Heute ist wieder Wein(blog)rallye-Tag, und alle deutschsprachigen Genussblogger, die Lust dazu haben, befassen sich auf Vorschlag von Hausmannskost mit autochthonen Rebsorten.
Streng genommen geht es also um Sorten, die dort, wo sie heute gepflegt werden auch ihren biologischen Ursprung haben. Aber weil die Evolutionsgeschichte der Rebsorten vor dem 18. oder 19. Jahrhundert weitgehend im Dunkeln liegt (und mangels fundierter Quellen und dank unzähliger richtig und falsch gebrauchter Namenssynonyme wohl auch bleiben wird), genügt es für die Rallye, wenn die Sorten einer Region eine lange, prägende Tradition haben.
Im Burgenland trifft das eigentlich nur auf den Blaufränkisch zu, der im Unterschied zur traditionellen weißen Sortenvielfalt lange Zeit in den meisten Orten die einzige in nennenswertem Umfang gepflanzte (und damit prägende)Rotweinsorte war.
Nachdem ich dem Blaufränkisch aber schon anläßlich der 22. Weinrallye-Etappe diesen umfangreichen Beitrag gewidmet habe, schreibe ich diesmal über die traditionellen Weißweinsorten meiner Heimat.
Ausgangspunkt dafür ist das am einfachsten aufzutreibende historische Dokument, auf dem auch Rebsorten verzeichnet sind: Die Erntemeldung für den Jahrgang 1939 meines Urgroßvaters.
Darauf sind in Kurrentschrift folgende Sorten erwähnt: Grüner Veltliner, Neuburger, Furmint, Welschriesling, Muskat Ottonel, Silberweiß und Burgunder blau (die damals in der Region gängige, aber falsche Bezeichnung für den Blaufränkisch).
Grüner Veltliner
Auch wenn es angesichts der weinmedialen Präsenz Niederösterreichs schon in Vergessenheit zu geraten droht, ist der Grüne Veltliner auch eine Traditionssorte des Burgenlandes. Vielleicht hat er ja sogar hier seinen Ursprung, denn immerhin wurde (wie hier berichtet) bei Eisenstadt der wahrscheinlich letzte Rebstock seines zweiten Elternteils (neben dem Traminer) entdeckt.
Trotz Rotweinboom und Umstrukturierung ist er (etwa ex aequo mit dem Welschriesling) noch immer mit mehr als 10 Prozent die meistangepflanzte Weißweinsorte. Sein Potential zum Spitzenwein wird rund um den Neusiedlersee zwar nur selten genützt, aber auch im Bereich der Basis- und Mittelklasse stellt er seine Eignung für den pannonischen Raum unter Beweis.
So unterschiedlich die Jahrgänge auch sein mögen, ob heiß und trocken oder naßkalt, der Grüne Veltliner bringt zuverlässig seine Qualität und seinen Ertrag. Er ist widerstandsfähig gegen Fäulnis (was für den Ausbau von trockenen Weinen in einem Botrytisgebiet ein unschätzbarer Vorteil ist) und pflegeleicht im Keller.
Nicht zuletzt deshalb haben wir ihm in unserem Qualitätsweinsegment den Vorzug gegenüber dem Welschriesling gegeben und werden uns auch weiterhin um ihn bemühen.
Neuburger
Der Legende nach stammt der Neuburger von einem Bündel Reben, das von der Donau in der Wachau an Land gespült wurde. Wie der Veltliner hat auch er im Burgenland eine Heimat gefunden, aber anders als dieser ist er dabei seine frühere Bedeutung nahezu völlig einzubüßen.
Dabei kann der Neuburger zweifellos hervorragende und gebietstypische Weine erbringen. Er tut es aber im Vergleich zu anderen Sorten viel zu selten, und das liegt nicht (nur) an den Weinbauern.
Nach dem mit ihr getriebenen Schindluder in den 70er- und 80er-Jahren ist auch das Image der Sorte trotz des sich alle paar Jahre wiederholenden medialen Trommelwirbels zur Einleitung einer Neuburger-Renaissance nach wie vor im Keller.
Diese besondere Kombination von hohem Pflegeaufwand, stark schwankendem Ertrags- und Qualitätsniveau UND schwieriger Marktsituation haben nicht nur uns dazu gebracht, die Sorte zu roden.
Furmint
Obwohl unsere Erntemeldung 1939 sogar noch mehr Furmint ausweist, als Blaufränkisch, ist diese alte pannonische Sorte wenige Jahrzehnte danach im Burgenland so gut wie ausgestorben.
Dass es so gekommen ist, hat wohl auch mit den hohen Ertragserwartungen der 60er- und 70er-Jahre zu tun, die die Sorte nicht erfüllen konnte. Und obwohl sich die Kollegen im benachbarten Rust seit einigen Jahren wieder ein wenig um den Furmint bemühen, ist eine Wiederauferstehung im größeren Stil nicht in Sicht.
Zwar halten ihn manche wegen seiner hohen Säure besonders für das trockene pannonische Klima geeignet, aber der heutzutage präferierte trockene Weinstil scheint dem Furmint nicht wirklich zu liegen. Nicht zuletzt aus diesem Grund habe ich nicht vor, nach mehr als 50 Jahren in absehbarer Zeit wieder Furmint zu keltern.
Welschriesling
Auch der Welschriesling hat eine lange, durchaus prägende Tradition in Mittelosteuropa. Spätreif und säurereich paßt er ins vorherrschende Klima, und anders als der Furmint kann er auch durchaus elegante, feingliedrige trockene Weine erbringen.
Im Gegensatz zum Grünen Veltliner zeigen sich seine Stärken jedoch vorwiegend im Bereich der leichten Sommerweine oder bei den edelsüßen Prädikaten. Ausdrucksstarke trockene Weine mit entsprechendem Körper gelingen dem Welschriesling nur selten.
Aber auch bei den alkoholschwächeren Sortenvertretern findet man kaum noch hochwertige, typische Weine seit viele Kellermeister glauben, dem von Natur aus zarten Welschrieslingbukett mit zuckerlhaften Kaltgäraromen auf die Sprünge helfen zu müssen.
Bleiben also die Hochprädikate, dort kann der Welschriesling zweifellos Weltklasseniveau erreichen. Weißburgunder und Chardonnay, die in Jahren ohne ausreichenden Edelfäulebefall als trockene Weine hochwertiger und besser zu vermarkten sind aber auch…
In unserem Betrieb hat der Welschriesling nach einer Blütezeit in den 80ern und 90ern stark an Bedeutung verloren. Angesichts des abnehmenden Bedarfes an unkomplizierten Weißen haben wir unser Qualitätsweinsortiment in diesem Bereich auf eine Sorte reduziert und dabei dem meiner Meinung nach zuverlässigeren und besseren Veltliner den Vorzug gegeben.
Von den noch bestehenden Weingärten keltern wir einen einfachen Landwein, und da sich auch unser Süßweinbedarf in Grenzen hält, werden wir sie wohl nicht ersetzen, wenn sie in einigen Jahren zur Rodung anstehen.
Muskat Ottonel
In meinem Heimatort kann der an und für sich weit verbreitete Muskat Ottonel durchaus als autochthon gelten. Verhalf er Mörbisch doch von den 50er- bis zu den 80er-Jahren zu überregionaler Bekanntheit.
Was damals und seither passiert ist, kann man hier in meinem Beitrag zur 33. Weinrallye-Etappe nachlesen. Zumindest in unserem Betrieb erlebt die Sorte seit ein paar Jahren einen neuen Höhenflug.
Silberweiß
Auch die traditionelle Rebsorte „Silberweiß“ nahezu verschwunden, aber anders der Furmint ist sie bis heute in denKöpfen der (älteren) Mörbischer Weinbauern präsent. Da und dort finden sich in älteren Weingärten auch noch einzelne Stöcke, und ein oder zwei Kollegen pflegen bis heute reinsortige „Silberweiß“-Weingärten.
Erst vor wenigen Jahren sind wir draufgekommen, dass unser „Silberweißer“ mit dem in Luxemburg und an der Mosel verbreiteten Elbling ident sein dürfte, der als älteste Sorte Europas gilt.
Die großen, säurereichen und wenig geschmacksintensiven Trauben lassen zwar keine weinqualitative Offenbarung erwarten, aber wir überlegen dennoch aus Gründen der Traditionspflege wenigstens ein paar alte Stöcke weiterzuvermehren.
1 Gedanke zu „Weinrallye #40: Autochthone Rebsorten“