Der Vergleich macht mich sicher

Vor ein paar Tagen hatte ich die Gelegenheit, einige der renommiertesten und teuersten burgenländischen Rotweine gemeinsam mit Weinen von uns zu verkosten.

Da ich mir diese Weine normalerweise nicht kaufe, ergibt sich eine solche Chance zur Standortbestimmung nicht so oft. Und umso mehr regen diese seltenen Anlässe zum Nachdenken an.

Fast alle dieser Weine waren sehr gut, und wenn ich daran etwas zu kritisieren hätte, dann eher stilistische als qualitative Aspekte. Zum Nachdenken gebracht hat mich daher weniger die Qualität oder der Vergleich mit unseren Weinen gebracht (den ich sowohl in Sachen Qualität als auch Preis-Leistungs nicht fürchte), sondern der Vergleich der Methoden, die bei diesen Weinen Verwendung finden.

Damit meine ich nicht irgend welche dubiosen Tricks, sondern relativ banale Dinge. Auch wir arbeiten sehr qualitätsorientiert, aber von dem, was bei diesen Weinen heutzutage üblich ist, sind wir doch ein Stück entfernt:

Da werden die Trauben beinahe einzeln (gemeint ist in kleinen Kistchen) nach Hause transportiert und nicht nur bei der Lese, sondern zusätzlich auch noch vor dem Rebeln und danach mit immensem Personalaufwand sortiert. Anschließend werden sie tagelang mit enormem Energieaufwand vor der Gärung kaltmazeriert und bei Bedarf mostkonzentriert.

Die Gärtanks haben jeden Schnickschnack, um z.B. bei Bedarf die Kerne samt bitteren Tanninen abtrennen zu können, oder die Maische mit verschiedenen Möglichkeiten (Druckluft, Übersprühen, Untertauchen) zu durchmischen.

Und nach dem Pressen müssen es ausschließlich neue Fässer sein, natürlich nur vom allerallerfeinsten, auch wenn das Barrique 1000 Euro kostet. Bei Bedarf setzt man auch schon mal medzinisch reinen Sauerstoff zur Mikrooxidation ein, samt den dazugehörigen Steuerungseinrichtungen.

Und das die Faßlager gekühlt werden und die Luftfeuchtigkeit vom Computer exakt geregelt wird, versteht sich ohnehin von selbst.

Bei manchem Wein könnte man meinen, diese Prozeduren sind nur Selbstzweck, um den Preis wenn schon nicht über die Qualität im Glas dann doch wenigstens über die Darstellung des unternommenen Aufwandes zu rechtfertigen.

Man mag mir mangelndes Verständnis für Spitzenweine vorwerfen, oder auch mangelnden Ehrgeiz oder Kompetenz. Aber wenn bei der Menge an Energie, sowohl im engeren als auch im weiteren Sinn, kein für mich deutlich schmeckbarer Qualitätsunterschied zu erzielen ist, halte ich vieles davon für eine Verschwendung von Ressourcen an der ich mich, solange ich es mir erlauben kann nicht beteiligen werde.

8 Gedanken zu „Der Vergleich macht mich sicher“

  1. ich verstehe deinen gedankenansatz ganz und gar. selbst der interessierte, geschulte, fachlich kompetente konsument kann schon lange nicht mehr od. besser gesagt hat niemals einblick in die einzelnen kellertechnischen prozesse der winzer machen können. sein bild war der preis des weins, die prämierungen, vielleicht das persönliche verhältnis zum winzer und hoffentlich der eigene geschmacksverstand.

    ob der winzer jetzt spontan in offenen holzbotichen vergärt, quasi steril wenig nostalgisch in schönen temperaturgesteuerten nirostertanks, od. das maischen mit jungfreulichen damenfüßen macht, ist sache, philosopie, streng kalkulierte kostenrechnung eines jeden selbst.

    Punkt ist: Der Erfolg gibt einem schließlich recht, sprich die zufriedene für sich abgesteckte existenz und die jeweils selbst definierten Ziele. Alles andere zählt eigentlich nicht. Demokratisches Weinmachen sag ich nur 😉

  2. Schön formuliert, das mit dem demokratischen Weinmachen, Andi!

    Ich hab´ ja auch nichts dagegen, wenn Kollegen das Eine oder Andere für notwendig halten. Das steht mir ja auch gar nicht zu.

    Aber das Recht auf die Meinung, daß es auch ohne manchen energieverschwendenden Schnickschnack gehen kann, die nehme ich mir heraus. Zumal dieser Aspekt gelegentlich unter den Tisch gekehrt wird fällt, wenn in Zeiten von Energiekrise, Klimawandel und Co. von bio(dyn) gesprochen wird.

    Wie bestellt ist mir dazu heute ein österreichisches Winzer-Fachblatt auf den Schreibtisch gekommen. Dort heißt es in einem Artikel über eine neu auf der grünen Wiese errichtete Kellerei:

    …Weltweit gibt es nur wenige Anlagen, die in diese Konzeption umgesetzt wurden. Das Ziel lautet, die Frucht der Traube im höchsten Maße auszulaugen. Dazu bedient man sich, sowohl bei Weiß- als auch bei Rotweinen, der Kaltmazeration unter Druck…

    …Das Traubenmaterial, weiß wie rot, kommt dann in den Röhrenaustauscher, wo auf Temperaturen zwischen 5 und 8 °C heruntergekühlt wird…

    …Im Gärtank wird die Masse wieder auf Temperatur gebracht (rund 15°C), es erfolgt die Hefezugabe…

    …Mikro- und Makrooxidation sind während und nach der Maischegärung natürlich möglich…

    …Für Rotweine stehen vier unterschiedliche Gärsysteme bereit…

    …Zusätzlich bietet jeder Tank die Möglichkeit, für die Weinsteinstabilisierung auf -4°C abzukühlen und für Schönungen etc. zu erwärmen…

    …So war eine aktive Kühlung der (oberirdischen, Anmerkung von mir) Räumlichkeiten nach dem warmen Frühjahr und heißen Frühsommer 2006 erst spät (Hervorhebung von mir) vonnöten…

    Das es anders auch geht, zeigen Kollegen (und auch wir) immer wieder. Im Lesealltag ebenso wie bei Passivenergie-Flaschenlagern und energiesparenden unterirdischen, echten Kellern.

    Grüße

    Bernhard

  3. Hallo Bernahrd,

    stimme Dir 100 % zu. Am meisten Freude habe ich wenn ein Wein quasi ohne viel Hilfe und Zugaben einfach perfekt wird. Gärung im offenen Bottich ohne Kühlung und Aufwärmen, Lagerung im Holz mit Abziehen und nur einer Filtration bei der Füllung….

    BC

  4. Hallo lieber Bernhard Fiedler,ich verfolge Ihre Veröffentlichungen
    sehr aufmerksam und mit großem Interesse.Mir ist weiterhin bewusst geworden,dass Weinherstellung ein stückweit Wissenschaft ist,will man es richtig betreiben! Ich möchte sehr gern ausführliches über Barriqueausbau erfahren,ist es doch quasi die „hohe Schule“ der Weinherstellung.
    Würde mich über eine Beantwortung sehr freuen.
    Viele Grüsse!
    Kurt Liebsch

  5. Sehr geehrter Herr Liebsch!

    In der nächsten Zeit werde ich es wohl weinlesebedingt nicht schaffen, längere Beiträge zu Nichtweinlesethemen zu verfassen. Hier habe ich aber schon einmal sehr ausführlich über den Barriqueausbau geschrieben.

    Grüße

    Bernhard Fiedler

  6. Lieber Bernhard Fiedler,Ihre Veröffentlichungen zum Thema Wein sind für mich von ausserordentlicher Wichtigkeit und sehr
    lehrreich ! Habe unseren Rotwein 07nach ausreichender Vorbehandlung (Maischegärung) Dornfelder-Regent, und Grobfiltration im Barrique ausgebaut mit Erfolg wie Proben zeigen. Ich bin Ihnen sehr zu Dank verpflichtet !
    Viele Grüsse
    Kurt Liebsch

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