dieses Hinaufschrauben der Erwartungshaltung oft recht schnell nach. Erntet man als Vortragender bei Einsteigerseminaren auch für leichte und mittelgewichtige Tropfen noch einige Aufmerksamkeit, werden diese in weiterführenden Kursen sehr häufig nur mehr recht oberflächlich kommentiert.

Umgekehrt plagen sich Weinneulinge nicht selten mit jenen wuchtigen Weinen (die dem ungeübten Gaumen mit ihrem süßlich-vollen Körper und einer eher unauffälligen Säure eigentlich eher zusagen sollten), die den geübteren Verkostern anerkennende „Ah´s“ und „Oh´s“ entlocken.

Dafür verantwortlich ist natürlich nicht nur der höhere Alkoholgehalt solcher Weine, sondern zweifellos auch die mit der höheren Traubenreife neben der Alkoholzunahme einhergehende Steigerung an Aroma- und Extraktstoffen.

Die meisten Weinliebhaber nehmen also die höheren Prozente auf der Suche nach mehr Geschmack und Qualität wohl eher nur in Kauf, als dass sie sie tatsächlich gezielt anstreben. Aber trotz dieser naheliegenden Erklärung bleibt eine Frage offen:

Wie kam es dazu, dass der Alkohol-Maßstab vieler Weinfreaks so weit nach oben verschoben ist? Über 13 bis allerhöchstens 14 Prozent hat der Alkoholgehalt in vielen Fällen nämlich kaum noch etwas mit der Traubenreife zu tun, sondern wird nicht selten bewußt mittels Aufbesserung oder Mostkonzentration im Keller eingestellt.

Oder durch eine bewußte Ernte überreifer Trauben im Weingarten herbeigeführt, die sowohl beim Weißwein, wie auch bei den Roten nichts, aber auch gar nichts mit einem Plus an Qualität, sondern allerhöchstens mit einem anderen Weinstil zu tun hat.

Ist es eine Frage der Gewöhnung, dass Weinliebhaber im Vergleich zu Normalverbrauchern schweren Weinen gegenüber oft positiver eingestellt sind?

Liegt es an unterschiedlichen Trinkgewohnheiten? Setzen die einen Weine sehr bewußt z.B. zum Essen ein, trinken sie möglicherweise weniger, dafür aber hochwertigere Weine und haben deshalb weniger Probleme im Umgang mit hohen Alkoholwerten?

Oder fehlt den Fachkreisen manchmal einfach nur jemand, der sich wie ein naiver Gelegenheitsweintrinker auch bei teuer bezahlten Flaschen traut, den hohen Alkohol unharmonisch und qualitätsmindernd zu nennen?

Ganz so wie das Kind im Märchen „Des Kaisers neue Kleider„…

7 Gedanken zu „Nüchtern betrachtet“

  1. In unserer laufenden Verkostung für die nächste Ausgabe des Magazins „A la Carte“ zum Thema „Grüner Veltliner 2010 trocken“:

    Nigl, Pellingen Privat: 14,5%
    Hirtzberger, Honivogl Smaragd: 14,5%

    Glaubst Du wirklich, dass da aufgebessert oder konzentriert wurde? Oder dass die nicht gut schmecken?

  2. Gegenfrage:

    Glaubst du wirklich, dass 14,5 (d.h. real bis zu 14,9) Prozent ausgerechnet im Jahrgang 2010 aus gesundem, reifem Traubenmaterial stammen?

    Es muß dafür ja nicht aufgebessert oder konzentriert worden sein (wobei ich beides nicht grundsätzlich für verwerflich halte). Teilweise überreife, botrytisbefallene Trauben reichen ja schon, und damit ist man bei der Frage, ob das besser ist, als ein Wein aus gesünderem Traubenmaterial mit „nur“ 13,5 Prozent. Oder nicht besser, sondern nur anders.

    Dass die Weine gut schmecken (können, denn ich kenne sie nicht), habe ich nicht bestritten.

    Aber ich bin mir sicher, dass Gelegenheitsweintrinker damit (nicht nur, aber auch wegen des hohen Alkohols) weniger anfangen können, als viele Weinfreaks.

    Herzliche Grüße

    Bernhard

  3. Ich glaube, das liegt (auch) daran, dass man als Weinliebhaber im Lauf der Jahre „lernt“, dass höhere Alkoholgehalte auch höhere Qualität/höhere Preise bedeuten. Der Vergleich mit „des Kaisers neue Kleider“ ist natürlich naheliegend. Siehe z.B. die Wachauer Kategorien oder auch div. „Reserve“-Weine in den DAC, die ebenfalls höheren Alkohol verlangen. Wenn dann – wie üblich – die besten Lagen vorzugsweise in der alkoholreichsten (und damit teuersten) Kategorie ausgebaut werden, dann bildet sich dieses Gefüge automatisch aus. Die Winzer sind an dieser Entwicklung wohl auch nicht ganz unbeteiligt …

    Grüße,
    Gerald

  4. Hallo Gerald,
    tendentiell ist es ja meistens einfacher, aus guten Lagen kräftige Weine zu erzeugen. Die meisten Winzer streben ja eine einigermaßen differenziertes Portfolio an, also sowohl etwas kräftigere als auch etwas leichtere Weine. Warum sollten sie also aus den guten Lagen Leichtweine machen und sich dann auf irgendwelchen Rübenäckern mit den kräftigeren Weinen herumplagen?

    lg
    Hans Peter

  5. Der Grund, warum Weinliebhaber mit höherem Alkohol besser zu Rande kommen ist mE ganz ein trivialer: sie sind einfach durch regelmäßigen Weingenuß trinkfester. Die Erfahrung mit kräftigeren Weinen verschiebt & erweitert zudem die eigenen Schwellen.

    Weinanfänger sind bzgl. des im Vergleich zu anderen alk. Getränken höheren Alkoholgehaltes viel senisbler und besorgter – daher wahrscheinlich auch der unterschiedliche „Grad der Aufmerksamkeit“ bei den Seminaren.

    Und natürlich, wie zuvor bereits richtig angeführt wurde – die Topqualitäten sind meistens im obersten Graduationssegment angesiedelt – ein Federspiel bringt’s niemals zu Weltruhm, auch wenn in diesem Segment die oftmals homogeneren und sortentypischeren Weine zu finden sind.

  6. Na ja, das Argument mit der Trinkfestigkeit halte ich nicht für so stichhaltig. Denn der Unterschied im Alkohol zwischen einem 12% und einem 14%-Wein ist je 0,75l weniger als 1/8l. Wie gesagt glaube ich, dass wir über Jahre/Jahrzehnte von Vinea & Co gelernt haben, dass mehr Alkohol (also Smaragd) einfach prinzipiell höherwertiger und damit auch teurer als ein Federspiel ist – ganz unabhängig von der konkreten Lage. Vielleicht würde es anders aussehen, wenn hierzulande die Kategorien nach Lagen (wie z.B. im Burgund) gebildet werden?

    Grüße,
    Gerald

  7. Ich glaube auch eher, dass sich die von Ihnen angesprochenen „Fachkreise“ nicht gegen das vorherrschende System schreiben trauen. Einerseits um niemanden zu vergrämen und andererseits dem gängigen Trend so lange treu zu bleiben bis ein wirklicher „Weinpapst“ wieder auf die Bühne tritt und leichte Weine öffentlich heilig spricht.

    Leider wird aber gerade der „gemeine“ Weinfreund ziemlich allein gelassen mit seiner passion und kann eigentlich nur das als gegeben nehmen, was man ihm anbietet und predigt. Was er dann in der Regel ja auch tut.

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